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WÜRZBURG
Gegen den Feind im Netz
Um Fake News zu verbreiten, braucht es nicht viel: Eine Lüge, ein paar Klicks und schon ist die Falschmeldung unterwegs. Politiker fordern nun eine Strafverschärfung.
Gegen den Feind im Netz       -  Medienpsychologe Frank Schwab.
Foto: dpa | Medienpsychologe Frank Schwab.
Jasmin Schindelmann
Jasmin Schindelmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:49 Uhr

Stefan Raab hat sich umgebracht, Flüchtlinge essen Schwäne in Thüringen und der Papst unterstützt Donald Trump im Wahlkampf. Tausende von Internetnutzern haben diese Falschnachrichten geglaubt und im Internet verbreitet. Dabei handelt es sich um sogenannte Fake News – gefälschte Nachrichten und Unwahrheiten, die im Netz verbreitet werden.

Dass nicht alles wahr ist, was im Internet steht, ist keine neue Erkenntnis, schützt aber viele Leser nicht automatisch davor, auf Fake News reinzufallen. Aber wie verbreiten sich eigentlich falsche Nachrichten, und wie können Leser sie erkennen? „Wir sehen und glauben das, was in unser Weltbild passt“, sagt Frank Schwab, Lehrstuhlinhaber Medienpsychologie an der Universität Würzburg. Dabei handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen, lediglich die Technologien seien neu. Schwab: „Wir laufen alle mit kleinen Filterblasen durch die Welt, was heute technisch unterstützt wird.“

Facebook-Algorithmen sortieren Informationen vor

Algorithmen und der sogenannte Echo-Chamber-Effekt (Echoraum-Effekt), verstärken Nachrichten innerhalb bestimmter Gruppen wie in Facebook-Communities, die ohnehin eine bestimmte Ideologie oder politische Richtung teilen. Facebook sortiert Beiträge so, dass für den jeweiligen Nutzer besonders interessante Dinge angezeigt werden. 

Dadurch sieht man laut Schwab vor allem die Dinge, die zu den eigenen Interessen und Ansichten passen und nicht polarisieren. Werden dazwischen Fake News angezeigt, die das entsprechende Weltbild bestätigen, ist es wahrscheinlich, dass sie geglaubt werden. Dass dieses System so gut funktioniert, liegt auch an unserer Natur. „Der Mensch stellt sich nicht gerne in Frage und versucht, das zu vermeiden“, so Schwab. Und das gelingt besonders gut unter Gleichgesinnten, die dasselbe Weltbild teilen.

Eine Lüge und ein paar Klicks reichen oft aus

Um Fake News zu verbreiten, braucht es nicht viel: Eine Lüge und ein paar Klicks reichen oft aus, damit ein ganzes Land darüber spricht. Das musste kürzlich auch Grünen-Politikerin Renate Künast erfahren. Ein Foto und ein angeblich von ihr stammendes Zitat wurde auf diversen Facebook-Seiten verbreitet. „Der traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen“, wurde Künast im Zusammenhang mit dem Mord an einer Freiburger Studentin und der Festnahme eines Verdächtigen in den Mund gelegt.

Wer ohnehin kein Fan von Renate Künast ist, so Schwab, ist eher dazu geneigt, diese Falschmeldung zu glauben – weil sie die eigene Meinung bestätigt. Was viele Nutzer zudem in ihrem Glauben bestärkte: Als angebliche Quelle für das Zitat wurde die „Süddeutsche Zeitung“ angegeben – eine doppelte Gefahr also, Fake News mit gefälschten echten Quellen.

Woran erkennt man Fake News?

Um nicht auf Fake News reinzufallen, rät Schwab, sich eine selbstkritische Haltung gegenüber der eigenen Mediennutzung anzueignen. Wer „ein komisches Gefühl“ bei einer Nachricht hat, sollte die Quelle prüfen – und am besten nach weiteren Quellen suchen, die die Nachricht bestätigen. Er empfiehlt zudem, Nachrichten bei klassischen Qualitätsmedien zu überprüfen anstatt dubiosen Internetseiten zu vertrauen. Ein Blick ins Impressum kann dabei Aufschluss über Seriosität und Glaubwürdigkeit geben.

Eine große Rolle haben Fake News kürzlich im US-Wahlkampf gespielt. Der Papst würde die Präsidentschaft von Trump befürworten und Hillary Clinton Waffen an den Islamischen Staat verkaufen – diese gefälschten Nachrichten verbreiteten sich schneller als journalistische Artikel in den USA. Auch in Deutschland wächst die Sorge vor gezielten Manipulationen vor der Bundestagswahl.

Politiker fordern höhere Strafen

Daher fordern nun immer mehr Politiker das Verbreiten von Falschinformationen härter zu bestrafen. Vom „Feind im Netz“ spricht CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Denn Fake News seien eine Bedrohung der Demokratie. Facebook und Twitter könnten sich, so Grosse-Brömer, nicht damit rausreden, dass sie nur die Plattform zur Verfügung stellen.

Immer mehr Kritik aus der Politik richtet sich gegen Facebook. Auch der Würzburger Fachanwalt für IT–Recht, Chan-jo Jun, wirft Facebook die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Hetze im Internet vor und kämpft seit 2015 gegen das Milliarden-Netzwerk. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft München aufgrund einer Anzeige von Jun unter anderem gegen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wegen Beihilfe zur Volksverhetzung.

Digitales Werkzeug soll Journalisten die Arbeit erleichtern

Fake News verbreiten kann heute jeder: Privatleute, Blogger, Parteien und Politiker sowie Journalisten und Agenturen sind nicht davor gefeit, auf Falschmeldungen hereinzufallen. Ein Werkzeug, das Journalisten die zukünftige Arbeit mit Facebook & Co. erleichtern soll, hat eine Gruppe von Journalisten bei einer Tagung der Deutschen Presseagentur entwickelt – darunter auch Lukas Will, ein Mitglied dieser Redaktion.

Ihre Idee gewann den Hauptpreis: Eine Datenbank namens Factfox, die jeden Tag dazulernt. Das Browser-Plugin erkennt ein Scheinargument und bietet ausformulierte Antwortmöglichkeiten aus einer ständig wachsenden Datenbank an. Die Antwortmöglichkeiten basieren auf verifizierten Fakten und können vom Social-Media-Redakteur komplett oder in Teilen übernommen werden. Denn nicht nur Nutzer stehen vor der Frage: „Was kann ich eigentlich glauben?“ Auch Journalisten stehen täglich vor dieser Herausforderung.

Echter Mensch oder Social Bot?

Eine weitere Frage, die sich Nutzer künftig stellen müssen: Spreche ich mit einem echten Menschen oder mit einem sogenannten Social Bot? Denn in den sozialen Netzwerken werden immer mehr computergesteuerte Akteure eingesetzt. Diese Bots zu verbieten, ist Ziel einer Gesetzesinitiative der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Gerade mit Blick auf die anstehenden Wahlen und den Einfluss solcher Bots auf die US-Präsidentschaftswahl sei es dringend notwendig, so Kühne-Hörmann am Dienstag, die Botnetz-Initiative noch vor der Bundestagswahl umzusetzen.

 
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  • uwe.luz@t-online.de
    Was soll das alles? Macht es wie ich: Kein Facebook, kein WhatsApp keine sozialen Netzwerke. Das ist doch alles unnötiges Brimborium zur Bereicherung irgendwelcher Internetunternehmen. Und dann noch den uralten Spruch beherzigen: „Wer glaubt schon, was in der Zeitung steht.“ Und außerdem: Kein ZDF, denn die wollen darüber entscheiden, was wir wissen sollen, und was nicht. Lieber schon Deutschlandfunk: Da sitzen meines Erachtens die restlichen guten Journalisten. Und vielleicht einmal in ausländische Zeitungen schauen (Besonders zu empfehlen: Neue Zürcher Zeitung). Und natürlich: "Holzauge, sei wachsam."
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  • Facebook, twitter&Co bitte nicht verteufeln. Aber ich gebe Ihnen Recht. Wer sich umfangreich informieren will darf sich nicht nur auf ein Qualitätsmedium verlassen. Qualitätsmedien berichten nicht über jedes Thema. Manche wichtige Themen werden konsequent ausgeblendet. Aber über das was berichtet wird , wird zumindest nicht falsch berichtet. Deutschlandfunk ist sicher mehr als nur eine gute Ergänzung zum BR. Die Neue Züricher auf jeden Fall auch. Auf lokaler Ebene fehlt der Wettbewerb schon lange. Da erhoffe ich mir von einer einer oder mehreren, neuen, internetbasierte Zeitung spannende Impulse. Wo sind die mutigen jungen Journalisten, die sich da mal ranwagen? By the way, ist Medienkompetenz eigentlich Schulfach? MP, wie wärs? Da sitzt doch Eure zukünftige Kundschaft, oder?
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  • hannes.sazyma@arcor.de
    Braucht man denn immer eine englische Bezeichnung? Hatespeech wird offiziell bekämpft, jetzt sind es Fake News. Oder liegt das daran, dass "Lügenpresse" besetzt ist und bewusste Falschmeldung zu wenig reißerisch klingt. Ein bisschen doof sind wir in Deutschland offenbar wirklich, so wie mit unserer Sprache umgegangen wird.
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  • hessd
    hoffentlich werden dann auch Politiker, Geheimdienstchefs und Presse bestraft wenn sie Falschmeldungen verbreiten. CIA musste kürzlich zugeben dass Beschuldigungen von Russland unzutreffend waren. Bei Nachrichten aus Syrien wird in vielen Medien oft eine Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zitiert die aus einer Person besteht die in London lebt. Die Irakkriege wurde mit aus Brutkästen gerissenen Säuglingen und mit Massenvernichtungswaffen in der Hand von Saddam Hussein begründelt, beides stellte sich als Lüge heraus. Und es gibt noch viel mehr Beispiele. Anscheinend suchen unsere Politiker schon Ausreden wenn sie die nächste Wahl verlieren.
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  • Amiga-Freak
    - Chruschtschow ist tot (13. April 1964)
    - Hitlers Tagebücher sind aufgetaucht (1983)
    - Irakische Soldaten reißen Babys aus ihren Brutkästen (1990)
    - Saddam Hussein besitzt Massenvernichtungswaffen (2003)
    - Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat ihren Sitz in London (2016), siehe
    https://de.wikipedia.org/wiki/Syrische_Beobachtungsstelle_für_Menschenrechte

    Und das ist nur eine handvoll, die mir aus dem Stegreif einfallen, bzw. die ich in 3 Minuten ergoogelt habe.

    Auch schön:

    http://www.focus.de/kultur/medien/presse-journalisten-glauben-alles_aid_165295.html

    "Fake-News"....wieder so ein neuer Begriff wie "Hassrede", der einer neuen Zensur den Weg ebnen soll, weil den etablierten Medien die heißgeliebte Deutungshoheit langsam komplett flöten geht.

    Bertolt Brechts "Radiotheorie" ist durch das Internet Wirklichkeit geworden, aber die Politik und die etablierten Medien kämpfen verzweifelt dagegen an.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Radiotheorie#Kernaussagen
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