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LESERANWALT
Der missverständliche Samstagsbrief
Samstagsbrief Überschrift Maas       -  Der jüngste Samstagsbrief vom 19.11.2016 an den Bundesjustizminster Heiko Maas nur mit Überschrift.
| Der jüngste Samstagsbrief vom 19.11.2016 an den Bundesjustizminster Heiko Maas nur mit Überschrift.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:51 Uhr
Die Redaktion pflegt seit kurzem samstags eine seltene Darstellungsform: Eine Journalistin oder ein Journalist schreibt einen Brief an eine bekannte Persönlichkeit. Dieses Schreiben wird auf Seite 2 verbreitet, der Meinungsseite der Zeitung. Digital ist er bei überregionalen Meinungen zu finden. Titel: "Der Samstagsbrief".
Ich meine, der jüngste Samstagsbrief bedarf einer Nachbesserung. Und es ist vorgesehen, sein Thema, die Kinderehen, am Samstag in der Zeitung noch einmal aufzugreifen.
Hier nun die redaktionelle Klarstellung vom Samstag, 24.11.2016
Dazu der neue Bericht: Kinderehen in Deutschland: Was ist erlaubt, was ist verboten? 

Fakten müssen stimmen

Auch wenn die Meinung des Journalisten in dem Brief offen an eine Person gerichtet wird, gelten dafür die selben Grundsätze wie für andere Meinungsbeiträge. Fakten müssen nicht nur stimmen, sondern es sollten alle für die vertretene Meinung relevanten Fakten genannt sein. Daran mangelt es im Samstagsbrief, um den es hier geht.
Weil meist eine Person in ihrem Amt und ihrer Verantwortung direkt angesprochen ist, kann die Redaktion darauf hoffen, dass die ungewöhnliche Darstellungsform stark wirkt, beim Adressaten und bei Lesern.
 

Der Text muss die Überschrift erklären

Kritik hat mich zum Brief vom vergangenen Samstag erreicht. Er war an Bundesjustizminister Heiko Maas gerichtet. Die Überschrift forderte von ihm:  "Verbieten Sie endlich Kinderehen, Herr Maas!" . Diese Schlagzeile (siehe Foto) ist vertretbar, wenn der folgende Text darüber Aufschluss gibt, wie das genau gemeint ist. Denn sonst könnten Leser meinen, Kinderehen seien in Deutschland erlaubt. Sind sie aber grundsätzlich nicht. Am Grundsätzlichen will auch Maas nichts ändern. Das ist in der Zeitung unzureichend dargestellt. Dadurch kann ein falscher Eindruck von den Absichten des Ministers entstehen.
Digital lautet die Überschrift: "Mädchen gehören in die Schule, nicht ins Ehebett, Herr Maas." Das ist nachvollziehbar.


Ausnahmen über das Familiengericht

Seit 1998 heißt es schon zur Ehemündigkeit im Paragraph 1303 des BGB: "

(1) Eine Ehe soll nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden.
(2) Das Familiengericht kann auf Antrag von der Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist."

Es bedarf folglich für die Genehmigng einer Ehe vor der Volljährigkeit guter Gründe. Wenn Erziehungsberichtigte Einspruch erheben, das zeigen die Absätze 3 und 4, könnte sie verhindert werden. Die Ausnahmen sind also Gesetzeslage.
Hier will der Justizminister nun gesetzlich definieren, für welche Fälle sie in Frage kommen. Es geht dabei um Probleme, die nach einer Auflösung von Kinderehen auftreten können. Das betrifft vorwiegend das weitere Schicksal von Frauen und Kindern. Und Maas hat sogar ein verschärftes Vorgehen gegen Kinderehren angkündigt. So ist es auch bei der Main-Post zu lesen. Bei einer Abwägung mit den daraus entstehenden Problemen, die darin nicht angesprochen sind, hätte der Brief an Maas wohl nicht so ganz einfach ausfallen können.
 

Kein Inzest

Die Absenderin des Schreibens hat darin Ehen zwischen Cousins noch als "Inzest" bezeichnet. Das ist als ihre Meinung erkennbar und somit journalistisch zulässig. Trotzdem wäre es angesichts dieser sehr klaren Haltung auch notwendig gewesen, gegenüberzustellen, dass solche Ehen vor dem Gesetz hierzulande nicht als Inzest gelten, selbst wenn es Hinweise auf gesundheitliche Gefährdungen gemeinsamer Kinder gibt.
 

Leser könnten sich verirren

Die Autorin, das kann nicht übersehen werden, hat auch Zustimmung für ihre Haltung geerntet. Die grundsätzliche Zielrichtung ihres forsch formulierten Schreibens an Maas ist nachvollziehbar. Das stelle ich nicht in Abrede. Aber es hätte einer größeren Differenzierung bedurft, um Missverständnisse auszuschließen. So aber führt guter Wille wohl an einigen Stellen auf einen Holzweg, der dem Adressaten nicht gerecht wird. Aber auch Leser könnten sich darauf verirren.

Anton Sahlender, Leseranwalt
 
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