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LEITARTIKEL
Kommentar: Warum Kiffen nicht länger verboten sein sollte
Nicht alle Cannabis-Konsumenten sind kriminell. Doch durch das Verbot werden sie dazu gemacht. Dabei gibt es gute Gründe für eine Legalisierung, findet unser Autor.
Cannabis       -  Laut Bundesregierung konsumieren rund zwei Millionen Menschen regelmäßig Cannabis.
Foto: Matt Masin | Laut Bundesregierung konsumieren rund zwei Millionen Menschen regelmäßig Cannabis.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:49 Uhr

Man muss beim Thema Kiffen nicht so radikal denken wie der Kabarettist Wolfgang Neuss. „Auf deutschem Boden darf nie wieder ein Joint ausgehen“, hat er vor Jahrzehnten in launiger Abwandlung eines berühmten Zitats gefordert. Aber ein Umdenken ist im Gange – sogar bei der Polizei. Die Diskussion gewinnt an Glaubhaftigkeit, wenn nun sogar der Chef der Kripo-Gewerkschaft bekennt: Die harte Linie von Verbot und Verfolgung ist gescheitert – und eine Legalisierung nur noch eine Frage der Zeit.

Rund zwei Millionen Menschen konsumieren nach Angaben der Bundesregierung regelmäßig Cannabis. Fast 40 Prozent der 18- bis 25-Jährigen in Deutschland haben mindestens einmal in ihrem Leben einen Joint geraucht. Und die sollen alle kriminell sein?

Die Forderung nach einem Recht auf Rausch mag sich platt anhören. Aber – anders als beim Alkohol – ist der Erwerb von Haschisch und Marihuana verboten. Wer erwischt wird, macht sich strafbar. Dem konsumierenden Kiffer drohen Führerscheinentzug, Geld- und Haftstrafen.

Viele bürokratische Hürden für Schmerzpatienten

Warum wird bei Cannabis und Alkohol mit zweierlei Maß gemessen? Gerade beim Cannabis sind es nicht nur die Genusssüchtigen, die sich den Stoff vom Dealer um die Ecke besorgen. Auch Patienten mit permanenten Schmerzen und Krebskranke profitieren von der berauschenden Wirkung. Ihnen werden viele bürokratische Hürden in den Weg gelegt. Kranke werden kriminalisiert, wenn sie Cannabis als Medikament einsetzen wollen – das ist absurd.

Die Bilanz der Verbotspolitik ist nicht berauschend, sondern ernüchternd: Da muss man gar nicht darauf verweisen, dass die Alkohol-Prohibition in den USA in den 1920er Jahren vor allem die Mafia gestärkt hat. Wir haben vor der eigenen Tür illegale Organisationen herangezüchtet, die mit dem Verkauf verbotener Drogen Milliarden machen. Ihre Chefs investieren ihr Drogengeld in der legalen Wirtschaft, während auf der Straße sogar Migranten den riskanten Job als Kleindealer übernehmen. Sie leben von jedem einzelnen Süchtigen – und haben keine Skrupel, ihre steigende Zahl von Kunden auch mit härteren Substanzen wie Heroin, Kokain und Crystal Meth vertraut zu machen.

  • Lizenz für die eigene "Gras"-Ernte (Juli 2014)
 

Beim Alkohol setzt der Staat ja auch auf mündige Bürger

Die Polizei kommt kaum noch dazu, gegen kriminelle Hintermänner zu ermitteln, weil sie jedem Gramm Haschisch und jedem kleinen Konsumenten hinterherhetzen muss. Der Druck steigt – und damit die Preise und die Gewinne der Dealer. Dazu kommt, dass sich immer weniger Jugendliche dem Reiz des Verbotenen entziehen können oder wollen – ein endloses Spiel ohne Sieger.

Kritiker einer Legalisierung sagen zu Recht, dass Cannabis gesundheitlich nicht unbedenklich ist. Aber das sind Tabak und Alkohol auch nicht. Hier setzt der Staat auf mündige Bürger, die selbst entscheiden, was und wie viel ihnen bekommt. Und er versucht, Jugendliche besonders zu schützen. Warum sollte das bei Cannabis nicht auch möglich sein? Beim Kiffen werden Menschen für ein Verhalten bestraft, das – in Maßen betrieben – kaum mehr schadet als ein Feierabendbier oder ein Glas Rotwein zum Abendessen.

Gewinn beim Kampf gegen Drogenkriminalität?

Haschisch gilt zu Recht als Einstiegsdroge. Das müsste aber nicht so sein, wenn man Cannabis von staatlich kontrollierten Anbietern verkaufen lassen würde. Ob damit im Kampf gegen die Drogenkriminalität wirklich etwas gewonnen wäre, muss sich erst zeigen. Immerhin würde damit kriminellen Organisationen die Quelle entzogen, sie müssten erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen. Langfristig wäre dies wirksamer als jede Großrazzia und jeder inhaftierte Kleindealer. Der Staat könnte sich sogar durch eine entsprechende Besteuerung eine lukrative Einnahmequelle sichern.

 
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Kommentare
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  • M. S.
    Wenn jemand Cannabis konsumieren möchte muss er sich in ein quasi "kriminelles" Umfeld begeben. Setzt man auch hier ein "gewinnoptimiertes Handeln" voraus, ist die Verlockung für den Verkäufer groß, dies mit seinem "härteren" Sortiment auch umzusetzen. Wie die Prohibition gezeigt hat war das sogar "cool" dazu zu gehören. Gerade Amerika hat hier dazu gelernt. 41 Staaten haben Cannabis legalisiert. Es ist Zeit, die Jungend nicht mehr für den Konsum zu kriminalisieren.
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  • U. S.
    Warum ist das Suchtmittel Alkohol legal? Warum ist das Suchtmittel Tabak legal? Etwa weil es Steuereinnahmen bringt?
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  • D. J.
    Zum Thema "Einstiegsdroge" ein Gedankenspiel:

    Nehmen wir an, in Deutschland sind alle Substanzen, die Menschen aus diversen Gründen zu sich nehmen, illegal.

    Ich kaufe also meinen verbotenen Kaffee beim Dealer an der Ecke.

    Diese Woche hat er keinen Kaffee da, bietet mir aber alternativ ne Flasche Rum an (auch verboten, klar).

    Ich hab mit Alkohol nix am Hut, wollte ja nur meinen Frühstückskaffee, aber aus Frust und weil ich schon da bin, nehme ich halt den Rum.

    Hätte ich meinen Kaffee ganz legal im Laden laufen können, hätte mir gar niemand andere Substanzen anbieten können und ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, auch mal was anderes zu versuchen.

    Damit will ich sagen, dass ALLES zur Einstiegsdroge werden kann, allein weil es verboten ist.
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    Lieber Herr Schweidler, vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihr Wort hat ja durchaus Gewicht. Was mir zu schaffen macht sind die vielen, durchaus loyalen Polizeibeamten die nicht selten, wegen Themen rund um Cannabis, in einen Gewissenskonflikt kommen. Mir wäre eine Regelung die Cannabiskonsumenten entkriminalisiert, parallel aber ein absolutes
    Werbeverbot für alle Rauschmittel vorsieht viel lieber.
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  • P. M.
    Alkohol, Nikotin, Zucker, Medikamente etc alles Dinge die für die Gesundheit nicht gerade förderlich sind. Der Staat verdient und das nicht schlecht.
    Hier wird auf die Mündigkeit des Bürgers vertraut.
    Warum nicht auch bei "Mary Jane". Es ist einfach lächerlich, mit welchen Argumenten hier gearbeitet wird.
    Ein Bürgerentscheid könnte schnell für Klarheit sorgen.
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    Muss mich aus verschiedenen Gründen mit Cannabis beschäftigen. Die Argumene für eine Cannabisentkriminalisierumg sind überwältigend. Niemand, der sich mit Cannabis beschäftigt kann nachvollziehen warum Vor allem CSU aber auch große Teile der CDU und SPD auf ein Verbot bestehen. Diese Parteien beeinflussen aber nach wie vor die Volksmeinung. Ich fürchte, eine Volksbefragung ohne intensive Aufklärung geht in die Hose. In Bayern sind im Herbst Wahlen. Als Koalitionspartner für die CSU fast nur noch Bündnis90/grüne bereit. Die anderen sind zu klein und können oder wollen nicht regieren. Da man in der Regierung gestalten kann, kommt möglicherweise sogar aus Bayern der Anstoß für ein Umdenken in Sachen Legalisierung von Cannabis.
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  • B. F.
    Verachtet mir die Kritiker nicht.
    Nein, Cannabis sollte man nicht legalisieren. Die Polizei will nur weniger Arbeit haben.
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