
Lieber Stefano,
ich schreibe Ihnen von einem nasskalten Ort nördlich der Alpen. Wie Hunderttausende andere Deutsche bin ich gerade erst aus dem Urlaub in Ihrem wunderbaren Land zurückgekehrt und vermisse schon jetzt den Duft von Pinien und Pizza.
Hier, in den Büros, Werkstätten und Fabriken, erzählen sich die Leute ihre Urlaubserlebnisse, und Italien nimmt dabei immer einen besonderen Platz ein. "Ein Jahr ohne Italien ist ein verlorenes Jahr", sagte erst heute eine Frau zu mir, die schon die nächste Reise plant.
Lieber Stefano, ich schreibe Ihnen stellvertretend für all die freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die mir seit vielen Jahren in Italien begegnen. In keinem anderen Land erfahren meine Frau, mein Hund und ich so viel Gastfreundschaft ohne Erwartung einer Gegenleistung.
Die Reparatur der Autobremsen, die gerade mal anderthalb Stunden dauerte
Sie sind einer dieser Menschen. Sie waren als Vermieter von Liegen und Schirmen der ruhende Pol an einem kleinen Strand auf Elba. Mit unfehlbarer Sicherheit haben Sie beides so zueinander postiert, dass man exakt dann im Schatten lag, wenn die Sonne am heißesten war. Von Ihnen konnte man die zuverlässigsten Wetter- und Windvorhersagen bekommen und - wenn nötig - auch lindernde Tropfen gegen Quallen-Verätzungen. Kostenlos, selbstverständlich.
Das Schöne: Sie sind längst nicht der einzige, an den ich mich mit Dankbarkeit und Zuneigung erinnere. Da ist zum Beispiel der Chef der kleinen Autowerkstatt in den Hügeln des Chianti, der nach der Inspektion unserer völlig heruntergefahrenen Bremsen meinte, die Reparatur werde aber dauern. Auf meine bange Nachfrage sagte er: "Naja, anderthalb Stunden werden wir schon brauchen. Ihr könnt so lange da drüben in der Bar einen Kaffee trinken."
Oder die Dame an der Museumskasse in Perugia, die mich und den Hund umstandslos hereinwinkte, um ein 500 Jahre altes Fresko zu bewundern. Oder die Polizistin, die uns mitten im Trubel des Straßenmusikfestivals in Ferrara per Funk ein Taxi rief, weil meine Frau in ihren neuen hohen Schuhen kaum mehr laufen konnte.

Sie, lieber Stefano, wird das nicht wundern in einem Land, das völlig zum Erliegen käme, würden die Menschen einander nicht permanent aushelfen. Beim vermeintlichen Effizienzweltmeister Deutschland würde ich das lieber nicht probieren.
Seit Goethe sind die Deutschen ganz vernarrt in Italien
Seit ein gewisser Goethe ein Gedicht über blühende Zitronen geschrieben hat, sind die Deutschen ganz vernarrt in Italien. Jedenfalls in den Teil, den sie im Urlaub als paradiesisch wahrnehmen – nicht zuletzt dank des Einsatzes von unzähligen Menschen wie Ihnen. Die anderen Teile blenden viele aus. Und blicken dafür im Rest des Jahres herab auf Italien, das ewig bankrotte Schuldenland. Italien, das Land der Ineffizienz, der Mafia und der Korruption. Und inzwischen auch das Land, in dem eine Neofaschistin Regierungschefin ist.
Für sehr viele Italienerinnen und Italiener ist das Leben in ihrem Land alles andere als paradiesisch. Die Reallöhne sinken seit Jahrzehnten. Die Lebenshaltungskosten in den Städten explodieren, und die Jugendarbeitslosigkeit von mindestens 20 Prozent (Deutschland 6,6 Prozent) ist nur eines von vielen Dauerproblemen.
Kein Wunder, dass das Vertrauen in Politik und Verwaltung in Italien minimal ist
Nach dem Zusammenbruch des völlig korrupten Parteiensystems Anfang der 1990er Jahre bekam Italien zur Belohnung mit Silvio Berlusconi einen Ministerpräsidenten, der sein Amt vor allem dazu nutzte, um seine Geschäfte vor dem Zugriff der Justiz zu schützen. Kein Wunder, dass das Vertrauen in Politik und Verwaltung minimal ist.
Und trotzdem bleiben Sie, lieber Stefano, und Ihre Landsleute freundlich und machen das Beste draus. Während sich Deutschland in kollektive Depression stürzt, sobald das kleinste Problemchen am Horizont erscheint, bewältigt Italien das Chaos mit Pragmatismus, der Kunst des Provisoriums, vor allem aber mit Humor. So lässt man zwar durchaus die gelegentliche Philippika zum Beispiel über das ewige Thema Müll los. Wendet sich dann aber lieber wieder dem gekonnten Spott zu.
Vielleicht sollte Deutschland häufiger von Italienerinnen und Italienern lernen
Und doch, lieber Stefano, wer zuverlässige Schnellzüge oder clevere Tariflösungen im öffentlichen Nahverkehr erleben will, muss zu Ihnen nach Italien kommen. Eine Fahrt mit der Frecciarossa, dem roten Pfeil, von Florenz nach Venedig dauert gerade mal Zweieinviertelstunden und ist reine Erholung. Und wer in Neapel U-Bahn fährt, muss sich nicht über kryptische Tarifsysteme den Kopf zerbrechen - man hält einfach zu Fahrtbeginn und Fahrtende die Kreditkarte an einen Leser, fertig.
Jahrelang hat Deutschland versucht, Italien zu belehren, vor allem während der Eurokrise. Vielleicht aber wäre es besser, Deutschland würde von Italien lernen. Nicht von der Politik. Aber von Menschen wie Ihnen, lieber Stefano.
Mit dankbaren Grüßen,
Mathias Wiedemann
Redakteur
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meine Frau hat einen ;-)
- Strandkorbmafia, die überteuert und monopolistisch agiert (daher schreitet die EU ein)
- Diebstähle an Touristen nehmen zu!
- Eintrittspreise steigen erheblich und man ist nicht mehr flexibel bzw kundenfreundlich wenn man eine Uhrzeit verschieben möchte.
- Speisen werden immer teurer
- Portionen kleiner
- und vor allem die Flasche Wein explodiert im Preis obwohl die Produktionskosten nur einen Bruchteil des Frankenweins betragen
- und zum Eis. In Italian passt meiner Meinung nach das gerade noch , aber bei uns ist es absolut überteuert und steht in keinem Verhältnis was eine Kugel kostet ( egal ob in WÜ, AB, SW oder KG).
Die Eis am Tisch werden bei uns auch kleiner, gleichzeitig aber teurer jedes Jahr und die Qualität und Service schlechter.
Nix Bella Ihalia mehr....
Außer, sie möchten Deutschland schlechtreden, und trauen sich nicht das direkt zu schreiben.