zurück
WÜRZBURG
Warum im Internet oft gelogen wird
Druck       -  Welche Absichten stecken hinter den absichtlich falsch formulierten Nachrichten und was wollen Menschen erreichen? Illustration: Romina Birzer
| Welche Absichten stecken hinter den absichtlich falsch formulierten Nachrichten und was wollen Menschen erreichen? Illustration: Romina Birzer
Jasmin Schindelmann
Jasmin Schindelmann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:52 Uhr

Auf Facebook machte im Dezember 2016 ein Bild von Renate Künast die Runde, das ein angebliches Zitat der Grünen-Politikerin enthielt. Es spielte auf den damals mutmaßlichen Mörder, einen Flüchtling, an, der eine Studentin in Freiburg getötet haben soll. Die Politikerin habe angeblich gesagt, dass der traumatisierte Flüchtling zwar getötet habe, man ihm aber trotzdem helfen müsse. Angebliche Quelle sei die „Süddeutsche Zeitung“ gewesen – alles erfunden. Das war eine sogenannte Fake News, eine wissentlich gefälschte oder erfundene Nachricht also, die häufig über soziale Netzwerke verbreitet wird. Aber warum verbreiten Menschen Lügen im Netz und was wollen sie damit erreichen?

„Lügen ist so alt wie die Menschheit selbst, dafür gibt es viele Motive“, sagt Hans-Joachim Lauth von der Uni Würzburg. Aus Sicht des Lehrstuhlinhabers für Vergleichende Politikwissenschaften nahm der Begriff im vergangenen Jahr besonders mit Donald Trumps Wahlkampf Fahrt auf. Der jetzige US-Präsident und Republikaner feuerte seinen Wahlkampf auf sozialen Netzwerken an.

Zum Zeitpunkt der Wahl folgten ihm rund 12 Millionen Nutzer auf seinem privaten Twitter-Profil, mittlerweile sind es rund 27,3. Während des Wahlkampfes geisterten regelmäßig erfundene Neuigkeiten über seine Gegenspielerin, die demokratische Politikerin Hillary Clinton, durch das Internet – laut Medienberichten angeblich zum Teil durch Trumps Kampagnenteam verbreitet.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Mobbing im großen Stil

„Soziale Netzwerke sind ein öffentlicher Raum, der mittlerweile immer stärker politisch instrumentalisiert wird“, sagt Lauth. Wer absichtlich Fake News verbreitet, verfolge ein bestimmtes Ziel. „Im politischen Geschäft werden Fake News strategisch eingesetzt, um Gegenspieler zu diffamieren und zu schwächen – im Prinzip ist das Mobbing im großen Stil.“ Lauth bezweifelt aber, dass Trump falsche Informationen immer mit voller Absicht verbreitet: „Trump scheint verblendet. Er hat eine sehr verzerrte Wahrnehmung und nur das, was er wahrnimmt, ist für ihn Realität.“

So wie er die Dinge wahrnehme, seien das für ihn vielleicht gar keine „Unwahrheiten“. So verbreite er laut des Politikwissenschaftlers das, was seiner verzerrten Wahrnehmung entspreche, aber er lüge anscheinend auch bewusst, um politischen Nutzen daraus zu ziehen – was im Wahlkampf zu beobachten gewesen sei.

Doch nicht jeder, der Fake News im Internet verbreitet, hat politische Ambitionen. Einige Betreiber von Webseiten haben Falschnachrichten im Internet zu einem lukrativen Geschäft gemacht. Dabei gehen sie raffiniert vor: Sie setzen Web-Seiten auf, deren Inhalte sie auf Facebook verbreiten und nutzen die Aufmerksamkeit, die aktuelle Ereignisse wie beispielsweise die US-Wahl nach sich ziehen. Fake News sollen in diesem Kontext gezielt überraschen, skandalisieren und empören, um Aufmerksamkeit zu generieren – ein Mittel, das vor allem aus dem Boulevard-Journalismus bekannt ist.

Bis zu 40 000 Doller pro Tag mit Falschmeldungen verdient

Zwei Autoren von Falschmeldungen haben während des US-Wahlkampfes laut eines Artikels der „Los Angeles Times“ pro Monat rund 10 000 bis 40 000 Dollar verdient. Mit reißerischen Überschriften sollen sie Leser auf ihre falsche Nachrichtenseite gelockt und gezielt Trump-Wähler angesprochen haben. Geld verdienen Betreiber wie diese, indem sie Werbung schalten. Das Grundprinzip, das dahinter steckt: Je mehr Besucher auf eine Seite klicken, desto mehr Werbeeinnahmen kommen zustande.

Manchmal stecken hinter Fake News auch persönliche Motive, etwa eine Abneigung gegen eine Person. „Lügen oder Gerüchte über andere zu verbreiten, kann eine Form des Cyber-Mobbings sein“, sagt Lambert Zumbrägel, Medienfachberater für den Bezirk Unterfranken. Darunter versteht man das absichtliche Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen anderer mithilfe von Internet- und Mobiltelefondiensten über einen längeren Zeitraum hinweg. Wenn eine Person gezielt gemobbt werde, bewege man sich unter Umständen strafrechtlich im Bereich der Verleumdung. Opfer sollten sich daher, so Zumbrägl, direkt an die Polizei wenden.

Haben Fake News die US-Wahlen entschieden?

Einige Politiker fürchteten sich bereits vor Beginn des Bundestagswahlkampfes vor einer Flut an Fake News, einige forderten bereits gesetzliche Maßnahmen gegen die Falschnachrichten im Netz. Selbst Angela Merkel hat in einer Regierungserklärung vor diesem Phänomen gewarnt. Aber wie groß ist der tatsächliche Einfluss von Fake News? Haben Lügen auf Facebook die US-Wahl entschieden und werden sie in Zukunft die Wahlen bestimmen?

Astrid Carolus von der Uni Würzburg bezweifelt, dass allein Fake News für Donald Trumps Sieg verantwortlich waren. „Der Einfluss von Fake News ist geringer als wir denken“, sagt die Medienpsychologin. Medien können Effekte haben, seien aber nur ein kleiner Baustein von dem, was unsere Entscheidungen beeinflusst, sagt die Medienpsychologin. Was nach wie vor eine größere Rolle bei unserer Meinungsbildung spiele, sei unser direktes Umfeld.

Welchen Einfluss haben Fake News auf Wahlkämpfe?

Der Erfolg von Fake News hänge laut Politikwissenschaftler Lauth letztendlich von seinem Publikum ab. Vor der US-Wahl haben Falschmeldungen auf Facebook zum Teil mehr Menschen als die Nachrichten etablierter Medien erreicht. Ob Fake News im Wahlkampf Meinungen umstimmen, sei jedoch zweifelhaft. Lauth geht davon aus, dass sie in den USA vielmehr bereits vorhandene polarisierte Meinungen verstärkt haben: „Anscheinend haben viele Anhänger Trumps ähnlich verzerrte Weltsichten wie er.“

Dazu kommt, dass auf sozialen Netzwerken letztendlich das passiert, was außerhalb des Internets gilt: Wir bewegen uns in sogenannten „Filterblasen“, sagt Medienpsychologin Carolus. Das heißt, wir umgeben uns bevorzugt mit Gleichgesinnten und ähnlichen Meinungen. „Menschen nehmen bewusst das wahr, was ohnehin schon ihrer Meinung entspricht. Sich mit anderen Meinungen befassen war schon immer der schwierigere Weg.“

Der Filterblasen-Effekt

Der Filterblasen-Effekt in sozialen Netzwerken stellt laut Datenschützer Thomas Petri eine problematische Entwicklung dar. „Die Demokratie lebt davon, dass sich der Einzelne aus unterschiedlichen Quellen informiert und sich mit gegensätzlichen Meinungen beschäftigt“, sagt der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz. Als potenziell gefährlich stuft er Fake New für die demokratische Willensbildung ein, „wenn es soweit ist, dass der Bürger nicht mehr weiß, was echte Nachrichten sind und was nicht und wenn es zur Regel wird, dass er Nachrichten nicht mehr trauen kann“. Gefährden Fake News also unsere Demokratie?

Eine potenzielle Gefahr, die von Fake News ausgehen, sieht auch Politikwissenschaftler, Lauth die er hierzulande im Unterschied zu den USA allerdings als eher gering einstuft. In Deutschland geht er davon aus, dass das Vertrauen in öffentlich-rechtliche und privat etablierte Medien noch relativ ausgeprägt sei, auch wenn es Stimmen gibt, die gegen die „Lügenpresse“ wettern. Bisher war der strategische Einsatz von politischen Fake News in Staaten wie in Deutschland nicht so stark gebräuchlich wie beispielsweise in Russland oder den USA, sagt Professor Lauth.

Kaum Grenzen im Internet

Dass Fake News seit kurzem auch hierzulande an Relevanz gewinnen, hänge damit zusammen, dass sich Fake News im Internet unkontrolliert verbreiten. Neuigkeiten müssen nicht mehr über offizielle Medien verbreitet und somit sorgfältig geprüft werden, sondern können wie es beispielsweise Trump macht, direkt getwittert werden. Anders als Medien, die falsche Meldungen korrigieren müssen, sind Fake-News-Erzeugern in sozialen Netzwerken kaum Grenzen gesetzt.

„Das Internet kann zur Weltoffenheit beitragen, es kann aber auch missbraucht werden und zur Verfestigung von Stereotypen beitragen“, resümiert Lauth. Wichtig sei, dass die Gefahr der Fake News erkannt und verstanden werde „und wir nicht panisch das Internet verteufeln“, sagt Medienpsychologin Carolus. „Die Gesellschaft ist nicht völlig hilflos. Wir sollten stärker auf unsere Kompetenzen vertrauen, Lügner zu entlarven und unsere Medienkompetenz weiter ausbauen.“

Welche Folgen haben Fake News für die Gesellschaft? Wie können sie die Demokratie beeinflussen? Und warum glauben Menschen die alternativen Wahrheiten überhaupt? Diese Fragen beantwortet der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab im nächsten Teil unserer Serie zum Thema Fake News.

 
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Jasmin Schindelmann
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Donald Trump
Hillary Clinton
Renate Künast
Soziale Netzwerke
Twitter
Wahlkampf
nachgehakt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen