Dass die bayerische Schüler-Lernplattform Mebis beim ersten harten Lockdown im März versagt hat, ist verzeihlich. Damals war Corona neu, damals war Distanzunterricht per Lernplattform ein Experiment. Wenn die kultusministerielle Lernplattform aber beim zweiten harten und durchaus absehbaren Lockdown im Dezember erneut zusammenbricht, ist das ein Anlass für Schuldzuweisungen.
Der Minister agiert, als hätte er den zweiten Lockdown nicht vorhersehen können.
Denn wenn das Lern-Tool, das ein Teil der bayerischen Schüler benutzen muss, tagelang blockiert, bedeutet das: Frust für jene Schüler, die lernen wollen, Frust für die hilfewilligen Eltern, Frust für die Lehrer, die eilig versuchen, per Telefon oder App ihre Zöglinge auf andere Lernsysteme umzulenken. Dass ein Teil der Schüler etwa über die kommerzielle Plattform Teams weiterlernt, während die von Mebis abhängigen Kinder Unterricht versäumen, sorgt für einen heterogenen Lernstand. Die Opposition im Landtag hat zu Recht die Frage aufgeworfen, ob nicht –angesichts ungleicher Voraussetzungen – Lehrpläne angepasst werden müssen. Es herrscht aktuell Chaos im bayerischen Bildungssystem - gerade so, als hätte es die neun Monate der Vorbereitung auf einen neuen Lockdown nicht gegeben.
Voller Wut zeigen in den sozialen Netzwerken Lehrer und Eltern mit dem Finger auf den Schuldigen. "Der Piazolo kann es nicht!“, heißt es da. Der Minister indes scheint sich eher als Opfer denn als Versager zu fühlen. "Die umgesetzten Maßnahmen zeigen bislang nicht die Wirkung, die ich mir wünsche. Das ist für mich nicht akzeptabel“, sagte Piazolo zum Mebis-Debakel. Allein diese Aussage lässt an seiner ministeriellen Kompetenz zweifeln.
Nach den zwei Jahren, die der FW-Politiker im Amt ist, sollte er wissen, dass ein Minister bei Problemen automatisch im Focus steht. Gibt es bei Corona-Tests Pannen, muss dafür Gesundheitsminsterin Huml büßen. Fallen Polizisten mit rechtsextremem Sprüchen auf, gerät Innenminister Herrmann in die Kritik. Piazolo kann nicht bei Problemen so tun, als hätten nur Mitarbeiter was verbockt. Er sollte dafür geradestehen. Mindestens aber müsste er Lösungsstrategien finden und Wege klar aufzeigen.
Genau an dieser wegweisenden Klarheit mangelt es Piazolo aber – und zwar grundsätzlich. Mebis selbst zu optimieren, ist nicht sein Job; der Mann hätte aber im Vorfeld durchaus eine Kursänderung befehlen können, etwa nach dem Motto: "Mebis ist nicht sicher, wir setzen auf Teams“. Klarheit hat Piazolo auch vermissen lassen, als er kurz vor diesem Lockdown die Parole "Distanzlernen“ statt "Distanzunterricht“ vorgab, dadurch die Lehrer irritierte und dann doch, unter Söders bösem Blick, umschwenken musste.
Klarheit gab es schon gar nicht in Piazolos heillos verschwurbeltem Hygienekonzept zu Schuljahrsbeginn: seine Vorgaben galten oft als unumsetzbar. Klarheit fehlte zudem bei der Versorgung bedürftiger Kinder mit versprochenen "Endgeräten“ für den Distanzunterricht: Lehrerberichten zufolge sind die Geräte zwar da, landen aber, aufgrund von intransparentem Bürokratismus, zu spät bei den Schülern.
Piazolos Performance war mangelhaft
Was die Schulfamilie aktuell braucht, ist ein fairer und abgespeckter Corona-Lehrplan, der dem Umstand Rechnung trägt, dass der Unterricht jetzt viel holpriger läuft als vor der Pandemie. Außerdem nötig: situationsangepasste Notengebung, situationsangepasste Abschlüsse. Und ein Fahrplan, in dem mehrere Corona-Entwicklungen und entsprechend variable Lernmodelle samt Raumnutzungen kalkuliert sind.
Dass Piazolo das hinkriegt, ist angesichts seiner bisherigen Performance unwahrscheinlich. Als erste Partei hat die FDP seinen Rücktritt gefordert.
Piazolo hätte erstens wirklich Lizenzen beschaffen müssen und zweitens eine klare Konfigurationsanweisung erteilen müssen unter der sein Ministerium aus datenschutzrechtlicher Betrachtung einen Einsatz freigibt. Stattdessen gab es ein vorbehaltliches, vorläufiges Einverständnis. Im Zweifel wäre also der entsprechende Schulleiter Schuld … das ist alles andere als ein klares, entschiedenes Vorgehen. Er lässt einfach seine Untergebenen alleine und wälzt Verantwortung und Entscheidungen auf sie ab …
Die Praxis zeigt übrigens, dass genau die Schulen, die auf Teams gesetzt haben, ungestört Distanzunterricht abhalten. Die anderen leider nicht. Ich ärgere mich deshalb darüber, weil die Schule meiner Kinder ebenfalls den abenteuerlichsten, dilettantischsten Schlingerkurs gefahren hat.
Frohe Weihnachten 🎄.
Jeder wusste, dass und wann die zweite Welle kommen würde.
Aber den Schulen fehlt die Bandbreite, den Lehrern fehlt die Kompetenz, den Lehrplänen und den Leistungsnachweisen fehlt die Flexibilität. Gerade jetzt - in der besten Schulaufgabensaison - hat man den Eindruck, die größte Sorge der Lehrer besteht im Einsammeln von Leistungsnachweisen.
Im Informatikunterricht bekommen die Kids beispielsweise Excel-Funktionen eingetrichtert, die man im Leben nicht braucht – aber wie man mit MS Teams umgeht oder mit dem Smartphone ein A4-Blatt anständig fotografiert, das wissen sie nicht.
Klar, da ist der Piazolo nicht alleine schuld dran – das haben seine bräsigen Vorgänger, Langzeitphlegmatiker und Hochleistungstheoretiker im Ministerium mitverbockt. Aber er hätte jetzt aus dem Quark kommen und ein paar Leute auf Drehzahl bringen müssen – und genau das hat er anscheinend nicht geschafft …
Der Dornröschenschlaf des Schulsystems geht weiter …