Um Kinder und Jugendliche vor Cyber-Attacken zu schützen, besucht der Mobbing-Experte Slawomir R. Siewior Schulen und hält Vorträge über die Gefahren des Internets. Er ist ein Freund der sozialen Medien, wirbt aber für den richtigen Umgang mit ihnen. Siewior hat in Würzburg Lehramt studiert und arbeitet inzwischen als Lehrer in Cuxhaven. Seine Abschlussarbeit schrieb er 2011 zum Thema Cyber-Mobbing und Cyber-Bullying, also Cyber-Mobbing an Schulen. Seine Studie war die erste deutschsprachige zum Thema.
Slawomir Siewior: Ich würde sagen, wir befinden uns gerade in der Hochphase. Die Gefahren sind abschätzbar, und ich sehe Eltern in der Pflicht, ihre Kinder davor zu warnen. Sie sollten ihnen den richtigen Umgang mit dem Internet und dem Smartphone beibringen. Denn alles was einmal im Netz steht, bleibt auch dort.
Siewior: Nach einer Studie der Jugendzeitschrift „Bravo“ von 2016 sagen im Alter ab 13 Jahren im Durchschnitt 67 Prozent der Mädchen und 49 Prozent der Jungen, dass sie Selfies im Netz posten. Das Erstellen von Nackt-Selfies oder Bildern in erotischen Posen ist für einen Teil der Teenager ein Thema, jeder zehnte Jugendliche im Alter von 14 Jahren hat solche Fotos von sich schon gemacht.
Siewior: Die meisten Usernamen sind anonym und genauso fühlen sich die Kinder. Sie sind erst mal nicht identifizierbar und das macht sie mutiger. Oft sind es Kinder, deren Selbstbewusstsein angeschlagen ist, die sich auf den Täter einlassen. Bei mehreren Mädchen oder Jungen, die sich auf ein 'Spiel' einlassen, kann es auch der Gruppenzwang sein, der eine Rolle spielt.
Siewior: Zum einen ist es peinlich, mit den Eltern darüber zu reden. Außerdem ist da die Scham, dass man unter Umständen ein Nacktfoto gepostet hat. Manchmal stellt sich das ungute Gefühl bei den Kindern auch erst ein paar Wochen später ein. In der Regel denken die jungen Menschen ja noch nicht so reflektiert über die Situation nach.
Siewior: Ich nehme vor den Schülern kein Blatt vor den Mund, möchte es auch bewusst drastisch darstellen. In den USA und auch in Deutschland sind mir Fälle bekannt, in denen junge Mädchen durch Erpressung und das Weitergeben ihrer Nacktfotos (Sexting) so gedemütigt waren, dass sie Suizid begingen. Für sie hatte ein Spießrutenlauf begonnen, der sie immer wieder einholte.
Siewior: Schaffen Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Kindern. Loben Sie und geben Sie Halt. Je selbstbewusster ein Kind ist, umso weniger wird es sich auf derartige Dinge im Internet einlassen. Reden Sie offen über die Gefahren des Internets und des Smartphones und schauen Sie sich gemeinsam neue Apps an, die das Kind herunterlädt.
Siewior: Wenn es herauskommt, auf keinen Fall bestrafen oder mit Vorwürfen quälen. Auch nicht durch Handywegnahme. Das ist kontraproduktiv. Die Kinder brauchen das Verständnis ihrer Eltern. Eventuell auch die Polizei einschalten, um Anzeige zu erstatten.
Siewior: Erstens: ,Hör auf – und antworte nicht.' Zweitens: ,Speichere Infos als Beweise.' Und drittens: ,Teile dich mit, zum Beispiel einem Schulpsychologen'. Foto: Pfannes