Schon zu Zeiten, als die Digitalpolitik noch in den Kinderschuhen steckte und Netzpolitik hieß, gab es ein Thema, das auch jetzt immer wieder auf die Agenda kommt und höchst emotional diskutiert wird: Das Urheberrecht. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, dieses alte und ehrwürdige Recht so anzupassen, dass es in unsere heutige digitale Zeit passt.
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Nun ist es wieder soweit: Das EU-Parlament stimmt Ende März über eine neue Richtlinie zur Modernisierung des Urheberrechts ab - und um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte die Richtlinie so, wie sie jetzt zur Abstimmung vorliegt, für falsch. Das hat mehrere Gründe.
Neue Regelungen führen nicht zu Rechtssicherheit und Klarheit
Da ist zunächst die Tatsache, das schon jetzt abzusehen ist, dass die dort festgehaltenen Regelungen nicht zu Rechtssicherheit und Klarheit führen, sondern zu einer maximalen Verwirrung. In Artikel 11 etwa geht es um ein europäisches Leistungsschutzrecht. Ein solches weitreichendes Industrierecht gibt es bereits in Deutschland - ich hatte nicht viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die 2013 ihre Bedenken geäußert und mit mir dagegen gestimmt hatten. Und inzwischen weiß man auch: Es funktioniert nicht. Denn anstatt große Suchmaschinenanbieter und Aggregatoren dazu zu bringen, Verlage aus abgetretenem Verwertungsrecht der Autoren für die Inhalte zu bezahlen, hat man sie dazu gebracht, Gratislizenzen zu vergeben, um auch weiterhin die hohen Reichweiten über Google und ähnliche Plattformen zu erzielen. Bei den Urheberinnen und Urhebern wäre übrigens ohnehin nur sehr wenig Geld angekommen.
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Anstatt aus den Fehlern zu lernen und darüber zu diskutieren, ob es ein besseres Modell geben könnte, das auch wirklich den Kreativschaffenden zugute kommt, hebt man nun ein gescheitertes Modell auf eine noch höhere Ebene. Ich frage mich, warum in Europa erfolgreich sein soll, was auf nationaler Ebene dramatisch gescheitert ist.
Inhalte müssen dann schon beim Hochladen überprüft werden
Ein weiteres großes Problem des aktuellen Reformvorschlags ist, was gemeinhin mit dem Begriff "Uploadfilter" umschrieben wird. Dabei wird von denjenigen, die die EU-Richtlinie verteidigen, immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Wort ja gar nicht im Gesetzestext stehe. Das ist richtig. Der betreffende Artikel 13 beschäftigt sich mit der Haftung der Betreiber für die Inhalte, die die Nutzer auf alle entsprechenden Plattform hochladen. Das ist grundsätzlich nichts Neues. Bisher galt aber das Prinzip "Notice and take down": Liegt ein Rechtsverstoß vor und erfährt der Betreiber davon, muss der entsprechende Inhalt von der Plattform genommen werden.
Tritt der neue Artikel in Kraft, muss das "Notice" bereits vor der Veröffentlichung stattfinden, was nichts anderes bedeutet, als dass alle Inhalte bereits während des Uploads auf etwaige Verstöße geprüft werden müssen. Man muss keine international anerkannte Informatik-Expertin sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass dies nur über technisch komplexe und algorithmenbasierte Filtertechniken geschehen kann: also über den Einsatz von Uploadfiltern. Das ist aber in vielerlei Hinsicht problematisch.
Uploadfilter sind blind für kulturelle Kontexte
Es ist richtig und wichtig, dass das Urheberrecht nicht alles verbietet, wenn es um die Nutzung geistigen Eigentums anderer geht. So gibt es Schranken, also lizenzfreie Ausnahmen zugunsten der Öffentlichkeit, etwa im Bereich der Satire oder im Bereich des Zitatrechts. Allein: Diese sinnvollen Regelungen werden zur Makulatur, wenn die entscheidende Instanz die entsprechenden Kriterien gar nicht erkennen und interpretieren kann. Uploadfilter kennen keine Ironie, wissen nichts von Satire und können im Zweifel nicht entscheiden, ob ein Zitat unter die künstlerische Freiheit fällt oder nicht. Sie sind blind für kulturelle Kontexte.
Problematisch ist dies auch, weil es dadurch zum so genannten Overblocking kommt: Auch rechtmäßige Inhalte werden gelöscht, weil man kein Risiko eingehen möchte. Löschen ist schließlich sicherer und einfacher, als in einem möglichen Verfahren darzulegen, warum man in einem bestimmten Fall keinen Verstoß gegen geltendes Recht sieht. Und so wird klar: Weder dem Urheber oder der Urheberin ist damit gedient, noch denen, die die Werke lesen, sehen oder hören möchten.
Ein weiteres bedenkliches Kuriosum ist die Tatsache, dass genau diejenigen von der Richtlinie profitieren würden, denen man eigentlich ja einen Teil ihrer Macht entreißen wollte: Denn die nötige Filtertechnologie wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von einem Start-up in München, Berlin oder Hamburg entwickelt und weltweit eingesetzt, sondern eher erneut in Kalifornien bei den großen Unternehmen. Kleine Plattformen müssen also zwangsweise Produkte der Giganten kaufen, die gefilterten Daten bleiben nicht in Europa und erneut würden wir, wie bereits beim Leistungsschutzrecht, das Gegenteil von dem erreichen, was wir mit dieser Reform erreichen wollten.
Wir brauchen ein Urheberrecht, das Klarheit schafft
Das alles ist doppelt ärgerlich, wenn man bedenkt, das niemand ernsthaft abstreitet, dass Urheberinnen und Urheber für ihre Leistung und für ihre kreative Arbeit adäquat und fair und idealerweise sogar sehr gut bezahlt werden sollen und dafür auch mit wirksamen und durchsetzbaren Rechten ausgestattet sein müssen. Und daher bin auch ich nicht gegen das Urheberrecht. Im Gegenteil: Ich kämpfe leidenschaftlich dafür, weil ich der Meinung bin, dass die Möglichkeiten der Kreativität und der künstlerischen wie journalistischen Arbeit nie größer waren als heute.
Das alles muss geregelt werden. Denn Regeln ordnen, wo sonst Chaos herrschte. Die EU-Richtlinie, wie sie nun dem EU-Parlament zur Abstimmung vorliegt, macht Chaos jedoch noch etwas chaotischer. Das ist nicht der richtige Weg. Es wäre jetzt notwendig, nochmals auf Anfang zu gehen und endlich ein Urheberrecht zu schaffen, das den europäischen Binnenmarkt stärkt, anstatt ihn zu schwächen, das Klarheit schafft statt Unsicherheit - ein Modell zugunsten der Wertschöpfung, der Informationsfreiheit, der Kreativität und des freien Internets.