Am besten daheim bleiben, Abstand halten: Die Corona-Regeln werfen unter anderem die Frage auf, wie sich Schulabgänger heuer für eine Lehrstelle bewerben sollen. Und vor allem, wo? Die Lockdowns haben die Wirtschaft ins Schlingern gebracht, mancher Betrieb hängt in den Seilen.
Weil die heiße Phase der Bewerbungen beginnt, hat die Redaktion einige wichtige Aspekte zusammengefasst. Experten aus der Region zeigen zum Beispiel, welche Fragen die Bewerber gerade jetzt den Unternehmern stellen sollten und welche Regeln bei Video-Gesprächen gelten.
Auf jeden Fall, meint Barbara Hoffstadt, Leiterin der Abteilung Ausbildung bei der Handwerkskammer für Unterfranken. Der Fachkräftemangel sei nach wie vor groß, so dass viele Betriebe nach qualifiziertem Nachwuchs suchten. Wie die Kammer vor einigen Tagen mitteilte, sind in in der Region allein im Handwerk derzeit 1700 Lehrstellen frei.
So schnell wie möglich, rät Hoffstadts Kollege bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, Lukas Kagerbauer. "In vielen Betrieben laufen die Bewerbungsphasen bereits auf Hochtouren." Wer sich frühzeitig bewirbt, habe mehr Zeit für ein Praktikum und damit für die Findungsphase, ergänzt Hoffstadt. Ihr Tipp: Für die Bewerbung das Jahreszeugnis aus 2020 oder das Zwischenzeugnis des laufendes Schuljahres verwenden.
Eine schriftliche Bewerbung per Mail oder per Briefpost sei auch in Corona-Zeiten ratsam, meint Hoffstadt. Ihr Tipp: Vorher im favorisierten Betrieb fragen, wie das Bewerbungsverfahren konkret läuft, ob also später zum Beispiel ein Video-Chat erwünscht ist. Ein persönliches Vorstellungsgespräch im Betrieb sowie ein Praktikum seien unter Einhaltung der gängigen Corona-Regeln nach wie vor zulässig.
Authentisch bleiben und trotzdem ordentlich, lautet der Hinweis des IHK-Experten Kagerbauer. Wie beim Gespräch von Angesicht zu Angesicht gelte: "Der erste Eindruck zählt." Hoffstadt von der Handwerkskammer gibt den Rat, sich vor dem Video-Gespräch - wie sonst auch - ausgiebig über den Betrieb zu informieren. Während des Gesprächs sei es wichtig, glaubhaftes Interesse an dem Beruf und dem Unternehmen zu zeigen sowie die eigenen Stärken in den Vordergrund zu rücken. Und: Dem Unternehmer unbedingt Fragen stellen, um das eigene Interesse zu untermauern. Da die Bewerber solche Video-Chats normalerweise in ihren Privaträumen führen, "müssen sie hier auf eine störungsfreie und geräuscharme Umgebung achten", so Hoffstadt. Ein neutraler Hintergrund sowie eine gute Bild- und Tonqualität seien ebenfalls wichtig.
"Wie meistern Sie derzeit die Corona-Krise, welche Herausforderungen sind auf Ihr Unternehmen zugekommen?": Solche Fragen sind nach Meinung von IHK-Vertreter Kagerbauer erlaubt und zeigen Interesse des Bewerbers. Als Quellen für die Recherche empfiehlt er Tageszeitungen, die Website der Firma, die sozialen Netzwerke, Karriere-Plattformen und Bewertungsportale. Für Hoffstadt von der Handwerkskammer stellt sich die Ausgangsfrage kaum: Die Mehrheit der Betriebe in Unterfranken sei "bislang recht gut" durch die Corona-Krise gekommen. Selbst gebeutelte Unternehmen bildeten grundsätzlich weiter aus, weil sie für die Zeit nach der Pandemie unbedingt Fachkräfte brauchten. "Deshalb können Bewerber davon ausgehen, dass ein Betrieb, der zum Bewerbungsgespräch einlädt, aus Überzeugung ausbildet und entsprechend langfristig plant."
In nahezu allen, meinen Hoffstadt und Kagerbauer. Wichtig sei, dass sich die Bewerber auch wirklich für einen Beruf interessieren. Hierbei sollten die eigenen Talente und Neigungen im Vordergrund stehen. Wer Motivation und Eignung mitbringe, der "hat in nahezu allen Handwerksberufen gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz", so Hoffstadt.
Der 1. September ist kein Muss. Danach gebe es "in fast allen Berufen noch Plätze", lautet der Hinweis von Lukas Kagerbauer. Es sei allerdings ratsam, sich frühzeitig um eine Lehrstelle zu bemühen: Je später man beginne, desto mehr Unterrichtsstoff versäume man in der Berufsschule.
Für Barbara Hoffstadt zählt die Höhe des Lohnes "nicht zu den wichtigsten Entscheidungskriterien". Vielmehr seien "Herz und Leidenschaft" für den gewählten Beruf ausschlaggebend. Wer das mitbringe, "dem stehen alle Wege offen". Die Expertin der Handwerkskammer weist darauf hin, dass es seit einem Jahr eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung gebe, wonach für Azubis, die heuer beginnen, der Monatslohn bei mindestens 550 Euro liege. Dies gelte fürs erste Lehrjahr. In den meisten Handwerksberufen würden freilich "deutlich höhere Ausbildungsvergütungen bezahlt". In der Tat: Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn bekommt zum Beispiel ein Dachdecker im ersten Lehrjahr 760 Euro, im zweiten 910 und im dritten 1160. Ein Bankkaufmann startet gar mit 1056 Euro und erhält gegen Ende der Ausbildung 1170 Euro monatlich.
Praktika und schulische Angebote zur Berufsorientierung sind für Kagerbauer die ersten wichtigen Schritte. Zudem sollten die Eltern genauso zu Rate gezogen werden wie Bekannte, die den ins Auge gefassten Beruf bereits ausüben. Natürlich sind für Kagerbauer und Hoffstadt die Info-Angebote ihrer Kammern wichtige Quellen.