Diese Redaktion sollte es sich nach Ansicht von Leser K. P. sparen, den Leuten, die mit negativer "Großmannssucht" in Geschichtsbücher drängen, viel Platz einzuräumen. Der Leser meidet den Namen desjenigen, der am 8. März mit einem großen Bild in der Main-Post abgedruckt war. Weil er stattdessen über den "Napoleon von Moskau" schreibt, ist klar, dass es um Putin geht.
Das Foto erschien in der Zeitung zu einem umfassenden Beitrag unter der Überschrift "Wer jetzt noch zu Putin hält - und warum". Journalistisch ist das vertretbar. Herr K. P. stellt jedoch ausgehend von diesem Bild einen Zusammenhang mit Terroristen her. Denn die werden von seriösen Medien möglichst nicht abgebildet und nicht namentlich genannt. Weiß man doch, dass die sich sonst in ihren Taten bestätigt fühlen und sich andere Gefährder dadurch zu Anschlägen motiviert sehen könnten. Es geht dabei auch um eine journalistische Tugend des Verzichts.
In die Geschichte gehen auch Kriegsverbrecher ein
Ob Medien oder diese Redaktion allerdings Wladimir Putin, Nicolàs Maduro (Venezuela), Alexander Lukaschenko (Belarus), Kim Jong-un (Nordkorea), Xi Jinping (China), Baschar al-Assad (Syrien), oder einige andere aus dieser Kategorie mit Abbildungen helfen, ihre Ziele zu erreichen, wie es K. P. befürchtet, daran zweifle ich.
Aber mit Terroristen dürfen sie nach Menschen- oder Völkerrechtsverletzungen durchaus verglichen werden. In die Geschichte gehen Kriegsverbrecher trotzdem ein. Freie Medien können das auch durch den Verzicht auf Abbildungen von ihnen nicht verhindern. Und es wird mutmaßlich sogar Bücher geben, die diese Herrschaften nicht negativ darstellen.
Zumindest bildet die Main-Post-Redaktion Diktatoren nicht oft ab. Das mögen sogar hiesige Leserinnen und Leser als gut empfinden. Aber mit Rücksicht auf Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Unterfranken Schutz suchen, ist es wohl besser, auf Putin-Abbildungen in Veröffentlichungen zu verzichten, wenn sie nicht für eine Nachricht unverzichtbar sind. Das schont alle, die dem Grauen, das er verantwortet, entronnen sind.
Schockierende Fotos werden vermehrt zu Zeugnissen von Kriegsverbrechen
Bei Kriegsbildern gilt es ohnehin abzuwägen zwischen dem Informationsinteresse der Leserinnen und Leser und dem Schutz von Opfern und deren Angehörigen. An diese Verantwortung appelliert der Presserat.
Diese Abwägung ist wichtig, aber ziemlich schwierig. Denn schockierende Fotos werden vermehrt zu Zeugnissen von Kriegsverbrechen, wie jetzt die Bilder aus Butscha. Sichtbar liegen getötete Zivilisten auf der Straße. Es erscheinen Bilder, wie sie der Presserat ob hoher Relevanz und herausragender nachrichtlicher Dimension schon oft als zulässig bewertet habe, sagt Presserat-Sprecherin Kirsten von Hutten.
Diese Zeitung veröffentlicht keine Bilder von getöteten Zivilisten
Diese Dimension mag dann sogar für erkennbare Kinder aus dem Kriegsgebiet gelten. Diese Zeitung hat allerdings entschieden, keine Fotos von getöteten Zivilisten zu zeigen, vor allem nicht, wenn ihre Gesichter zu sehen sind. Chefredakteur Michael Reinhard räumt in einer Abwägung allerdings ein, dass es da kein richtig oder falsch gibt.
Kein Foto, so der Presserat, darf Opfer allerdings zusätzlich herabwürdigen, etwa mit Details ihrer Verletzungen oder Videos in Dauerschleife. Und: Veröffentlichungen sind stets einzeln zu bewerten. Es geht immer um Menschenwürde. Dennoch sei es grundsetzlich angemessen, Opfer zu zeigen, um das Grauen des Krieges zu dokumentieren. Die Menschen sollten jedoch nicht zu identifizieren sein, um sie und ihre Angehörigen zu schützen. So erklärt es der Medienethiker Cristian Schicha in einem Interview in der Augsburger Allgemeinen.
"Jeder ukrainische Fotograf davon träumt, ein Foto zu machen, das den Krieg beendet"
Im Columbia Journalism Review schreibt Jon Allsop am 4. April über Fotojournalisten, die ihren Einsatz in der Ukraine mit dem Leben bezahlten, darunter der Ukrainer Maks Levin (40 Jahre): Alle sind sie Zivilisten gewesen. Levin wird von Allsop noch mit den Worten zitiert, dass "jeder ukrainische Fotograf davon träumt, ein Foto zu machen, das den Krieg beendet". Doch in einem früheren Interview habe er es für "naiv" gehalten, zu glauben, seine Fotos könnten die Welt verändern. Er berichte aus Pflichtgefühl und Ehrlichkeit. Beide Male, so Allsop, habe Levin recht. Nicht einmal so schreckliche Bilder wie die aus Butscha könnten den Krieg beenden. Aber sie könnten mehr bewirken, als nur die Welt zu zwingen, Zeuge zu sein. Es lohne sich, an diesem Traum festzuhalten.
Der Mord an Levin werde untersucht. Das Gleiche gelte für die Toten in einem Massengrab in Butscha.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auf Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
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