
Die Corona-Krise haut derzeit bei vielen Betrieben in die Geschäftszahlen und stellt manches auf den Kopf. Von Talfahrt oder Überlebenskampf ist häufig die Rede. Die Vogel Communications Group in Würzburg sieht sich als Beispiel dafür, wie ein Firmenumbau die Zukunft sichern kann. Transformation wird das gerne genannt.
Das einst als Vogel Verlag bekannte Traditionshaus im Stadtteil Zellerau ist tief verankert in gedruckten Fachzeitschriften, die bundesweit vertrieben werden. Doch die Zukunft von Print ist eine schrumpfende, wie auch andere Verlage wissen.
Wie es der Fachpresse generell geht
So meldet der Verein Deutsche Fachpresse für die Branche einen Rückgang der Print-Erlöse zwischen 2016 und 2020 von 16,5 Prozent. Online-Erzeugnisse hingegen haben demnach im selben Zeitraum um 43 Prozent zugelegt. Das unterstreicht einen bekannten Trend: Verlage müssen auf neue Pferde setzen.
Mit Titeln wie "MM Maschinenmarkt", "Kfz-Betrieb", "Schüttgut" oder "Blechnet" findet man Vogel-Produkte nicht am Kiosk um die Ecke. Die Magazine sind samt ihren Webseiten vielmehr in den jeweiligen Branchen beachtete Medien.
Das konnte freilich nicht verhindern, dass auch Vogel in den Abwärtssog der Fachpresse geraten ist. Der Umsatz allein mit den Printprodukten sank von 2011 bis 2021 um etwa ein Drittel. Als 2020 auch noch Corona kam, zog Verlagschef Matthias Bauer die Reißleine. 40 Stellen wurden gestrichen. Heute arbeiten noch 700 Menschen für Vogel, 400 davon in Würzburg, der Rest unter anderem in Berlin und im Ausland.
Bauer ist seit 2017 Vorsitzender der Geschäftsführung. Von Anfang habe er auf eine Vier-Felder-Strategie gesetzt, um das Steuerrad herumzureißen: Print plus Digitales plus Veranstaltungen plus Agenturen. Das hat dazu geführt, dass sich unter dem Vogel-Dach mittlerweile zwölf Firmen befinden, die nach Ansicht von Bauer in der Summe ein sicheres Fundament bilden. Frei nach Motto: Auf vielen Beinen steht man besser als auf einem.
Für Bauer ist das nicht das einzige Erfolgsrezept der Transformation: Der 40-Jährige sieht das Firmengeflecht auch als Geflecht von Kompetenzen. Was die eine Seite für den Kunden nicht erledigen kann, soll die andere übernehmen. Deshalb sehen sich die "Vogelianer" längst nicht mehr als Fachverlag, sondern als Betrieb für Kommunikation.
Was das im Alltag bedeutet, weiß Benedikt Hofmann. Der Chefredakteur des Print-Flaggschiffs "MM Maschinenmarkt" versteht sich nicht mehr allein als journalistischer Blattmacher, sondern als Experte mit anderweitig verwendbarem Fachwissen. Deshalb komme es durchaus vor, dass ihn beispielsweise die zu Vogel gehörende Agentur Schoessler (Berlin/Würzburg) anrufe, um Rat für einen Kundenauftrag einzuholen.
Vogel: Fachwissen der Redaktionen wird angezapft
Schoessler hat mit "MM Maschinenmarkt" direkt nichts zu tun, sondern kümmert sich für Geschäftskunden darum, wie etwa deren Auftritt in sozialen Netzwerken aussehen sollte, wie das Marketing laufen muss oder wie eine Geschäftskunden-Veranstaltung Erfolg hat. Ähnliche Ansätze haben die Agenturen Werbeboten und DataM, die ebenfalls seit geraumer Zeit zu Vogel gehören.
Dass Fachredakteure wie Hofmann über das reine Journalistenhandwerk hinaus agieren, darüber sind Chefredaktionen im Land offenbar geteilter Meinung. "Grundsätzlich zeigt sich ein geteiltes Meinungsbild", dass Fachredaktionen PR-Arbeit für Kunden leisten oder die eigene Anzeigen- und Vertriebsabteilung unterstützen, teilte der Verein Deutsche Fachpresse im März 2021 auf der Grundlage einer eigenen Umfrage mit. Generell gelte, dass sich die Arbeit der Redaktionen "in den letzten Jahren ausgeweitet" habe zum Beispiel in Richtung Produktmanagement.
Vogel-Chef Bauer: Betriebsrat wurde eingebunden
Vogel-Chef Bauer sieht hier kein Problem, denn grundsätzlich sei der Umbau seines Verlags mit dem Betriebsrat abgestimmt. Und: Die journalistisch wichtige Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung sei bei Vogel nach wie vor gewährleistet.
Es gehe vielmehr darum, dass es den Fachredakteurinnen und -redakteure seines Verlags egal sein müsse, "wo ihr Inhalt letztendlich verwendet wird" - in Print, auf einer Webseite oder einem ähnlichen Kanal. "Denn für uns ist ein Fachredakteur undenkbar, der nur in einem Format denkt."
Einst sieben Verkäufer, heute noch einer
Ein Unternehmen umkrempeln, um es fit und flexibel für Neues zu machen: Dies ist nach Bauers Worten in dem 130 Jahre alten Unternehmen auch an anderer Stelle zu erkennen. So seien bis 2017 noch bis zu sieben verschiedene Vogel-Verkäufer beim Kunden erschienen. Jeder wollte für sein Fachmagazin gesondert Anzeigen angeln.
Damit sei Schluss: Seit 2018 gehe zum Kunden nur noch ein Vogel-Verkäufer, der sämtliche Angebote des Verlags vertrete. Deshalb könne es vorkommen, dass dem Kunden zu einem Webauftritt auch eine passende Social-Media-Strategie plus gleich noch eine passende Veranstaltung im verlagseigenen Vogel Convention Center in Würzburg nahegelegt werden könne.
Freilich muss diese Veranstaltungshalle erst einmal wieder aus dem Corona-Tal kommen: Die Umsätze im Verlagsbereich "Veranstaltungen" knickten 2020 im Vergleich zu 2019 um die Hälfte ein.
So oder so, jenes Bündel an Angeboten der Vogel-Tochterunternehmen ist für Bauer eine Erfolgsformel für die Zukunft. Die Aussichten scheinen ihm Recht zu geben: Machte die Vogel-Gruppe 2020 noch ein Minus von 6 Millionen Euro, erwartet Bauer für 2021 einen operativen Gewinn von 8 Millionen Euro.
Wachsen soll der Verlag nach Ansicht des 40-Jährigen in erster Linie mit den vorhandenen Kunden und weniger mit neuen. Zudem will Bauer das Unternehmen mit der Gründung weiterer, auf Kommunikation spezialisierter Agenturen breiter machen: 40 Millionen Euro hat der Chef dafür im Etat.