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LESERANWALT
Enttäuschung und Erwartung am Jahresende 2017
Die Toten des Jahres 2017       -  Das war die Schlagzeile für eine Seite in der Zeitung, auf der die Abbildung eines Kriminellen Leser-Kritik hervorrief.
| Das war die Schlagzeile für eine Seite in der Zeitung, auf der die Abbildung eines Kriminellen Leser-Kritik hervorrief.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:05 Uhr

Vergangene Woche wurde in zwei Leserbriefen und in einem Schreiben an mich kritisiert, dass auf der Erinnerungsseite in der Zeitung „Die Toten des Jahres“ (Ausgabe 29. Dez.) auch der für mehrere Morde verurteilte Charles Manson (Text: „US-Krimineller (83), 19. November“) inmitten von 39 prominenten Persönlichkeiten abgebildet gewesen ist, die 2017 gestorben sind. Über sie war zu lesen: „Viele von ihnen hinterlassen mit ihren Filmen, ihrer Musik oder ihren Büchern ein lebendiges Erbe.“

 

Eine Beleidigung

In der Tat, ein Rassist, Sektenführer und für Morde verantwortliche Person ist deplatziert unter den vielen, die einer solchen besonderen Erinnerung wert sind. Lebendiges Erbe hat er schon gar nicht hinterlassen. So hieß es in einem Leserbrief, Manson  „auf diese Weise zu ehren, bedeutet eine Beleidigung aller abgebildeten Persönlichkeiten und der Leser“ . Im anderen stand, dass auf diese Seite „Menschen gehören, derer man sich gerne im Guten erinnert, wie z. B. des Bundespräsidenten a.D. Roman Herzog.“(Hier anklicken und digital nachlesen.)

Die Toten des Jahres. Seite in der Zeitung vom 29.11.2017       -  Einer war auf dieser Seite deplatziert ... Das rief die Kritik von Lesern hervor
| Einer war auf dieser Seite deplatziert ... Das rief die Kritik von Lesern hervor

Fehlendes Eingeständnis

So war die Abbildung des US-Kriminellen  Charles Manson  in prominenter Gesellschaft auch aus meiner Sicht ein Fehlgriff. Hätte das die Redaktion gleich vergangene Woche auf der Leserbriefseite selbst auch bekannt, wäre es besser gewesen. Gab es doch zuvor in der Redaktionskonferenz schon Kritik an der undifferenzierten Manson-Darstellung. Dieses Eingeständnis blieb leider aus. (Siehe auch Abbildung der ganzen Seite)

 

Den Mauerfall vermisst

Leser-Erwartungen an Erinnerungen gibt es immer. Das zeigen die Worte von Herrn W.H., der sie sich lange überlegt hat, bevor er sie zum Jahresende an mich schrieb. Er ist enttäuscht, dass am 8. November nicht mit einer Zeile an den Fall der Mauer (1989) erinnert wurde, aber an den Tod des Fußballweltmeisters Hans Schäfer und die Pogromnacht.

 

Im Tag der Einheit inbegriffen

Dass der Fall der Mauer des steten Gedenkens bedarf, ebenso wie die Pogromnacht, habe ich ihm in meiner Antwort bestätigt. Keine seriöse Redaktion denke da an Vergessen. Um Verständnis habe ich gebeten, dass nicht jährlich am 9. November in Zeitungsveröffentlichungen an den Fall der Mauer 1989 erinnert werde. 25 Jahre danach ist das anders gewesen: Da erschienen ganze Seiten und mehrteilige Serien. Doch 27 oder 28 Jahre sind keine Zeiträume, die als Jahrestage wahrgenommen werden. Erinnerungen können darüber aber nicht verloren gehen. Dafür ist gesorgt. Denn der Mauerfall ist jedes Jahr am 3. Oktober als eine Voraussetzung für den Feiertag der Einheit, automatisch inbegriffen.

Der Beitrag im Sportteil zum Tod von Hans Schäfer war ein aktueller Nachruf. Der ist nicht mit den Erinnerungen zuvor genannten Erinnerung zu vergleichen.

 

Erinnerung an Pogromnacht       -  Diese Erinnerung an die Pogramnacht erschien in der Zeitung vom 10. November 2017
| Diese Erinnerung an die Pogramnacht erschien in der Zeitung vom 10. November 2017
Hans Schäfer gestorben. Beitrag in der Main-Post vom 8.11.17. Sportteil.       -  Ein aktueller Nachruf zum Tod eines Fußball-Weltmeisters ist nicht mit der Veröffentlichung einer Erinnerung an den Fall der Berliner Mauer zu vergleichen. Aus Main-Post vom 8.11.2017
| Ein aktueller Nachruf zum Tod eines Fußball-Weltmeisters ist nicht mit der Veröffentlichung einer Erinnerung an den Fall der Berliner Mauer zu vergleichen. Aus Main-Post vom 8.11.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

Die andere Einschätzung

W.H. ist mit meiner Antwort nicht einverstanden. Er hat eine andere Einschätzung und erwidert: „An die Pogromnacht wird jährlich erinnert. Für mich als Nachkriegsgeneration ist aber der Mauerfall wichtiger.“ Er schließt: „Sie brauchen nicht zu antworten. Ich wünsche Ihnen ein gutes und gesundes neues Jahr.“ Zumindest seinen Wünschen zum neuen Jahr schließe ich mich ohne Vorbehalt an.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema:

"Ein Eingeständnis wäre gut gewesen" (Sept. 2017)

"Die Redaktion hört auf Kritiker" (März 2010)

Anton Sahlender, Leseranwalt, siehe auch www.vdmo.de

 
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