Als Leseranwalt habe ich mich schon im Mai ("Ein Fall für die journalistische Verantwortung") den Kritiken von Lesern angeschlossen. Wir halten es damals wie heute für falsch, dass in einem Bericht über einen Mann, der Bomben gebaut hat, Bestandteile aufgezählt wurden, die er bei seinem gefährlichen Tun verwendet hatte. Nun erschien am 14.11. („Böller-Bastler muss hinter Gitter“) aber ein weiterer Artikel mit gefährlichen Bauteilen, weil der Fall bei Gericht verhandelt worden ist. Entgegen aller Kritik wurden auch am 20.11. („Terrorverdächtiger in Haft“/Siehe Kopie am Ende des Textes) Bestandteile für den Bombenbau genannt. Sie waren in einem Text der Deutschen Presseagentur (dpa) verbreitet.
Unterschiedliche Beurteilungen
Die kritischen Leser mussten somit ebenso wie ich zur Kenntnis nehmen, dass die Redaktion unsere Einschätzung nicht geteilt hat. Die lauten: Die Nennung einzelner Chemikalien ist für das Verständnis der Nachricht nicht notwendig, trägt aber die Gefahr in sich, dass sich Nachahmer finden. Der Autor der Beitrages vom 14.11. hält dagegen, "wenn einer selbst Bomben bauen und Sprengstoffe mischen will, kann er sich im Internet tausendfach kundig machen. Es ist keine Presseaufgabe, zu verschweigen, wie jemand mit öffentlich zugänglichen Mitteln wie Bleiche oder Nagellackentferner TATP herstellen will. Wenn es so einfach ist, dann ist es eben so und darf nicht unter den Teppich gekehrt werden."
Ins Gewissen reden
Dieses Argument überzeugt weder die kritischen Leser noch mich. Doch das ist nicht entscheidend. Als freier Leseranwalt, der nicht Redaktionsmitglied ist, kann ich der Redaktion hier öffentlich ins Gewissen reden, Fehlleistungen kennzeichnen, mich gegen Beiträge wenden und Grundsätze journalistischer Arbeit erklären. Diese Möglichkeit, die mir die Chefredaktion zu Gunsten der Leserschaft einräumt, ist aller Ehren wert. Nur sehr wenige Medien machen ihren Lesern ein solches Angebot. Aber als Leseranwalt kann ich nicht direkt auf die Arbeit der Redaktion Einfluss nehmen oder gar Weisungen erteilen.
Die Verantwortlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Redaktion verantworten schließlich die Veröffentlichungen, so auch die beschriebenen. Deshalb müssen sie darüber abschließend entscheiden können. Dabei genießen sie Pressefreiheit in hohem Maße auch im Inneren. Das ist grundsätzlich gut so. Folglich muss ich, wie die Leser, deren ich mich angenommen habe, damit umgehen können, wenn Kritiken in der Redaktion nicht angenommen werden. Dort gelangt man zuweilen eben zu anderen Bewertungen. Die muss man dann – wie in den vorliegenden Fällen - nicht teilen, aber respektieren.
Erfreulich für eine Reihe von Leserinnen und Leser - und damit für mich - ist es aber, dass ihre von mir aufgegriffenen Hinweise häufig schon angenommen worden sind