Nach zähem Ringen hat sich die Bundesregierung auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Acht Themenblöcke sollen dabei helfen, den CO2-Ausstoß in Deutschland in den nächsten Jahren zu senken.
Kohle-Ausstieg lässt die Strompreise steigen
Spätestens 2038 soll hierzulande das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden, wenn möglich früher. Aus Sicht der Braunkohlereviere in Ost- und Westdeutschland werden die anderthalb Jahrzehnte gebraucht, um dort neue Betreibe anzusiedeln. Den demonstrierenden Schülern ist das Datum viel zu spät. Sie pochen auf das Ausstiegsjahr 2030. Inwiefern das in zehn oder 15 Jahren überhaupt möglich sein wird, bestimmt maßgeblich der Ausbau von Windparks und Solarfeldern (siehe Text neben an).
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Durch das Aus für Kohlekraftwerke, da sind sich alle Experten sicher, wird hierzulande der Strompreis weiter steigen. Schon heute liegt Deutschland bei den Haushalts- und Industriestrompreisen an der Spitze Europas. Für die Unternehmen ist das ein schwerer Wettbewerbsnachteil, weshalb die Bundesregierung die Ökostromumlage absenken will. Im Jahr 2021 soll sie um ein Viertel Cent fallen, ein Jahr später um einen halben Cent. Aktuell beträgt die Ökostromumlage 6,4 Cent je Kilowattstunde. Für den einzelnen Haushalt und den einzelnen Betreib handelt es sich um kleine Entlastungen, gesamtwirtschaftlich addieren sie sich auf Milliardenbeträge.
„Die geplanten Stromkostensenkungen von knapp einem Prozent stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den höheren Preisen für Diesel und Erdgas“, beklagte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) als Stimme der Unternehmen.
Energieverluste in alten Gebäuden stoppen
Was für Ölheizungen gilt, gilt auch für viele Gebäude in Deutschland: Sie sind alt und nicht auf dem Stand der Technik. Um etwa zwei Drittel soll der CO2-Ausstoß des Gebäudesektors bis 2030 gegenüber 1990 schrumpfen und das soll durch die sogenannte energetische Gebäudesanierung erreicht werden: Der Energieverbrauch für Heizung, Warmwasseraufbereitung und Belüftung wird durch gezielte bauliche Maßnahmen minimiert.
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Der Sinn solcher Maßnahmen ist unumstritten. Das Problem ist bloß, dass sie viel Geld kosten. Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA freute sich hier über die angekündigte steuerliche Abschreibung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Bei der Ausgestaltung müssten alle Gebäudetypen Berücksichtigung finden, auch Gewerbeimmobilien. Die Chefs des Deutschen Mieterbundes, des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW und des Deutschen Verbandes (DV) befürchten ein Finanzierungsloch von sechs Milliarden Euro jährlich für vermietete Wohnungen sowie von mindestens 14 Milliarden Euro für Wohngebäude insgesamt.
Damit dieses Loch gestopft werden kann, wäre den Experten zufolge die Schaffung eines Fonds die beste Lösung. Ohne frisches Geld vom Staat werden demnach entweder für diesen Bereich die Klimaziele 2030 nicht erreicht. Oder aber es kommt für die 40 Prozent der Menschen mit niedrigen Einkommen zu sozialen Härten.
Keine ökologische Wende für die Landwirtschaft
Rund elf Prozent der Treibhausgase stammen aus der Landwirtschaft. Trotzdem kommt dieser Bereich beim Klimapaket der Regierung vergleichsweise glimpflich davon. Beschlossen wurde ein Sammelsurium ohne wirkliche Vorgaben. Das größte CO2-Einsparpotenzial sieht die Politik in der Senkung der Stickstoffüberschüsse.
Allerdings gab es hier ohnehin schon Änderungen in der Düngegesetzgebung, um die seit langem erhöhten Nitratwerte zu senken. „Das Ministerium erwartet eine Einsparung von bis zu 3,5 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 durch die Senkung des Stickstoffüberschusses. Mit der bestehenden Düngeverordnung ist jedoch nur eine Einsparung von 2 Millionen Tonnen CO2 zu erwarten”, sagte Gerald Wehde vom Ökoverband Bioland dem Portal agrarheute. Landwirtschaftsexperte Peter Breunig von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf kritisiert die Konzentration auf den Ökolandbau.
Ökolandbauleiste keinen Beitrag zur CO2-Reduzierung. „Es gibt Studien, die sogar von höheren Klimagasemissionen bei ökologischer Landwirtschaft ausgehen“, sagt Breunig. „Grund sind die deutlich niedrigeren Erträge.“ Ihm fehlen zudem Maßnahmen zur Förderung einer Ernährungsweise, die weniger Klimagasemissionen verursacht – also die Abkehr vom massenhaften Fleischkonsum. Dabei sind sich Wissenschaftler einig, dass einer der wichtigsten Schritte zur Reduzierung der CO2-Emissionen ein Abbau der Tierbestände wäre.
Deutlich mehr Windräder und Solarfelder
Ob der Klimaschutzplan aufgeht, wird im Wesentlichen davon abhängen, dass in den nächsten Jahren deutlich mehr Windräder in Deutschland und vor den hiesigen Küsten aufgestellt werden als bislang geplant. Das Gleiche gilt für Solaranlagen. Doch die Bundesregierung will ihrem Klima-Eckpunktepapier zufolge nur bei Solaranlagen und bei Windparks in Nord- und Ostsee den Ausbau steigern.
Das Ausbaulimit in der See wird um fünf Gigawatt angehoben, was der Leistung von fünf Atomkraftwerken entspricht. Nur wenn Windräder und Photovoltaik-Anlagen mehr Strom produzieren, können Kohlekraftwerke abgestellt werden. Gehen sie vom Netz, sinkt der CO2-Ausstoß beträchtlich. Dafür muss aber der Widerstand gegen neue Windräder und die zum Transport der Energie nötigen Leitungen gebrochen werden. Die Kläger berufen sich oft auf den Naturschutz, zum Beispiel von seltenen Vögeln.
Die Klagewelle hat die Behörden vor Ort vorsichtig werden lassen. Hinzu kommt, dass die zwei großen Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen hohe Hürden für die Windkraft durch rigide Abstandsregelung aufgestellt haben. „Die Abstandsregelungen hätten abgeschafft werden müssen“, sagte die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die strengen Regeln könnten beide Landesregierungen streichen. Die CSU hat aber in das Paket hineinverhandelt, dass die Abstände zu Wohnhäusern im Freistaat nicht kleiner werden.
Die Ölheizung wird abgeschafft
Rund 5,8 Millionen Gebäude in Deutschland werden durch eine Ölheizung versorgt. Diese Geräte sind teilweise uralt, entsprechend hoch ist der CO2-Ausstoß. Die Beschlüsse des Klimakabinetts sehen vor, dass ab 2025 keine Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen.
Bereits eingebaute Anlagen haben Bestandsschutz. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW hat die Folgen bereits untersucht und ist begeistert: Mindestens 2,1 Millionen Gebäude könnten schnell und unkompliziert mit einer Gasheizung modernisiert werden, weitere 510.000 Gebäude ließen sich an das Fernwärmenetz anschließen. Mehr als 14 Millionen Tonnen CO2 ließen sich so einsparen. Würde man alle Ölheizungen durch moderne Technologien ersetzen, ließen sich bis zu 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen.
„Mit der Umrüstung auf Gas stellen sich die Hausbesitzer zukunftssicher auf: Schon heute lassen sich moderne Gasheizungen ohne technische Umstellung auch mit grünen Gasen wie Biomethan betreiben“, erklärt BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Die vom Klimakabinett beschlossene CO2-Bepreisung erzeugt in diesem Zusammenhang Druck von der anderen Seite. Denn der Marktpreis für fossile Brennstoffe ist im Vergleich zur Inflation seit 2012 gefallen. Sie kosten heute so viel wie 2008. Allerdings ist der CO2-Preis niedriger ausgefallen als erwartet. Insofern bleibt abzuwarten, wie hoch der Druck auf dem Kessel tatsächlich wird.
Tanken und Heizen werden moderat teurer
Die Große Koalition hat sich nicht getraut, sich mit den Autofahrern anzulegen. Sie will zwar eine CO2-Abgabe einführen, aber sie startet sehr moderat. Der Preis des Treibhausgases war der Knackpunkt der Verhandlungen zwischen Union und SPD. Das Bündnis traf sich in der Mitte und einigte sich auf eine Mischform zwischen Steuer (SPD) und einem Handel mit Luftverschmutzungsrechten (Union).
Die Tonne CO2 soll 10 Euro kosten und stufenweise bis 2025 auf 35 Euro ansteigen. Letzterer ist der Betrag, mit dem Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) eigentlich beginnen wollte. Für die SPD-Politikerin ist das eine Niederlage. Bei 35 Euro würde Benzin um 10 Cent teurer, Diesel um 11 Cent. Dem entsprechend wird bei einem CO2-Preis von 10 Euro der Aufschlag also nur rund 3 Cent für Sprit betragen. Auch Heizen wird etwas mehr kosten, weil für Heizöl und Gas auch die CO2-Abgabe fällig wird. Bei 35 Euro würde sich der Preis für Erdgas um einen Cent je Kilowattstunde erhöhen, bei Heizöl um 11 Cent je Liter.
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„Die Bundesregierung hat einen sehr defensiven und mutlosen Plan ausgearbeitet“, monierte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Durch den Aufschlag sollen die Verbraucher eigentlich dazu gebracht werden, sich ein umweltfreundliches Auto zu kaufen oder die alte Heizung auszutauschen. Je schwächer die Mehrkosten ausfallen, desto kleiner ist der Anreiz, sich klimaschonend zu verhalten.
Die Bahn wird billiger, dafür das Fliegen teurer
Der Verkehrssektor ist für rund ein Fünftel der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich, und dem Bahnverkehr kommt in den Konzepten des Klimakabinetts deshalb eine ganz besondere Bedeutung zu. Denn über diese Stellschraube lassen sich viele Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
Erreicht werden soll das unter anderem, indem die Fahrkarten durch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent billiger werden. Insgesamt rechnet die DB mit einem jährlichen Plus von fünf Millionen Fahrgästen allein durch diese Absenkung der Mehrwertsteuer, die rechnerisch zu einer Preisreduzierung von zehn Prozent führt. Bahn-Chef Richard Lutz kündigte gleichzeitig den Kauf von 30 neuen Hochgeschwindigkeitszügen an. Bei den Experten kommt das gut an. „Wir brauchen eine umwelt- und klimafreundliche Mobilität, die für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar bleibt“, sagt etwa Dirk Flege, der Chef der Allianz pro Schiene.
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Gleichzeitig soll das Fliegen über Abgaben teurer gemacht werden, und das aus nachvollziehbaren Gründen. Denn die billigen Flugtickets haben den Individualverkehr und damit den CO2-Ausstoß rasant ansteigen lassen. Dabei verursachte ein Flugreise 19 Mal so viel Treibhausgas wie eine Fahrt mit der Bahn. Die Maßnahmen der Bundesregierung gehen da offenbar in die richtige Richtung. „Umweltfreundliche Mobilität muss günstiger, umweltschädliche teurer werden“, sagt Flege.
Mehr E-Autos sollen auf die Straße
Der Bereich Verkehr stand bei den Beratungen besonders im Fokus. Um die CO2-Belastung zu senken, will die Bundesregierung die Deutschen dazu bringen, auf E-Autos umzusteigen. Bis 2030 sollen bis zu zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Für günstigere, rein elektrische Autos will der Staat die Kaufprämie erhöhen. Es soll zudem mehr Ladesäulen geben. Gleichzeitig werden die Spritpreise anziehen: Zunächst sollen Benzin und Diesel um etwa 3 Cent je Liter verteuert werden, in einem zweiten Schritt bis 2026 dann weiter auf 9 bis 15 Cent je Liter.
Richtig ist: Elektroautos emittieren kein Gramm CO2. Doch in die Bilanz fließt eben auch die Produktion der Fahrzeuge und der Batterie mit ein. Um eine wiederaufladbare Batterie herzustellen, wird viel Strom benötigt. Dessen Erzeugung verursacht Emissionen. Studien gehen von 100 bis 200 Kilogramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Batterieleistung aus. Addiert man die Emissionen der restlichen Herstellung, kommen die verschiedenen Studien am Ende auf Werte zwischen zehn und zwölf Tonnen.
Zum Vergleich: Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor rechnen Experten im Schnitt mit sechs bis sieben Tonnen Treibhausgasen. Ausgeglichen wird dies später im Betrieb. Manche Studien berechnen den Emissions-Vorteil ab Fahrleistungen von rund 100 000 oder auch 150 000 Kilometern. Sinnvoll ist das E-Auto auch nur, wenn Strom aus regenerativen Quellen kommt und nicht aus Kohle.