Zwischen dem Leser G.P. und dem Sportressort kam es nach meiner Vermittlung nicht zum ersten kontroversen Meinungsaustausch. Des Lesers Kritik gibt beispielhaft den Blick auf eine differente Interessenslage unter Sportlesern frei und verdeutlicht zudem eine Crux: Die wachsende Vielfalt der Sportarten, die Tageszeitungen dazu zwingt, Schwerpunkte zu setzen. Das bedeutet oft, dass auf das eine oder andere Ergebnis verzichtet werden muss. Das erschwert natürlich die notwendigen Auswahlentscheidungen für die oft wenig Zeit bleibt.
Prioritäten
Im Hinblick darauf lautet der Vorwurf von G.P.: Ihnen „fehlt das Urteilsvermögen darüber, was wichtig und weniger wichtig ist“. Der Leiter der Sportredaktion gestand G.P. gerne dessen andere Prioritäten zu. Genau die hat der Leser in Kritiken an der Montagsausgabe vom 24. September erkennen lassen:
Der sensationelle Weltmeistertitel der kaum bekannten Simone Blum im Springreiten in den USA, stehe in einem nur kurzen Artikel. Dem fehle ein Foto. Beim WM-Lauf der Motorräder in Aragonien werde nur die Platzierung deutscher Teilnehmer in unteren Klassen berichtet. Doch wer kenne schon Marcel Schrötter oder Philipp Öttl (Platz 19)? Der Sieger der höchsten Klasse, der fehle. (Siehe Artikelkopien)
Am späten Abend
Antwort aus der Sportredaktion: Ja, ein Bild der von Simone Blum wäre schön gewesen. Angesichts der spät abends eintreffenden Meldung (USA, Zeitverschiebung), konnte deren Titel aber gerade noch mitgenommen werden. Dabei ist passiert, was spät abends vorkommt: Es galt für die Nachricht vom Weltmeistertitel im Springreiten Platz im Sportteil zu schaffen. Die nötige Kürzung erwischte den Motorradbericht mit Rossi & Co..
Drittklassigkeit
Weiter G.P.:
„Noch nie wurde jemals groß über eine Drittklassigkeit berichtet!“ Nun aber lese er über den Sohn von Michael Schumacher, dass der bei der Formel 3 siegte. Und es durfte kein großer Bericht mit Foto (etwa eine Drittelseite) über Dirk Nowitzki fehlen, darüber, dass der künftig auf der Ersatzbank von Dallas Mavericks sitze. (Siehe auch Artikel-Kopien)
Regionale Schwerpunkte
Die Redaktion erklärt Herrn G.P.: Vorgegeben sei, Schwerpunkte bei den regionalen Inhalten zu setzen. Und der erfolgreichste und bekannteste Akteur der Region sei Nowitzki: Werde dessen vorbildliche Einstellung zu seiner neuen Situation als Ersatzspieler nicht ausreichend dargestellt, dann könne man wirklich am redaktionellen Urteilsvermögen zweifeln. Das man richtig liege, dafür seien hohe Klickzahlen auf mainpost.de auch ein Maßstab. Enorme Zugkraft habe da auch der Name Schumacher. Sehe es doch so aus, als erreiche der Sohn wie einst der Vater die Formel 1. Das rechtfertige die nicht einmal 60 Zeilen über seine Erfolge in der Formel 3.
Anerkennenswert
Dazu kommt noch ein wichtiger Hinweis der Sportredaktion: „Wir produzieren jeden Sonntag für Montag rund 30 Sportseiten nur für die Main-Post (sechs Lokalsportausgaben, dazu Überregionales) und liefern anderen Verlagen Sportseiten.“ (1)
Ich finde, das ist anerkennenswert, obwohl auch ich mitunter andere Interessen habe und wohl andere Schwerpunkte setzen würde.
(1) Diese Produktion funktioniert natürlich nur mit der Zuarbeit aus einem Netz vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Region und darüber hinaus.
Weitere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema Sport:
"Es ist fast unmöglich, in der Zeitung allen Sportliebhabern gerecht zu werden" (2012)
"Die Reichweite von Lokalpatriotismus im Sportjournalismus" (2016)
"Zum Kickersfan will ich Herrn R. aus der Rhön nicht machen" (2016)
"Worte an WM-Desinteressierte" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de