Große Herausforderungen und unsichere Zeiten liegen vor dem Bootsbauer Bavaria Yachtbau in Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Am Freitag wurde bekannt, dass das Unternehmen Insolvenz anmelden muss. Am Montag hat das Amtsgericht Würzburg ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführung des Unternehmens handlungsfähig bleibt; gleichzeitig wurde ein Sachverwalter bestellt, der beobachtet und eingreift, falls Nachteile für die Gläubiger entstehen.
Wie die Stimmung bei Personal ist
Die Beschäftigten von Bavaria hatten am Freitag in einer Betriebsversammlung offiziell von der Insolvenz erfahren. Für einen großen Teil sei diese Nachricht sehr überraschend gekommen, so Walther Mann von der IG Metall in Würzburg. Am Unternehmensstandort in Giebelstadt gibt es etwa 600 Mitarbeiter, außerdem laut Mann 175 Leiharbeiter. Die Stimmung in der Belegschaft sei „durchwachsen“, sagt Christian Hartmann, Betriebsratsvorsitzender bei Bavaria. „Die Reaktionen reichen von enttäuscht bis sauer.“
Kunden halten und neue gewinnen
Zu den Gründen für die finanzielle Schieflage will man sich von Seiten des Unternehmens nach wie vor nicht äußern. „Wir sollten im Augenblick nicht zu viel Nabelschau in die Vergangenheit betreiben“, sagt Tobias Brinkmann, Restrukturierungsexperte und Fachanwalt für Insolvenzrecht. Brinkmann ergänzt die Geschäftsführung von Bavaria, nachdem der bisherige Geschäftsführer Lutz Henkel in der vergangenen Woche ausgeschieden ist.
Oberstes Ziel sei nun, einen geeigneten Investor zu finden und das Unternehmen nachhaltig auf eine solide Finanzbasis zu stellen. „Wer hat die Ressourcen und das Know-how, um einen Betrieb wie die Bavaria Yachtbau zu übernehmen?“ – dies sei die entscheidende Frage, so Brinkmann. Man wolle sowohl strategische Investoren als auch Finanzinvestoren ansprechen: „Wir gehen jedem Käuferinteresse nach.“
Daneben gelte es, die Kunden zu halten sowie Schiffe gemäß der aktuellen Aufträge in der versprochenen Qualität zu bauen und auszuliefern. „Außerdem bemühen wir uns um neue Aufträge“, so Brinkmann.
Weniger Krankmeldungen als bisher
Um all dies gewährleisten zu können, darf kein Stillstand eintreten. Der Werftbetrieb werde in den nächsten Monaten nahtlos fortgeführt, heißt es von Seiten des Unternehmens. Da aktuell Auslieferungssaison sei, müsse noch vor dem traditionellen Betriebsurlaub im August ein hoher Auftragsbestand abgearbeitet werden.
Es handelt sich laut IG-Metall-Bevollmächtigtem Mann dabei um etwa 200 Boote. Mann betont: „Entscheidend ist nun, dass die Belegschaft mitzieht – und so weiterarbeitet, als ob nichts geschehen wäre.“ Gleichzeitig müsse es dem Unternehmen gelingen, die Mitarbeiter bei der Stange zu halten, da deren Fachkompetenz gerade in der jetzigen Lage unverzichtbar sei.
Bavaria-Betriebsratsvorsitzender Hartmann zeigt sich vorsichtig positiv: Dass es nach der Bekanntgabe der Insolvenz zu weniger Krankmeldungen in der Belegschaft gekommen sei als zuvor, wertet er als ein Zeichen der Geschlossenheit nach außen. „Die ganze Mannschaft zieht mit“, so sein Eindruck.
Drei Monate ohne Personalkosten
Die Löhne der Beschäftigten für die Monate April, Mai und Juni seien sicher, erklärt Mann von der IG Metall. Das Arbeitsamt zahlt in dieser Zeitspanne ein Insolvenzausfallgeld an die Arbeitnehmer. „Dadurch habe ich als Unternehmen drei Monate keine Personalkosten – diese Zeit muss ich nutzen“, sagt Mann. Findet sich innerhalb der Frist kein neuer Käufer, wird die Insolvenz eröffnet.
Zwar bestehe theoretisch die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen auch nach Ablauf der drei Monate in Eigenregie weiterführe, so Mann: „Dies war zum Beispiel 2003 in Ochsenfurt bei der Firma Kindermann für vier Jahre der Fall.“ Da es sich bei Bavaria aber um ein deutlich größeres Unternehmen als die seit 2012 in Eibelstadt ansässige Kindermann GmbH handle, sei dieses Szenario eher unwahrscheinlich.
Experte baut auf die Bavaria-Effizienz
Trotz der knappen Zeitspanne für die Suche nach einem Investor zeigt sich Mann zuversichtlich: „Der potenzielle Käufer muss Geld in die Hand nehmen, sonst funktioniert es nicht. Im Gegenzug bekommt er aber ein attraktives Unternehmen mit guten Produkten.“ Betriebsrat Hartmann möchte keine Prognose abgeben, „die Lage ist noch zu frisch“.
Restrukturierungsexperte Brinkmann baut auf die Effizienz von Bavaria in der Produktion: „Das ist ein enormes Leistungsmerkmal – viele Yachtbauer sind eher kleine Handwerksbetriebe.“ Auch die langjährige Geschichte des Unternehmens sieht er im Hinblick auf die Investorensuche als klaren Vorteil: „40 Jahre sind im Sportschiffbau eine wirklich lange Zeit, in der viel Kundenvertrauen und Kundenzufriedenheit entstanden ist“, so Brinkmann.
Bavaria Yachtbau GmbH
Die Bavaria Yachtbau GmbH wurde 1978 in Giebelstadt (Lkr. Würzburg) gegründet und ist eines der größten Yachtbau-Unternehmen Europas. In Spitzenzeiten hatten Bavaria zufolge jährlich mehr als 3000 Segel- und Motorboote die Werft verlassen. Zum Angebot gehören Segelyachten, Motoryachten und Katamarane. Bavaria beschäftigt rund 600 Mitarbeiter.
Zur Geschichte: 2007, als der Bootsbau boomte, zog sich Bavaria-Gründer Winfried Herrmann aus der Firma zurück; die Werft wurde für 1,2 Milliarden Euro an eine amerikanische Investorengruppe verkauft. Als Ende 2008 infolge der Weltwirtschaftskrise die Nachfrage nach Booten einbrach, kämpfte man bei Bavaria mit riesigen Überkapazitäten und einer Beinahe-Pleite. Nach turbulenten Zeiten und zahlreichen Wechseln in der Chefetage kamen die US-amerikanischen Investorengruppen Oaktree Capital und Anchorage Advisors an Bord. Diese waren laut „Handelsblatt“ nun nicht mehr bereit, die finanzielle Schieflage bei Bavaria mitzutragen. (cat)