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Würzburg
Debatte im Bundestag: Brauchen wir die Impfpflicht?
Am Mittwoch diskutiert der Bundestag zum ersten Mal über eine Impfpflicht. FDP-Abgeordneter Andrew Ullmann aus Würzburg hat eine klare Meinung dazu. Das sind die Standpunkte.
Die Demonstranten haben eine klare Einstellung zur Impfpflicht. Im Bundestag wird am Mittwoch erstmals darüber debattiert.
Foto: Fabian Sommer (dpa) | Die Demonstranten haben eine klare Einstellung zur Impfpflicht. Im Bundestag wird am Mittwoch erstmals darüber debattiert.
dpa
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:01 Uhr

 Die Diskussion um dieImpfpflicht, die am Mittwoch im Bundestag geführt wird, dürfte spannend werden, denn die Meinungen der teilnehmenden Politikerinnen und Politiker gehen auseinander. Schon an der Frage, für wen die Impfpflicht gelten soll, scheiden sich die Geister.

Der Würzburger Abgeordnete Andrew Ullmann (FDP) hat im Vorfeld bereits ein konkretes Ziel seiner Partei formuliert: Gesellschaftliche Strömungen zu vereinen und einen mehrheitsfähigen Entwurf zu unterbreiten. Nachfolgend lesen Sie (teilweise gekürzte) Statements aus Politik, Gastronomie und rechtlicher Perspektive, die im Vorfeld der Debatte gemacht wurden.

Andrew Ullmann von der Würzburger FDP ist für eine Impfnachweispflicht ab 50 Jahren.
Foto: Patty Varasano | Andrew Ullmann von der Würzburger FDP ist für eine Impfnachweispflicht ab 50 Jahren.

Andrew Ullmann ist für eine Impfnachweispflicht ab 50 Jahren

Zwei Maßnahmen sollen getroffen werden. Erstens: eine verpflichtende Impfaufklärung. Die Gesellschaft teilt sich nicht nur in Impfgegner und Geimpfte. Es gibt eine große Zahl an Menschen, die nicht geimpft sind, obwohl sie überzeugt werden könnten. Wir schlagen ein verpflichtendes, professionelles und persönliches Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften vor. Wir wollen jeder ungeimpften Person einen Termin zukommen lassen, der verpflichtend wahrgenommen werden muss. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, sich freiwillig impfen zu lassen. So können wir viele Fake News und Ängste entkräften und die Impfquote steigern.

"Milderer staatlicher Eingriff"
Andrew Ullmann, FDP-Abgeordneter

Zweitens: eine Impfnachweispflicht ab 50 Jahren. Ziel der Pandemiebekämpfung ist es, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Das Alter ist ein einfach zu messender Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Eine Impfnachweispflicht für Personen, die älter als 50 Jahre sind, kann dieses Ziel erfüllen. Es wäre die mildere Impfpflicht und der mildere staatliche Eingriff als beispielsweise eine allgemeine Impfpflicht (ab 18 oder 5 Jahren).

Wir können vor die Winterwelle 2022/23 kommen. Daher müssen jetzt Maßnahmen geplant und ergriffen werden, damit wir endlich den Kampf gegen die Pandemie gewinnen.

Sahra Wagenknecht
Foto: Britta Pedersen | Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht ist gegen eine Impfpflicht

Ich halte eine Impfpflicht weder für ein notwendiges noch für ein geeignetes Mittel, um die Corona-Pandemie zu beenden. Für die aktuelle Welle kommt jede Impfpflicht zu spät. In diesen Wochen infizieren sich Millionen Menschen mit der Omikron-Variante, was den Grad der Immunisierung in der Bevölkerung massiv erhöht. Auch die WHO hält es für plausibel, dass sich in Europa die Pandemie gerade verabschiedet. Und das wird auch nicht durch die angeblich so große deutsche Impflücke verhindert. Das RKI hat mehrfach darauf hingewiesen, dass wegen unzureichender Meldungen die reale Impfquote in Deutschland rund fünf Prozent über der offiziellen liegt.

„Weder notwendig, noch geeignet“
Sahra Wagenknecht, für Die Linke im Bundestag

Danach würde Deutschland mit einer Impfquote von 78 Prozent zu den fünf europäischen Ländern mit den höchsten Impfquoten gehören. Ob es im Herbst noch einmal neue, gefährlichere Mutanten gibt, weiß niemand. Aber selbst wenn, ist unklar, ob die aktuellen bzw. ein auf Omikron angepasster Impfstoff dann wirksam wären. Dass die Impfung nicht davor schützt, sich und andere anzustecken, erleben wir gerade.

Wir wissen auch schon aus dem letzten Herbst, dass der Impfschutz gegen schwere Verläufe mit der Zeit nachlässt, gerade in den Risikogruppen. Damals waren bis zu 44 Prozent der über Sechzigjährigen auf den Intensivstationen geimpft. Erst der Booster hat den Schutz erneuert. Aber wie lange er wirkt und ob er bei möglichen neuen Mutanten noch schützt, kann aktuell niemand beurteilen. In Abwägung all dessen lässt sich eine allgemeine Impfpflicht nicht rechtfertigen.

Josef Franz Lindner, Jurist
Foto: Naomi Rieger | Josef Franz Lindner, Jurist

Jurist Josef Franz Lindner kann sich eine Impfpflicht-Einführung in drei Schritten vorstellen

Die Impfpflicht ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das Grundgesetz erlaubt dem Gesetzgeber solche Eingriffe. Voraussetzung dafür ist der Schutz eines gewichtigen Rechtsgutes, im Fall einer Pandemie des Gesundheitssystems. Ob dessen Überlastung ab nächstem Herbst durch eine (neue) Virusvariante droht, ist derzeit offen. Jetzt eine allgemeine Impfpflicht auf Verdacht oder Vorrat einzuführen, ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

„Rechtlich nicht zu rechtfertigen"
Josef Franz Lindner, Jurist

Das bedeutet nicht, dass der Bundestag untätig bleiben müsste. Verfassungsrechtlich tragfähig wäre die Einführung einer Impfpflicht in drei Schritten: 1. Bereits jetzt könnte der Bundestag in einem Impfpflicht-Vorratsgesetz die Voraussetzungen für eine allgemeine Impfpflicht regeln: Gefahr einer Infektionswelle ab Herbst, die das Gesundheitswesen bedroht, Verfügbarkeit eines hinreichend wirksamen Wirkstoffes, Existenz einer (auch zeitlich) effektiven Impfinfrastruktur.

2. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, müsste der Bundestag auf der Basis tatsächlich belastbarer wissenschaftlicher Expertise in einem zweiten Schritt (im Mai oder Juni) feststellen; erst dadurch würde die Impfpflicht dann aktiviert. 3. Dem würde die tatsächliche Umsetzung der Impfpflicht folgen. Da überwiegend Menschen über 50 Jahre ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, sollte sich die Impfpflicht auf diesen Personenkreis beschränken. Eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ist verfassungsrechtlich hingegen schwer begründbar. 

Angela Inselkammer betreibt eine Gastronomie in Aying bei München.
Foto: Johannes Schreiner | Angela Inselkammer betreibt eine Gastronomie in Aying bei München.

Gastronomin Angela Inselkammer spricht sich für eine Impfpflicht aus

Wir haben in Deutschland nun schon lange versucht, ohne eine Impfpflicht auszukommen. Und ich bin auch keine Befürworterin von immer mehr Pflichten und Regeln. Doch die Appelle an die Menschen, sich in hohem Maße impfen zu lassen, schon aus Solidarität den Mitmenschen gegenüber, haben scheinbar nicht in ausreichendem Maße gefruchtet. Wie uns die Expertinnen und Experten sagen, reicht die inzwischen erzielte Impfquote wohl nicht aus, um im kommenden Herbst und Winter eine weitere Corona-Welle zu verhindern. Doch noch mal so eine Welle können wir als Gesellschaft und insbesondere das schwer gebeutelte Hotel- sowie Gaststättengewerbe nicht verkraften.

„Raus aus der Endlosschleife“
Angela Inselkammer, Gastronomin

Deshalb müssen wir jetzt den Rat der Expertinnen und Experten annehmen, die mehr als wir von den Gesetzen einer Pandemie verstehen. Die massiven wirtschaftlichen Auswirkungen auf unseren für Kultur und das Gemeinschaftsgefühl so wichtigen Wirtschaftszweig sollten die Impfskeptiker und Impfgegner bedenken. Noch einmal einen Herbst und Winter mit verheerenden Besucherzahlen werden viele Betriebe nicht verkraften.

Da uns führende Virologinnen und Virologen sagen, die Impfpflicht sei der einzige Ausweg, um eine solche Corona-Endlosschleife zu verhindern, spreche ich mich klar fürs Impfen aus. Eine Impfpflicht würde sicher helfen. Ich bin drei Mal geimpft und hatte keine Probleme nach der Impfung. Und so verhält es sich mit unserer ganzen Familie. Im Übrigen sind im Hotel- und Gaststättengewerbe ohnehin die meisten Kräfte geimpft.

Serap Güler, CDU-Bundestagsabgeordnete
Foto: Wolfgang Kumm | Serap Güler, CDU-Bundestagsabgeordnete

Serap Güler vermutet, dass es auf eine beschränkte Impfpflicht hinauslaufen wird

Die Impfung an sich mag ein medizinischer Eingriff sein, sie ist aber keine rein medizinische Frage. Sie hat enormes Potenzial, die Gesellschaft zu spalten. Es gibt also jede Menge Fragen, die nach Antworten schreien und alles andere als banal sind.

Als Bundestagsfraktion der Union haben wir deshalb im Dezember der Regierung eine Reihe von Fragen geschickt, wie sie eine Impfpflicht rechtlich und praktisch umsetzen will. Die Antworten ist die Regierung uns bis heute schuldig geblieben. Für eine allgemeine Impfpflicht müssen diese Fragen aber beantwortet werden. Denn neben der Spaltung der Gesellschaft steht nichts Minderes auf dem Spiel, als dass wir unsere Glaubwürdigkeit – das höchste Gut der Politik – verspielen.

"Es geht um die Glaubwürdigkeit."
Serap Güler, CDU-Bundestagsabgeordnete

Ich habe mich letztendlich noch nicht entschieden, denke aber, dass wenn es am Ende auf eine Impfpflicht hinausläuft, diese temporär und auf Ältere sowie vulnerable Gruppen beschränkt sein muss. Auch stelle ich mir die Impfpflicht ohne ein zentrales Impfregister, wie es zum Beispiel in Österreich der Fall ist, als praktisch nicht umsetzbar vor. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass die Regierung, die einen ganz anderen Apparat und somit andere Möglichkeiten hat als einfache Abgeordnete, hierzu eine Vorlage macht. Schließlich zählt unser neuer Gesundheitsminister zu den Corona-Experten schlechthin. Dass er gerade in dieser Frage sich jetzt für die Neutralität entscheidet, die ihm zwei Jahre fremd war, leuchtet mir nicht ein.

 
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