Medien schreiben Nachrichten fort. Erste Meldungen von einem Ereignis sind oft noch kurz und knapp. Im Laufe der Zeit runden Entwicklungen und neue Erkenntnisse das Bild ab. Die darauf folgenden journalistischen Fortschreibungen der Nachricht lassen sich bei Agenturen, so der Deutschen Presseagentur (dpa), gut beobachten: Es muss ständig aktualisiert werden. Das verlangen die schnellen Medien, die ebenfalls ständig senden und abrufbar sind. Eine Zusammenfassung wird am Ende allen Medien geboten.
Der andere Zeitungs-Rhythmus
In digitalen Angeboten der Tageszeitungen sind diese Fortschreibungen von Nachrichten wahrnehmbar, da müssen sie ebenfalls nachvollzogen werden, ähnlich wie im Rundfunk. Man will ständig aktuell sein. In gedruckten Zeitungen, die nur morgens erscheinen, gibt es einen anderen Rhythmus. Dort wird meist die letzte Zusammenfassung vom Vortag sichtbar. Dazu ein Beispiel, das den Leser W.F. aus dem Raum Schweinfurt verärgert hat.
Vermutung des Lesers
Herr W.F. vermutet, in der Zeitung würden Inhalte unterdrückt. Hatte er doch im digitalen Angebot der Main-Post (Newsletter) über die Platznot in deutschen Gefängnissen Ausführliches gelesen. Erstaunt und verärgert war er, tags darauf in der Zeitung (Do., 26.4.) unter „kurz & bündig“ nur einen äußerst „dünnen Beitrag“ zu finden („Gefängnisse sind überlastet“). Er vermisst darin Wesentliches.
Gewerkschaftsvorsitzender fehlte
Beobachtet hat Herr W.F. richtig. In der Zeitung ist die Nachricht, die digital noch eine Stellungnahme des Gewerkschaftsvorsitzenden enthielt, ohne diese erschienen. Freilich blieb ihr wesentlicher Kern erhalten: die Gefängnis-Überlastung. Die war noch nach Bundesländern aufgegliedert: Bayern liegt danach bei 90 Prozent Auslastung. Fachleute sprechen bei 85 bis 90 Prozent von Vollbelegung. Das, so las man im dpa-Bericht, hatten Redaktionen der Funke-Mediengruppe in ihren Zeitungen veröffentlicht.
Siehe vorausgegangene dpa-Texte am Ende dieses Beitrages...
Eine Notwendigkeit
Das einfache Beispiel zeigt, was man wissen sollte, weil es Alltag ist: Manche Agenturtexte müssen – meist aus Platzgründen – in den gedruckten Zeitungen gekürzt wiedergegeben werden. Dabei muss aber immer die Kernaussage der Nachricht erhalten bleiben: Hier, dass die Gefängnisse überlastet sind. Einzelne Leser mögen sich mehr wünschen oder manches weggebliebene Detail für wichtig halten. Jedoch liegt für Kürzungen eine zeitungstypische Notwendigkeit vor, aber keine Unterdrückung wesentlicher Nachrichten. Hieße das doch, sich ins eigene Fleisch schneiden.
Wiederkehr erwartet
Anzuerkennen ist: Über die Bearbeitung und Auswahl von Nachrichten, ebenso wie über die Schwerpunkte in der Zeitung, können Leser anderer Meinung sein. Auch bei Redakteuren ist nicht immer gleich Einigkeit herzustellen. Von Wesentlichem geht in der Zeitung dennoch nur wenig verloren. Erscheinen doch jährlich rund 300 Ausgaben. So wird die Gefängnis-Belegung gewiss auch noch einmal ausführlich wiederkehren.
Nachdem ich zuletzt einiges über die dpa geschrieben habe, können Sie noch mehr darüber erfahren:
Hier nochmal die Links:
"Ein Buch mit sieben Siegeln aufgeblättert, die dpa" (2016)
"Fragen und Antworten, die Fragen aufwerfen" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch: www.vdmo.de
Hier die Texte der dpa, die der kurzen Zeitungsmeldung vorausgingen:
Justiz/Strafvollzug/Deutschland
Meldung
Strafvollzugsbeamte fordern mehr Gefängnisse und mehr Personal
Hamburg (dpa) - Angesichts übervoller Gefängnisse fordert der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands die Politik zu einer Prioritätsänderung auf. Bund und Länder müssten dem Strafvollzug dringend mehr Aufmerksamkeit schenken, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende René Müller am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Neben einem Mangel an freien Plätzen machte er auch eine Personalnot bei den Strafvollzugsbediensteten aus.
Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten zuvor berichtet, dass die Gefängnisse in vielen Bundesländern überbelegt seien. Das habe mehrere Ursachen, sagte Müller. Zum einen seien viele Haftanstalten in Deutschland «gefühlt seit Jahrhunderten» nicht modernisiert worden, andererseits müssten dringend neue Gefängnisse gebaut werden. Müller machte bundesweit einen Investitionsbedarf im ein- bis zweistelligen Milliardenbereich aus.
Zudem müsse die Politik die Arbeit im Strafvollzug attraktiver machen, damit sich neu geschaffene Stellen überhaupt besetzen ließen. Dabei gehe es nicht nur um höhere Verdienste, sondern auch um bessere Aufstiegschancen durch Fortbildungen. Die Unterbesetzung sorge bei den Bediensteten für eine zusätzliche Belastung. «Wenn ein Insasse mich angreift, sind meine Kollegen meine Lebensversicherung», sagte Müller. Wenn es aber zu wenig Kollegen gebe, führe das zu psychischem Stress, der wiederum zu vermehrten Krankmeldungen führe.
Die Zusammenfassung der dpa:
Gefängnisse sind überlastet - Südwesten besonders betroffen
In den deutschen Haftanstalten drängen sich immer mehr Gefangene. In etlichen Bundesländern gibt es kaum noch freie Plätze - besonders angespannt ist die Lage in Baden-Württemberg.
Stuttgart (dpa) - In Deutschlands Gefängnissen wird der Platz knapp - vor allem im Südwesten. In Baden-Württemberg sind die Haftanstalten derzeit zu 100 Prozent ausgelastet, wie das Landesjustizministerium am Mittwoch auf Anfrage mitteilte. Eine Umfrage der Zeitungen der Funke-Mediengruppe ergab zudem, dass die Gefängnisse in Bayern, Rheinland-Pfalz, Berlin, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr durchschnittlich zu mehr als 90 Prozent ausgelastet waren. Fachleute sprechen dem Bericht zufolge schon bei einer Auslastung von 85 bis 90 Prozent von Vollbelegung.
Der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, René Müller, sieht mehrere Gründe. Es gebe zu wenig Gefängnisse, bei den bestehenden gebe es außerdem Sanierungsbedarf, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Den Investitionsbedarf schätzt Müller bundesweit auf einen ein- bis zweistelligen Milliardenbereich. Auch der starke Zuzug von Flüchtlingen mache sich in den Gefängnissen bemerkbar. Mit den Geflüchteten sei naturgemäß auch ein gewisser Anteil an Kriminellen nach Deutschland gekommen, sagte Müller.
Müller machte zudem einen Personalmangel in den Gefängnissen aus. Politiker müssten die Arbeit im Strafvollzug attraktiver machen, damit sich neu geschaffene Stellen überhaupt besetzen ließen. Die Unterbesetzung belaste seine Kollegen. «Wenn ein Insasse mich angreift, sind meine Kollegen meine Lebensversicherung», sagte der Gewerkschafter. Wenn es aber zu wenig Kollegen gebe, führe das zu psychischem Stress, der wiederum zu vermehrten Krankmeldungen führe.
Es bestehe Handlungsbedarf, sagte Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Seit Ende 2015 sei die Zahl der Gefangenen sprunghaft angestiegen. Die Landesregierungen in Baden-Württemberg und Sachsen planen angesichts der hohen Auslastung nach eigenen Angaben, alte Haftanstalten länger zu betreiben und neue Gefängnisse zu bauen. In Sachsen waren Ende März laut Landesjustizministerium fast 97,5 Prozent der Gefängnisplätze belegt.
Vergleichsweise relativ entspannt ist die Situation in den norddeutschen Flächenländern: In Mecklenburg-Vorpommern sind die Gefängnisse laut Aussage des Justizministeriums derzeit zu rund 77 Prozent ausgelastet. Auch in Niedersachsen gebe es keine Überbelegung, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Die Belegungsquote habe 2017 bei gut 81 Prozent gelegen. In Schleswig-Holstein sind die Haftanstalten laut Angaben des Justizministerium mit derzeit gut 87 Prozent zwar voll belegt, aber nicht überlastet. Ähnlich ist die Situation in Brandenburg, hier waren laut Justizministerium im März etwa 86 Prozent der Kapazität ausgeschöpft.
ENDE