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Bad Neustadt/Veitshöchheim
Beispiel Pecht: Wenn eine Stiftung neue Chefin in der Firma wird
Wenn der Chef in Rente geht, sollte klar sein, wer das Unternehmen weiterführt. Das Kaufhaus Pecht in Bad Neustadt hat dafür eine Lösung, die in der Region selten ist.
Eine Stiftung als Lösung für die Unternehmensnachfolge - das ist das Modell im traditionsreichen Kaufhaus Pecht in Bad Neustadt. Im Bild (vorne) die Inhaber Heidi und Franz Pecht, Stiftungsvorstand Horst Dömling und die Geschäftsführer Björn Tischer (hinten links) und Bernd Titius.
Foto: Pecht GmbH | Eine Stiftung als Lösung für die Unternehmensnachfolge - das ist das Modell im traditionsreichen Kaufhaus Pecht in Bad Neustadt.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:43 Uhr

Die Zeit drängt: Etwa jeder dritte Unternehmer, der in der Region vor der Rente steht, weiß nicht, ob er sein Geschäft in andere Hände legen oder aufgeben soll. Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt gehen im Schnitt pro Jahr 130 mainfränkische Firmen ein, weil der Chefwechsel nicht geregelt werden konnte.

Neben Fachkräftemangel, Digitalisierung und aktuell Corona gilt die Unternehmensnachfolge somit als eine der größten Herausforderungen in der regionalen Wirtschaft. Die Frage der Stabübergabe auf die nächste Generation sei schon vor der Pandemie schwierig gewesen, sagt der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Sascha Genders. "Corona hat aber alles beschleunigt. Die Effekte sind vielschichtig."

Schlechte Karten haben übergabewillige Chefs jetzt also erst recht, wenn sie sich nicht frühzeitig um ihre Nachfolge gekümmert haben. Wie langfristiges Denken aussehen kann, zeigt das Beispiel des bald 150 Jahre alten Kaufhauses Pecht in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Dort haben die Besitzer eine Lösung für die Ewigkeit gefunden. Und eine, die in der Region selten ist.

Es war 2014, als der 80. Geburtstag von Franz Pecht bevorstand. Der Kaufhaus-Inhaber wollte ihn mit seiner Frau Heidi nicht daheim feiern, sondern verreisen. Tochter Susanne habe da die Frage gestellt, was mit dem Unternehmen passiere, wenn die Eltern von der Reise nicht mehr lebend zurückkehren würden, erinnert sich Heidi Pecht.

"Ich wollte, dass die Firma so lange wie möglich bestehen bleibt."
Seniorchef Franz Pecht (86) über seine Entscheidung für die Stiftung

So stand ein Thema im Raum, das Heidi und Franz Pecht unverrückbar und mit der für die Familie typischen Verbundenheit zu Bad Neustadt lösen wollten: Sie gründeten nach Gesprächen unter anderem mit einem Wirtschaftsprüfer eine Stiftung.

"Ich wollte, dass die Firma so lange wie möglich bestehen bleibt", sagt der heute 86 Jahre alte Franz Pecht. Alternativen wie ein Verkauf oder der Einstieg Externer als Eigentümer seien nicht in Frage gekommen, ergänzt die 75  Jahre alte Heidi Pecht. 

Warum die Stiftung Pecht zweigeteilt ist

Dass Stiftungen in der Regel auf ewig angelegt werden, kam dem Wunsch des Ehepaares nach einer langfristigen Lösung entgegen. Die Ausrichtung der Stiftung Pecht ist zweigeteilt: So lange Franz und Heidi Pecht leben, dient sie sozialen Zwecken, etwa der Unterstützung notleidender Kinder. Nach ihrem Tod wird die Stiftung alleinige Gesellschafterin und damit Eigentümerin des Unternehmens Pecht werden. Dies regle das Testament der jetzigen Eigentümer, erklärt Stiftungsvorsitzender Horst Dömling.

Dömling ist ein weiterer Beleg für die enge Verwobenheit der Verantwortlichen im Kaufhaus Pecht untereinander. Von 1999 bis Ende 2017 war er - von der Pecht-Familie hochgelobter - Geschäftsführer des Kaufhauses, das heute vier Adressen in Bad Neustadt und 140 Beschäftigte hat. Für die Inhaber lag es nahe, ihn zum Chef der Stiftung zu machen.

Wie viel Ertrag jährlich an die Stiftung geht

Mit 350 000 Euro Anfangskapital stattete die Familie die Stiftung aus. "Damals gab es ja noch Zinsen", beschreibt Dömling die finanzielle Grundlage. Heute habe die Stiftung 400 000 Euro, angelegt vor allem in Wertpapieren mit einer Verzinsung von rund vier Prozent.

Die Geschäftsführung schlage Jahr für Jahr vor, wie viel aus dem Ertrag des Kaufhauses in die Stiftung übertragen wird. Die Entscheidung falle dann jeweils in Verhandlungen mit dem Stiftungsbeirat, in dem Horst Dömling, Franz Pecht und Tochter Susanne sitzen.

Eine auf die Unternehmerfamilie zugeschnittene Stiftung sei grundsätzlich ein sinnvoller Weg, das Lebenswerk zu sichern, lautet die Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater in Bonn. So könne nach dem Tod des Unternehmers ein Verkauf des Betriebes an Externe verhindert werden.

Was die heutigen Pecht-Geschäftsführer zur Lösung sagen

Mit der Stiftung als künftiger "Chefin" könnten sie gut leben, sagen die heutigen Geschäftsführer Bernd Titius und Björn Tischer. Das sei eine klare und sichere Lösung. Von Großunternehmen waren beide nach Bad Neustadt gewechselt - Titius im Oktober 2017, Tischer im August 2018.

Beide hatte das Familiäre von Pecht gereizt - und die viel engere Verbundenheit mit dem Unternehmen als jene von Managern in Konzernen. Dort gehe es anonym "wie in einem Amt zu", so Titius' Erfahrung. Und wichtige Entscheidungen würden anderswo in den Chefetagen allein anhand der Geschäftszahlen fallen, ergänzt Tischer. Das sei bei Pecht anders.

Im Kaufhaus sei "viel auf Vertrauen" angelegt, betont auch Heidi Pecht. Ihr Mann Franz sieht zudem die Verbundenheit zu Bad Neustadt als Fundament: "Unser Einzugsbereich ist nun mal diese Region."

Beispiel Schuricht: Chefwechsel innerhalb der Familie

Bei der Profiroll Schuricht GmbH in Veitshöchheim gab es den Chefwechsel innerhalb der Familie: Daniel Schuricht mit Mutter Barbara (Mitte) und Ehefrau Jana.
Foto: Christoph Rose | Bei der Profiroll Schuricht GmbH in Veitshöchheim gab es den Chefwechsel innerhalb der Familie: Daniel Schuricht mit Mutter Barbara (Mitte) und Ehefrau Jana.
Der Chefwechsel ist ein langwieriger und sensibler Prozess, der früh angegangen werden sollte, so der einhellige Expertenrat. Die Profiroll Schuricht GmbH in Veitshöchheim bei Würzburg zeigt, wie der Weg aussehen kann.
Seit 2000 leitet Barbara Schuricht das 1985 gegründete, auf Insekten- und Sonnenschutz spezialisierte Familienunternehmen mit 15 Beschäftigten. Sohn Daniel stieg 2007 als gelernter Kfz-Mechatroniker ein. Profiroll Schuricht zufolge begann drei Jahre später der auf zehn Jahre angelegte Übergabeprozess.
Demnach führte Barbara Schuricht ihren Nachfolger Schritt für Schritt an fachlich-technische, betriebswirtschaftliche und rechtliche Chefentscheidungen heran. Die heute 62-Jährige Geschäftsführerin sieht im Nachhinein die besonderen Hürden: "Bei der Nachfolge innerhalb der Familie geht es nicht nur um einen formalen Aspekt, sondern auch um die Herausforderungen im menschlichen und emotionalen Bereich."
2012 bekam Daniel Schuricht den Meisterbrief, 2013 machte ihn seine Mutter zum Verantwortlichen für das Endkundengeschäft, 2015 wurde er gleichberechtigter GmbH-Gesellschafter. Spätestens ab da sei ihr Sohn als Juniorchef angesehen worden und sie auch gemeinsam öffentlich aufgetreten. Für die Chefin eine Entlastung: "Es war ein ganz neues Gefühl für mich, einen Partner zu haben, auf den ich mich verlassen kann."
aug

IHK und Handwerkskammer in Würzburg haben im Internet Tipps und Infos rund um die Unternehmensnachfolge zusammengestellt: www.wuerzburg.ihk.de/nachfolgeund www.hwk-ufr.de/betriebsnachfolge

 
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