
Maschinengewehr, Schützengraben, Stahlhelm: In alter Denkweise werden solche Begriffe gerne mit der Bundeswehr verbunden. Doch Deutschlands Armee hat längst ein anderes Image und übers Militärische hinaus eine wichtige Rolle fürs Zivilleben. Eine verborgene zudem, wie das Beispiel Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) zeigt: In der Öffentlichkeit kaum bekannt, befindet sich dort eine der größten Ausbildungsstätten für zivile Berufe in Mainfranken.
Im Durchschnitt 100 junge Menschen machen dort pro Jahr die Lehre als Kfz-Mechatroniker oder Industriemechaniker. Zum Vergleich: Der Automobilzulieferer ZF in Schweinfurt als Mainfrankens größter kommerzieller Arbeitgeber hat derzeit 370 Azubis, Kugellager-Spezialist SKF (auch Schweinfurt) 160 und Bosch Rexroth in Lohr (Lkr. Main-Spessart), Schweinfurt sowie Augsfeld (Lkr. Haßberge) 220 – dual Studierende jeweils nicht mitgerechnet.

Anna Braun ist eine der Auszubildenden auf dem Lagerberg, wie das weitläufige Kasernenareal oberhalb von Hammelburg genannt wird. Die 20-Jährige aus Kulmbach ist im vierten Lehrjahr als Kfz-Mechatronikerin. Im Sommer macht sie ihre Gesellenprüfung, derzeit absolviert sie das vorgeschriebene Betriebspraktikum in einem Autohaus in Oerlenbach (Lkr. Bad Kissingen).
"Das ist ideal hier", schwärmt Braun von der Ausbildungswerkstatt in Hammelburg, die es seit 1959 gibt und jedes Jahr 30 neue Azubis aus dem gesamten Bundesgebiet aufnimmt. Neben zwei großen Seminarräumen sowie einem Wohnheim mit 24 Doppelzimmern, Küchen und Betreuungspersonal stehe den Lehrlingen auf dem Gelände ein Schwimmbad zur Verfügung. Regelmäßigen Sportunterricht gebe es zudem in der bundeswehreigenen Halle nebenan.
Angetan ist Braun auch von der technischen Ausstattung der Ausbildungswerkstatt: "Wir kriegen hier sehr viel Verschiedenes beigebracht." Moderne Lasergeräte zur Achsvermessung der Autos, acht neue Spezialkabinen für Schweißarbeiten, gut ein Dutzend Hebebühnen – die drei Hallen für die Azubis muten an wie Autowerkstätten der Oberklasse.
Aus der Oberklasse ist auch manches Auto, an denen sich die Lehrlinge zu schaffen machen. Da steht schon mal ein Sportwagen im Wert von vielen zehntausend Euro auf der Hebebühne.

Dass das so ist, dafür sorgt Werkstattleiter Martin Stürmer. Er hat nach eigenen Worten einen guten Draht zum Beispiel zu Audi und BMW, die ihm nicht für den herkömmlichen Handel vorgesehene Autos zum Bruchteil des Originalpreises verkaufen. Andere werden gespendet. Stürmer ist allerdings per Vertrag verpflichtet, all diese Fahrzeuge allein für die Ausbildungszwecke in Hammelburg zu verwenden.
Den Azubis kann's recht sein. Sie profitieren im Übrigen auch von der Tatsache, dass sie auf der Grundlage des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst bezahlt werden. Demnach gibt es im ersten Lehrjahr 1043 Euro pro Monat, im vierten 1203. Das ist zum Teil deutlich mehr als bei Ausbildungen im privatwirtschaftlichen Bereich.
Gleich sind hingegen die Ausbildungsinhalte und die Prüfungen. Wie in einer üblichen Werkstatt müssen Anna Braun und die anderen Kfz-Mechatroniker vom Auspuff bis zur Zündung alles lernen, was es über ein Auto zu wissen gibt. Die Ausbildung auf dem Lagerberg sei gleichgestellt mit einer Lehre in einem Betrieb außerhalb der Bundeswehr, betont Werkstattleiter Stürmer. Die Berufsschule für die Kfz-Mechatroniker ist in Bad Kissingen, die für die Industriemechaniker in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Nach Stürmers Ansicht hat die Wirtschaft in der Region einen großen Nutzen von seiner Ausbildungswerkstatt: Grob die Hälfte der Lehrlinge gehe nach der Lehre auf dem Lagerberg in die freie Wirtschaft – davon wiederum bleiben schätzungsweise neun von zehn in der Region.
Schon deshalb ist auch Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul von der Handwerkskammer für Unterfranken angetan von der Hammelburger Einrichtung. Sie habe "eine hohe Ausbildungsqualität" und leiste "einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung im Handwerk", so Paul auf Anfrage.
Nach der Lehre bei der Bundeswehr zu bleiben, das sei keine Pflicht, betont Werkstattleiter Stürmer. Wenn ein Abgänger ein klares Ziel in der freien Wirtschaft anstrebe, "dann habe ich kein Problem damit". Auf dem Lagerberg sieht man die Werkstatt nicht nur als Eigennutz, sondern auch als gute Tat für Unternehmen in der Region an.
Was die Azubis in Hammelburg von der Bundeswehr mitbekommen
Trotzdem ist der Alltag in der Ausbildungswerkstatt eng verwoben mit dem der Soldaten. So bekommen die Neulinge unter den Azubis eine mehrtägige Unterweisung in die Laufbahnen bei der Bundeswehr und in die Besonderheiten eines Berufsalltags zwischen Kasernen.
Werkstattleiter Stürmer ist das beste Beispiel für das Miteinander von Ausbildungswerkstatt und Militär in Hammelburg. Der 54-Jährige hat einst auf dem Lagerberg Kfz-Schlosser gelernt. Heute dient er nebenbei als Oberstabsfeldwebel in der Reserve. In wenigen Tagen geht er für ein paar Wochen auf einen Einsatz nach Jordanien.
Überzeugt von der militärischen Laufbahn ist auch Niklas Sammeth aus Wirmsthal (Lkr. Bad Kissingen). Der 18-Jährige schließt wie Anna Braun bald seine Lehre als Kfz-Mechatroniker ab. Dann will er bei der Luftwaffe in die Feldwebel-Laufbahn einsteigen.
Mechaniker für Tornado-Kampfflugzeuge sei sein Ziel, so Sammeth. Dafür geht er eine intensive Bindung mit der Bundeswehr ein: Der junge Mann verpflichtet sich für 13 Jahre.