Die Türkei ist für deutsche Urlauber derzeit kein geeignetes Reiseziel. "Sollen sie doch herkommen und von den Flughäfen aus einreisen. Wir nehmen sie fest", wird der türkische Innenminister Süleyman Soylu zitiert. "Von nun an wird es nicht mehr so einfach sein, draußen Verrat zu begehen, und sich dann in der Türkei zu amüsieren", sagte er am Sonntag in Ankara. Nun hat Soylu zwar nicht explizit den deutschen Durchschnittspauschaltouristen gemeint. Seine Aussage erinnert aber daran, wie falsch es wäre, seinen Urlaub in der Türkei zu verbringen.
Was hat Soylu gesagt? Die Aussagen seien "eindeutig aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt", empörte sich das türkische Außenministerium über die Berichte in deutschen Medien. Touristen aus Deutschland und allen anderen Ländern seien in der Türkei nach wie vor willkommen. Tatsächlich drohte Soylu vor allem Unterstützern der in der EU und der Türkei als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK. Er bezog aber auch Unterstützer der "Gülen-Bewegung" mit ein, die nur in der Türkei als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Auch andere in Deutschland legale Oppositionsgruppen gelten in der Türkei als Terrororganisation.
Der lange Arm Ankaras reicht bis in die Bundesrepublik
"Da gibt es jene, die in Europa und in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehmen und dann in Antalya, Bodrum und Mugla urlauben", sagte Soylu. Man habe auch für sie "Maßnahmen" ergriffen. Eine Provokation. Denn ordnet man die Aussagen Soylus in die Gedankenwelt der türkischen Regierung ein, wächst die Zahl derer, die bei einer Einreise in die Türkei Probleme bekommen könnten. Vor allem Deutsch-Türken, die nicht auf Erdogan-Linie sind, geraten ins Visier. Der Verdacht liegt nahe, dass türkische Behörden kritische in Deutschland lebende Landsleute genau im Blick haben.
Jeder deutsche Durchschnittspauschaltourist, der nun glaubt, das gehe ihn nichts an, dem sei ein Blick auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes nahegelegt. Schon seit einiger Zeit ist dort von willkürlichen Inhaftierungen deutscher Staatsangehöriger in der Türkei die Rede. Die Festnahmen erfolgten "mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien", auch nach solchen, die in Deutschland "von der Meinungsfreiheit gedeckt" wären. Besonders alarmierend: "Ausreichend ist im Einzelfall das Teilen oder 'Liken' eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts." Mit anderen Worten: Im schlimmsten Fall genügt ein unbedarfter Klick, um in den Augen türkischer Behörden Regierungskritiker oder Sympathisant einer Terrororganisation zu sein. Außerdem warnt das Auswärtige Amt auch während des Urlaubs vor "politischen Äußerungen gegen den türkischen Staat".
Können wir uns gleichgültig an den Strand legen?
Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, während eine All-Inclusive-Urlaubs festgenommen zu werden, ist trotz allem gering. Die Zahl der in der Türkei inhaftierten Deutschen bewegt sich im einstelligen Bereich. Doch bei einer Reiseentscheidung sollte es um mehr als die persönliche Sicherheit gehen. Kann man sich gleichgültig an den Strand legen und ausblenden, was vor den Hotelmauern geschieht? Die Bespitzelung durch Gesinnungswächter, die Repressionen und Drohungen des Staates, das Weg- und Aussperren von Journalisten?
2017 sprachen sich in einer Umfrage über 80 Prozent der Deutschen gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus. Beim Thema Urlaub zeigen sich viele kompromissbereiter: Im selben Jahr – einem historisch schlechten für das Reiseland – reisten rund 3,5 Millionen deutsche Touristen in die Türkei, 2018 waren es 4,5 Millionen. Tendenz weiter steigend. Wer von der Politik eine härtere Gangart gegen Ankara fordert, könnte bei der eigenen Urlaubsplanung damit anfangen.