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WÜRZBURG
Kripo-Vertreter wollen Cannabis legalisieren
Kripo-Vertreter wollen Cannabis legalisieren       -  Cannabis (Symbolfoto).
Foto: dpa | Cannabis (Symbolfoto).
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:49 Uhr

„Die Prohibition von Cannabis ist historisch betrachtet willkürlich erfolgt und bis heute weder intelligent noch zielführend“, sagt André Schulz, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Damit sorgte der Interessenvertreter der organisierten Kriminalbeamten am Montag für großes Aufsehen hinweg.

Selbst in der „Washington Post“, der bekanntesten Zeitung der US-Hauptstadt, ist der BDK-Vorschlag ein Thema. Der BDK vertritt die Interessen von rund 15.000 Kripo-Beamten in Deutschland.

In Bayern und Unterfranken umstritten

Allerdings ist der jetzige Vorstoß im eigenen Verband umstritten. Sowohl der Landesverband Bayern des BDK als auch der Bezirksverband Unterfranken sind anderer Meinung. „Wir lehnen das klar ab,“ sagt Martin Auer, stellvertretender bayerischer Landesvorsitzender in Würzburg, auf Anfrage. „Cannabis ist eine illegale Droge und bleibt illegal.“

In Unterfranken hatte die Polizei in ihrer Sicherheitsbilanz 2017 bei der Rauschgiftkriminalität insgesamt einen Anstieg um 18,1 Prozent im Jahr 2016 festgestellt, von 4029 Fällen auf 4760. Das Gros waren genau jene Fälle, die André Schulz nun entkriminalisieren will.

„Verbot ist gescheitert“

Schulz ist Erster Kriminalhauptkommissar im Landeskriminalamt (LKA) Hamburg und Autor zahlreicher Fachartikel. Er ist ständiger Lehrbeauftragter an der Kripo-Akademie für Kriminalistik, Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft sowie Doktorand und Gastdozent für Kriminalistik und Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Völlig neu ist seine Haltung nicht. Schulz hatte bereits bei einer Expertentagung zum Thema Hanf im November 2017 in Berlin die Strafverfolgung bei diesem Thema als „unverhältnismäßig“ angeprangert. „Das Verbot ist gescheitert“, sagte er.

Die Ermittlungserfolge deutscher Behörden bei Cannabis beliefen sich im Schnitt auf rund zweieinhalb Tonnen „Gras“ pro Jahr: „Selbst bei konservativer Schätzung reicht diese Menge für alle deutschen Kiffer nur rund eine Woche.“

Nicht mehr lange verboten

Schulz sagt: Durch das derzeitige Rechtssystem würden Menschen stigmatisiert und kriminelle Karrieren erst befördert. „Es gab in der Menschheitsgeschichte noch nie eine Gesellschaft ohne Drogenkonsum, das muss man akzeptieren.“ Seiner Prognose zufolge werde Cannabis nicht mehr lange verboten sein.

  • Lizenz für die eigene „Gras“-Ernte (Juli 2014)

Cannabis ist nicht nur für seine berauschende Wirkung bekannt, sondern auch für einen schmerzlindernden Effekt. Seit März 2017 ist die Droge in Deutschland auch als Medikament für Schwerkranke zugelassen. Seitdem sind 13.000 Anträge auf Kostenübernahme bei den größten gesetzlichen Kassen eingegangen. Rund 8000 davon wurden genehmigt. Cannabis wird unter anderem gegen Übelkeit und Appetitlosigkeit bei Krebs- und Aidspatienten eingesetzt.

Strafbar ist allerdings der Erwerb, Verkauf, Anbau und Besitz – jedenfalls, wenn keine Genehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für Patienten vorliegt, die eine ärztlich begleitete Therapie machen. Strafverfahren wegen des Erwerbs geringer Mengen, also solche, die offensichtlich für den Eigenbedarf sind, werden normalerweise eingestellt.

Bürokratische Hürden

Aber auch das gilt nur für Gelegenheitskonsumenten. Und selbst wer eine Erlaubnis bekommt, sein Cannabis selbst anzubauen – wie nach jahrelangem juristischen Tauziehen der Würzburger Schmerzpatient Günter Weiglein – wird vor hohe bürokratische Hürden zur Umsetzung der Erlaubnis gestellt. Weiglein stand im Herbst vergangenen Jahres deshalb erneut vor dem Strafrichter.

Dabei gilt der Stoff aus der Apotheke als teuer und schwer beziehbar. Immer wieder klagen Patienten über Lieferengpässe.

BDK-Chef Schulz zufolge gäbe es bessere Möglichkeiten in der Drogenpolitik, als vor allem auf Repression zu setzen. Dazu gehöre zu lernen mit einem verantwortungsvollen Drogenkonsum umzugehen, Konsumenten und Suchtkranken unter Fürsorgeaspekten zu helfen und einen tatsächlich wirksamen Kinder- und Jugendschutz möglich zu machen.

Kein Kiffen am Steuer

Für Autofahrer müsse Kiffen aber Tabu bleiben, sagte Schulz: „Aus Sicherheitsgründen darf das Führen eines Kraftfahrzeuges weder im alkoholisierten oder sonst wie berauschten Zustand erfolgen.“ Derzeit gebe es bei dem Thema „noch einige rechtliche Unsicherheiten und Gesetzeslücken“, was den Unterschied zwischen Cannabis und Alkohol sowie illegalem Cannabis-Konsum und Konsum auf Rezept betreffe. Zudem könnten Autofahrer heute den Führerschein wegen illegalen Cannabis-Konsums aus verschiedenen Gründen verlieren, auch wenn sie nicht berauscht gefahren seien.

Die Debatte um die Legalisierung von Cannabis besteht schon seit Jahren. Im März 2015 brachten die Grünen einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein, um Volljährigen einen legalen Zugang zu Cannabis zu ermöglichen. Im Juli 2017 wurde der Entwurf mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD abgelehnt.

 
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  • H. H.
    Verbote schaffen Schwarzmarkt

    das müsste spätestens seit der Prohibition allen klar sein - und damit auch, dass mit den schwindelerregenden Gewinnen aus diesen Geschäften die Schwarzhändler der Strafverfolgung immer einen Schritt voraus sind. Wenn man also mit Verboten operieren will, geht das nur bei einer (juristisch grenzwertigen) knallharten(!!) Zero-Tolerance-Politik. Dieser Zug scheint mir aber (schon lange) abgefahren zu sein. Und nachdem die "wirklich guten Gewinne" mit den "wirklich guten Sachen" gemacht werden, glaube ich nicht, dass die Legalisierung (nur) von Cannabis tatsächlich zu einer Entspannung der Situation führen wird. Wenn, müsste man alle Drogen sofort und ohne Umschweife legalisieren, um die Gewinnspannen gegen Null gehen zu lassen. Dann würde nämlich das ganze Geschäft unattraktiv werden, weil z. B. Kokain und Heroin nur noch ganz normale landwirtschaftliche Produkte wären. Und wieviel Gewinn sich mit sowas machen lässt, das fragt mal unsere Bauern...
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  • B. M.
    Aber die Flasche Wodka für 4,99 beim Discounter ist legal und die Kids "blasen" sich für billig Geld den Verstand weg. Und das ist dann besser, weil der Staat und die Alkoh0hllobby daran immenses Geld verdient.
    Wie verlogen ist denn diese Moral?
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    Richtig. Cannabis muss endlich legalisiert werden. Ob das bei der rückwärtsgewandten CSU auch schon angekommen ist? Die Kriminalsierung von Cannabis dient nur noch der organisierten Kriminalität, bindet massiv Polizeikräfte und Gerichte. Statt sich um die Bekämpfung der besonders in Bayern aktiven organisierten Banden zu kümmern, wird lieber der kleine Cannabiskonsument kriminalisiert.
    Die Freigabe von Cannabis freilich muss ordentlich begleitet werden. Wünschenswert ist sicher ein Werbe-Verbot für alle Alkoholprodukte und Cannabis.
    Am besten gelingt das sicher, wenn zunächst der Eigenanbau in begrenztem Umfang 10 Pflänzchen/Kopf erlaubt wird. Eine Cannabisindustrie brauchen wir genausowenig wie die Alkoholindustrie.
    Eine Änderung der krachend gescheiterten CSU Drogenpolitik wird es aber nur geben, wenn die CSU bei den nächsten Wahlen ordentlich in die Schranken gewiesen wird.
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  • B. S.
    soll bei chronischen Krankheiten sehr hilfreich sein als massvoll kontrolliert eingesetztes Therapeutikum.

    Wenn ich es jetzt korrekt auf dem Schirm habe,wurde Cannabis kürzlich in Kalifornien legalisiert.
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  • G. R.
    Richtig so. Und keine polizeiliche Führungskraft kann dann noch sagen "lieber 1000 mal 1 gramm als einmal 1 kg finden, das ist besser für die Statistik!" Das ist die bisherige traurige Realität.
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  • M. S.
    Soso, Lombok. Klingt, als kennen Sie sich aus.
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