"Abgerechnet wird am 26. Mai." Sagt Kerstin Westphal voller Kampfeslust. Die Europaabgeordnete aus Schweinfurt steht lediglich auf Platz 23 der (vorläufigen) SPD-Liste für die Europawahl. Um auf dieser Position wiedergewählt zu werden, müssten die Sozialdemokraten bei der Wahl am 26. Mai bundesweit auf deutlich mehr als 20 Prozent der Stimmen kommen. Westphals Aussichten, auch künftig in Straßburg und Brüssel Politik für (Unter-)Franken zu machen, sind also nicht sonderlich gut.
Vor fünf Jahren stand Westphal, die seit 2009 dem Europaparlament angehört, noch auf Platz vier der Bundesliste. Warum jetzt dieser Absturz? Gibt es Kritik an ihrer Arbeit? "Nein, überhaupt nicht", sagt der SPD-Bezirksvorsitzende Bernd Rützel. "Im Gegenteil: Kerstin Westphal macht in Europa einen tollen Job." Unter anderem habe sie entscheidend dazu beigetragen, dass die Landesgartenschau in Würzburg mit vier Millionen Euro aus EU-Mitteln gefördert wurde, so Rützel.
Noichl setzt sich in Bayern durch
Ursächlich für den schlechten Listenplatz ist laut Rützel eine Entscheidung der Bayern-SPD bei einem kleinen Parteitag Ende Oktober in Günzburg. Bei einer Abstimmung um den ersten Platz für einen Kandidaten der Bayern-SPD habe sich die Europaabgeordnete Maria Noichl, die aus dem mitgliederstarken Oberbayern kommt und zudem Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) ist, durchgesetzt. Dahinter mussten sich die beiden anderen bayerischen Europaabgeordneten Ismail Ertug und eben Westphal einordnen. "So ist Demokratie", sagt die 56-Jährige trocken.
Mit dem Votum der bayerischen Genossen im Rücken machte sich der SPD-Bundesvorstand ans Erstellen einer Bundesliste. Angeführt wird diese von Justizministerin Katarina Barley. Dahinter sollen sich alle Landesverbände, gerade auch die aus dem Osten, wiederfinden. Dazu gilt bei der SPD für den Geschlechter-Proporz ein Reißverschluss-Verfahren. Und verjüngen will sich die Partei auch. Entsprechend rutschte Westphal, wie andere EU-Abgeordnete auch, nach hinten durch.
"Jetzt anständig Wahlkampf machen"
Endgültig verabschieden soll die SPD-Liste eine Delegiertenkonferenz am 9. Dezember in Berlin. Ob an der vorgeschlagenen Kandidaten-Reihung noch einmal gerüttelt wird, ist offen. Ohne weitere Absprachen eine Kampfabstimmung um einen besseren Platz zu riskieren, sei ihre Sache nicht, betont Westphal. "Dafür habe ich der SPD viel zu viel zu verdanken."
Ihr Rezept lautet vielmehr: "Wir müssen jetzt anständig Wahlkampf machen." Sie werde, so Westphal, den Kopf "nicht in den Sand stecken". Der Kontinent stehe vor einer "Schicksalswahl". Es gehe darum, "sich der Rechts-Konservativen, der Nationalisten und der Faschisten zu erwehren" und für ein weltoffenes, soziales, solidarisches Europa zu streiten. Dann werde womöglich auch Listenplatz 23 für den Wiedereinzug ins Europaparlament reichen.
Falls Westphal aber scheitert, könnte Unterfranken am Ende erstmals seit 1979 gar nicht in Brüssel und Straßburg vertreten sein. Auch die Aussichten des hiesigen CSU-Kandidaten, Christian Staat, halten sich, wie berichtet, in Grenzen.