Gerne empfehle ich im Archiv des Deutschen Presserates nachzulesen, was er nach Beschwerden von Lesern schon so alles entschieden hat. Das ist vielfältige Lektüre, die zur Vermehrung der eigenen Medien-Kompetenz beitragen kann. Das Archiv ist über Stichworte gut zugänglich. Siehe: https://recherche.presserat.info.
Beim digitalen Stöbern ist mir etwas aufgefallen: Zu Ziffer 15 des Kodex, die sich mit Vergünstigungen beschäftigt, die Journalisten gelegentlich von außen zuteil werden, finden sich vergleichsweise wenige Entscheidungen. Das kann daran liegen, dass auch die Zahl der Beschwerden dazu überschaubar ist. Denn welche Leserin, welcher Leser vermag zu erkennen, wer die Reise eines Journalisten bezahlt hat, wenn der das in seinem Bericht nicht selbst mitteilt. Und genau das muss er, wenn seine Reise oder Teile davon fremdfinanziert sind.
Finanzierung kenntlich machen
Ich zitiere aus Ziffer 15.1: „Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Annahme von Geschenken, Einladungen oder Rabatten nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Verlage und Journalisten bestehen darauf, dass Informationen unabhängig von der Annahme eines Geschenks oder einer Einladung gegeben werden. Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.“
Wer sich in der Szene auskennt, der kann bestätigen, dass Berichte über touristische Ziele in den meisten Fällen nur entstehen, weil Tourismusunternehmen, Fremdenverkehrsverbände oder Hotels Reiseeinladungen an Journalisten aussprechen. Sie schaffen ihnen - nicht ganz selbstlos - die Möglichkeit Urlaubsgebiete vor Ort zu erleben, um sie hinterher darzustellen.
Frage nach der Unabhängigkeit
Auch an der Leserschaft liegt es in der Folge, ein Auge darauf zu haben, ob im Artikel genug Unabhängigkeit vom Reisefinanzier vorliegt. Deshalb muss es der Journalist kenntlich machen, wenn es einen solchen Sponsor gegeben hat. Tut er das nicht, kann das nach einer Leser-Beschwerde zur Missbilligung durch den Presserat führen. Das entnehme ich dessen bisheriger Entscheidungspraxis.
Eine ernsthafte Verpflichtung
Nun fasse ich uns an die eigene Nase: Bei Reiseberichten dieser Zeitung ist wiederkehrend zu lesen: „Hinweis der Redaktion: Unsere Autoren reisen gelegentlich mit Unterstützung von Fremdenverkehrsämtern und Tourismusunternehmen.“ Diesen unzureichenden Hinweis missbillige ich schon als Leseranwalt, bevor es der Presserat tun muss. „Gelegentlich“ sagt nichts über die Reise, die dem jeweils vorliegenden Bericht zugrunde liegt. Da besteht für Autoren die ernsthafte Verpflichtung, künftig mehr Transparenz, das heißt Klarheit für die Leserschaft zu schaffen.
Von dieser Transparenz, die der Pressekodex fordert, befreit auch nicht der Satz in den journalistischen Leitlinien der Main-Post-Redaktionen, den man auf Seite 24 unter Punkt 16 "Vergünstigungen" findet: "Unproblematisch sind Leistungen Dritter, die allen Medien zugute kommen und die branchenüblich akzeptiert werden, solange die Unabhängigkeit der Berichterstattung nicht in Frage gestellt ist. Also zum Beispiel Essen und Give-Aways anlässlich von Pressekonferenzen, vom Organisator bezahlte Journalistenausflüge zum Besuch eines Schauplatzes, Einladungen zu Premieren und Promiveranstaltungen etc."
Beispielberichte online: Montenegro: Land der Buchten und Schluchten (unzureichender Hinweis)
oder: "Algarve, naturnah Wandern in der Windersonne" (kein Hinweis).
Nachtrag: Der soll nicht ablenken. Aber auch die Redaktion der Süddeutschen Zeitung glänzt im Hinblick auf Ziffer 15 (Pressekodex) nicht gerade durch Transparenz. Hier lese ich am 23.1.20 nach vier größeren Reiseberichten: "Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen." Hier entsteht - wie auch in der Main-Post - zudem der Eindruck, dass die Reisen auf Initiative der Redaktion unternommen worden sind. Wenn aber Einladungen von Veranstaltern vorausgegangen sein sollten, wäre das eine wesentliche Information für die Leserschaft.
Frühere Leseranwalt-Kolumne zur Unabhängigkeit:
2011: "Warum alle Leser wie Mandanten sind"
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de