Presserechte, gesprochen von Gerichten und die Ethik der Presse, überwacht vom Deutschen Presserat, können sich zuweilen berühren. So geschehen bei Beurteilung von Berichterstattungen über Plünderungen und Verwüstungen beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu aktuell geurteilt, dass die Bildzeitung eine Reihe von Bildern zeigen durfte, auf denen daran beteiligte Personen erkennbar waren. Dabei hatte das Blatt in einem eigenständigen Fahndungsaufruf um Unterstützung der Polizei bei der Identifizierung der Abgebildeten gebeten.
Frau klagt gegen Bildzeitung
Geklagt gegen das Blatt hatte daraufhin eine auf den Bildern im bauchfreien Top sichtbare, wenn auch schwer erkennbare Frau, auf Unterlassung. Im Text war sie als "Krawall-Barbie" bezeichnet worden. Die Entscheidung im Sinne von "Bild" fiel erst in der Revision vor dem BHG, nachdem die Vorinstanzen noch der klagenden Frau Recht zugesprochen hatten. Das hätte noch bedeutet, dass die Frau von der Bildzeitung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde.
Die BGH-Richter bewerteten nun das Bild als durchaus vom Persönlichkeitsrecht dieser Frau umfasst, weil sie für Freunde und Bekannte anhand ihrer Körperform, Körperhaltung, Frisur und Gesichtsform erkannt werden könnte. Aber im großen Zusammenhang mit den Hamburger Vorfällen sahen sie darin auch ein Bildnis aus dem "Bereich der Zeitgeschichte", das deshalb als solches veröffentlicht werden durfte.
Ermittlungsverfahren eingestellt
Interessant ist: Im Text zu diesem Bild aus dem Eingangsbereich eines geplünderten Drogeriemarktes mit eingeschlagener Tür und zerbrochenen Fenster, hieß es, die Frau habe "Wasser, Süßigkeiten, Kaugummis (…) erbeutet." Das hat sie nicht bestritten. So wurde in dieser Sache das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin (Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit) eingestellt.
Diese Geringfügigkeit des eingestellten Verfahrens widerspricht nicht der zeitgeschichtlichen Dimension der Vorfälle in Hamburg. Ist doch laut BGH die Berichterstattung dazu von erheblichem Informationswert. Die massiven Ausschreitungen beim G20-Gipfel seien von sehr hohem gesellschaftlichem Interesse und Gegenstand öffentlicher Diskussionen gewesen. So habe dabei auch das Foto der Klägerin einen kontextgerechten Beitrag geleistet, hinter dem ihr Persönlichkeitsrecht zurückstehen müsse.
Die Missbilligung des Presserates
Berichte mit Bilder von beteiligten Personen an den G20-Ausschreitungen und -Straftaten hatte, ob ihres nie dagewesenen Umfangs, auch der Presserat nach einer Beschwerde nicht grundsätzlich kritisiert. Missbilligt hat er jedoch den Medienpranger, der dadurch entstand. Das galt auch für Foto und Video in der Online-Ausgabe des Blattes unter dem Titel "Hier wird G20-Chaot abgeführt". Es zeigt einen "G20-Randalierer", der in Handschellen in ein Gerichtsgebäude geführt wird. Man liest dazu, der gesuchte Kevin D. sei am Tag, an dem die Zeitung über sein Abtauchen berichtet habe, festgenommen worden.
Für den Presserat ging es hier um eine Person, nach der nicht mehr gefahndet wurde. Es ist aber nur solange zulässig solche Bilder zu veröffentlichen, solange auch Polizei und Staatsanwaltschaft mit den Abbildungen nach den Personen fahndet. Weil das nicht mehr der Fall war, lag für den Presserat eine Prangerwirkung vor. Und ein "Medien-Pranger", so will es die verpflichtende Ethik im Pressekodex in Richtlinie 13.1 ("Vorverurteilungen"), dürfe in einem Rechtsstaat nicht zur sozialen Zusatzbestrafung werden.
Grundsätzlich gilt: "Es gehört nicht zur Aufgabe der Presse, selbständig nach Bürgern zu fahnden, ohne dass ein offizielles Fahndungsersuchen der Staatsanwaltschaft vorliegt."
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Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute.