„Nicht geimpfte Zigeuner schleppen Masern ein“, „Afghanische Flüchtlinge im Sexrausch“, „Asyl – einfach abschaffen!“, „Kriminelle Migranten als politische Marionetten“, „Das System in blinder Angst um die Macht“, „Negerin ist vom Baum“ (Quelle: www.pi-news.net)
Was sich wie Parolen von Neonazis anhört, sind Überschriften von Beiträgen eines Internet-Blogs, der sich vordergründig zum Grundgesetz und den Menschenrechten bekennt, der seine Leser darauf hinweist, dass „Kommentare, die sich mit unsachlichem, übertrieben polemischem, verleumderischem, ehrverletzendem oder beleidigendem Verbal-Vandalismus gegen Menschen wenden und dabei geeignet sind, ein Klima allgemeiner Beschimpfung und Verunglimpfung herbeizuführen“, gelöscht werden. Die Rede ist von „Politically Incorrect“, kurz „PI News“.
Das Internetportal gilt als eines der einflussreichsten der rechten Szene. Im Angebot: Verschwörungstheorien, Verunglimpfung von Politikern und Journalisten, Diffamierung von Flüchtlingen und vor allem Hetze gegen den Islam. Der krude Mix lockt laut eigenen Angaben täglich bis zu 100 000 Besucher auf die Seite, die angibt, „Tabuthemen aufzugreifen und Informationen zu vermitteln, die dem subtilen Diktat der politischen Korrektheit widersprechen“. Tatsächlich steht hinter „PI News“ ein weit verzweigtes rechtes Netzwerk, dessen Aktivitäten sich nicht auf den virtuellen Raum beschränken.
Ein YouTube-Video, aufgenommen in Recklinghausen am 21. Mai 2011. In einem abgedunkelten Raum, der an die Gaststätte eines Vereinsheims erinnert, verleiht die islamfeindliche „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) ihren „Hiltrud-Schröter-Freiheitspreis“ an den Kölner Sportlehrer Stefan Herre. Für die Gründung von „PI News“ im Jahr 2004. Die Laudatio hält der heutige BPE-Bundesvorsitzende und Ex-CDU-Politiker Rene Stadtkewitz. Der „liebe Stefan“, habe mit seiner Plattform dazu beigetragen, dass sich eine „kritische Auseinandersetzung mit dem Islam“ verbreitet habe. „Damit bist du einer der ganz großen wichtigen Aufklärer“, lobt er.
„Die Seite ist islamophob, daraus machen die Betreiber keinen Hehl. Außerdem ist sie rechtspopulistisch und völkisch-national orientiert“, beschreibt dagegen Tanja Wolf, Expertin für Rechtsextremismus an der Uni Würzburg, „PI News“. Wie perfide der Blog funktioniert, zeigt folgendes Beispiel: Kürzlich griff „PI News“ die Befürchtung des Bundesversicherungsamtes, dass Kassenpatienten in den nächsten Jahren mit spürbar höheren Beiträgen rechnen müssen, auf. Unter einem Foto, das einen Arzt mit einem dunkelhäutigen Patienten zeigt, schlussfolgert „PI News“-Autor „L.S.Gabriel“:
„Wen wundert das? Seit einigen Jahren sind wir so etwas wie das Weltgesundheitsamt. (...) Wir müssen uns nicht nur laut WHO wieder vor Schreckgespenstern wie Polio, speziell aus Syrien ängstigen – von Krätze, Masern, über schon mitgebrachte Typhuserkrankungen aus Ländern mit mangelnder Hygiene, bis hin zur Hüftoperation der anatolischen Oma bezahlt der deutsche Beitragszahler alles.“
Wie das Bundesversicherungsamt auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt, stehen die prognostizierten Steigerungen allerdings „in keinem Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen“. Deren medizinische Versorgung erfolge nämlich gar nicht auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auf Kosten der Träger der Sozialhilfe. Doch Fakten interessieren die Leser von „PI News“ ohnehin nicht. Stattdessen wird die Diskussion verschärft. Ein Auszug aus den Leser-Kommentaren:
„Wer die gesammte dritte Welt von ihren Tropenkrankheiten und Parasitenbefall befreien will, muß schon ein paar kleine Opfa bringen.“
„Was die Kassen verschweigen, Irgendwer, in dem Falle der Malocher und Steuerzahler muß für die Gratisversorgung für die Illegalen und Asylanten aufkommen, und für die schwulen Aidskranken und HIV, es wird höchste Zeit, daß die Schwulen ihre eigene Krankenkasse gründen, oder sie Zahlen für ihre selbstverschuldeten Krankheiten einen Aufschlag von mind. 30%.“
„Bei den Zustrom an jungen Moslems sind sicher, wie gehabt, auch die lieben daheimgebliebenen Eltern und Grosseltern mitversichert.“
„Bis der Deutsche Michel aufwacht, sind viel zu viele islamische Paßdeutsche und unsere, ab Kinderkrippe, bolschewisierten Nachkommen, falls wir welche haben, wahlberechtigt. Zumindest Wahlen bringen dann nichts mehr!“
„In England wurde ein 13 jähriges Mädchen von einem MOSLEM vergewaltigt!“
Wie viel die eingangs erwähnten Leitlinien für Leser-Kommentare bei „PI News“ wert sind, wird damit klar. Artikel-Serien wie „So erlebe ich die Kulturbereicherer“ oder „Mit Muslimen diskutieren – aber wie?“ stacheln die Leser zusätzlich an.
„Beim Anschlag in Paris hat der Islam mal wieder sein wahres Gesicht gezeigt.“
Die Formel, die sich in Beiträgen wie diesem widerspiegelt, lautet: Islam und Islamismus sind dasselbe. Dass jemand wie Stadtkewitz die Ideologie und Arbeitsweise von „PI News“ als kritisch und aufklärerisch lobt, verwundert nicht: Der bayerische Ableger seiner BPE steht seit 2013 unter Beobachtung des Bayerischen Verfassungsschutzes. „Bei der BPE Bayern handelt es sich um eine verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebung außerhalb des Rechtsextremismus, die den Islam insgesamt als ,vorsteinzeitliche, nazistische und frauenverachtende Ideologie‘ ansieht“, schreiben die Verfassungsschützer in ihrem aktuellsten Bericht aus dem Jahr 2013. „Prägend für die Ausrichtung der BPE Bayern ist insbesondere Michael Stürzenberger“, heißt es weiter.
Der aus dem Landkreis Bad Kissingen stammende Stürzenberger ist nicht nur bayerischer BPE-Chef, sondern auch Stadtkewitz' Nachfolger als Bundesvorsitzender der ebenfalls ins Visier der Verfassungsschützer geratene Partei „Die Freiheit“ – und unter dem Pseudonym „byzanz“ regelmäßiger Autor auf „PI News“.
Doch der umtriebige Stürzenberger hat noch einen Posten, und zwar dort, wo „PI News“ die virtuelle Welt verlässt: Der 50-Jährige ist Sprecher der „PI-Ortsgruppe München“. Die Gruppen sind laut „PI News“ Zusammenschlüsse „mündiger Bürger, die mit den Blog-Betreibern nicht institutionell verbunden sind“. Viel mehr ist nicht bekannt. Rechtsextremismus-Expertin Wolf glaubt, dass die Zusammenschlüsse „sehr klein“ sind und in der Regel aus „nicht mehr als fünf Personen“ bestehen. Wie das Bundesamt für Verfassungsschutz mitteilt, sei „unklar, wie viele Ortsgruppen überhaupt aktiv sind“.
Tatsächlich blieb der anonyme Versuch der Redaktion, die „PI-Ortsgruppe Würzburg“ zu kontaktieren erfolglos. Im Januar liefen allerdings Anhänger von „PI News“ bei einer Pegida-Demonstration in Berlin mit. Vor wenigen Wochen gab es zudem unverhofft ein Lebenszeichen der „PI-Ortsgruppe Nürnberg“, die dieser Zeitung unaufgefordert einen „Newsletter“ per E-Mail sandte. Und eine „PI-Ortsgruppe“ wird seit 2013 gar vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet: die Münchner Gruppierung um Stürzenberger. Dabei handle es sich „um eine extremistische Bestrebung“, wie die Verfassungsschützer schreiben. Für den Blog „PI News“ gilt das derzeit nicht. Die Seite sei „kein Beobachtungsobjekt“, erklärt das Bundesamt für Verfassungsschutz im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Blog nehme zwar „aufgrund der Bekanntheit eine Vorreiterrolle in der islamfeindlichen Szene“ ein. Eine „klar extremistische Ausrichtung in der Gesamtheit“ sei jedoch nicht erkennbar.
Anderswo wird diese Meinung nicht uneingeschränkt geteilt. So warnte kürzlich der aus Würzburg stammende Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, vor rechtspopulistischen Netzwerken. „Diese rechten Gruppierungen stehen etablierten rechtsextremen Parteien wie der NPD in ihrer Gefährlichkeit für eine pluralistische Gesellschaft in nichts nach“, sagte er. Namentlich nannte er in diesem Zusammenhang „PI News“. Die Reaktion der Macher der Seite ließ nicht lange auf sich warten. Die Äußerung Schusters nannten sie „verlogene Diffamierungen“. Beleidigungen der Kommentatorenschar folgten.
Auch Tanja Wolf mahnt: „,PI News‘ ist sehr gut mit der rechten Szene vernetzt.“ Sichtbar wird das nicht nur etwa an gemeinsamen öffentlichen Auftritten von Blog-Gründer Herre mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, sondern auch an der geschalteten Werbung und Verlinkungen auf der Seite: Mit einem Klick gelangt man über „PI News“ auf die Seiten der „German Defence League“ und der „Identitären Bewegung“, islamfeindliche Organisationen mit völkischer Ideologie. Werbekunde bei „PI News“ ist unter anderem der „antishop2013“, ein Versandhandel, der neben Sturmhauben auch Notfallhämmer unter der Rubrik „Selbstschutz“ vertreibt. Beworben wird auch das Buch „Die Ausländer“ von Felix Menzel, Galionsfigur der sogenannten Neuen Rechten, Chefredakteur des populistischen Onlinemagazins „Blaue Narzisse“ und Ende 2014 Gastredner bei der „Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg“. Thema des Vortrags: „Neuordnung des Asylwesens“.
Auch an den „PI News“-Gastautoren wird die Nähe zu andern rechten Stimmungsmachern deutlich. Zu ihnen zählt Karl-Michael Merkle, alias Michael Mannheimer. Die Rede des Rechtspopulisten bei der Würzburger Pegida-Demo am 5. Januar beschäftigt derzeit die Staatsanwaltschaft.
Überhaupt scheint „PI News“ nicht nur über den Bad Kissinger Stürzenberger einen Bezug nach Unterfranken zu haben. Zwar wird auf der Seite für viele Pegida-Veranstaltungen geworben. „Es wird aber regelmäßig und auffällig ausführlich über die Wügida-Demonstrationen berichtet“, sagt Wolf. „Außerdem gibt es Kommentare, die von Würzburger Studenten stammen könnten“, mutmaßt sie und verweist auf Äußerungen, die sich auf Würzburger Professoren beziehen. Nach kurzer Suche finden sich sogenannte redaktionelle Beiträge eines Autors, der sich „Thorben“ nennt und als „Bürger einer fränkischen Kleinstadt“ bezeichnet. Seine Themen: Pegida-Demonstrationen in Dresden und Würzburg.
„Thorben“ ist einer, der auf die Straße geht, und dürfte damit ein Kamerad nach dem Geschmack von Stefan Herre sein. „Engagieren Sie sich vor Ort und nicht nur am Computer“, ruft er in dem YouTube-Video aus dem Jahr 2011 auf. Wie engagiert der „PI News“-Gründer derzeit noch „am Computer“ ist, ist unklar. Eigenen Angaben zufolge hat er seinen Blog schon 2007 „an eine Person aus dem Ausland“ verkauft. Dabei soll es sich um die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich handeln. Die soll die Führung aber bereits 2011 wieder abgegeben haben.
Wer derzeit hinter „PI News“ steht, kann man nur mutmaßen. Angaben über den Domain-Inhaber werden von der Firma „Protected Domain Red Ltd“ mit Sitz in London verschleiert. Wie Recherchen ergaben, könnte der Server in Lansing im US-Bundesstaat Michigan stehen. Ein Impressum, das die für den Inhalt verantwortlichen Personen oder einen Verlag nennt, fehlt bei „PI News“. Nach Informationen dieser Redaktion prüft derzeit die Regierung von Mittelfranken, als in Bayern zuständige Behörde, deswegen „einen möglichen Verstoß“ seitens „PI News“ gegen das Telemediengesetz.