Sehr geehrter Herr Ludewig,
was für ein Rummel um die neue Kassenbon-Pflicht in Deutschland. Seit Jahresbeginn müssen Verkäufer dem Kunden immer einen ausgedruckten Bon in die Hand drücken. Schummeleien sollen so vermieden oder besser vom Fiskus erkannt werden.
Das ist die blödeste Form von Bürokratie. Verzeihen Sie mir die drastische Wortwahl, aber ich kann nicht anders. So verdirbt man den Spaß am Unternehmertum, so kippt man Galle in die Suppe des Einzelhandels. Schon klar, Herr Ludewig: Sie können gar nichts für die vom Gesetzgeber aufgedrückte Kassenbonpflicht. Aber Sie könnten Ihre Stimme dagegen erheben.
Bislang ist es in Mainfranken (zu) ruhig geblieben
Von ein paar explizit gefragten Händlern einmal abgesehen, hat in Mainfranken bislang kaum jemand in der Öffentlichkeit Wind gemacht. Ihr Handelsverband bezog zwar schon vor Wochen Position gegen die Bonpflicht - aber auf jene trockene Weise, die typisch ist für solche an die Politik gerichteten Statements. Sagen Sie doch auch mal etwas zu dem Unsinn, Herr Ludewig. Seien Sie pfiffiger in der Reaktion als Ihr Bundesverband.
Sie und die Händler in Ihrem Verband sollten viel lauter sein, sollten mehr übers Thema diskutieren. Wobei wahrscheinlich die Befürworter der Bonpflicht so rar sind, dass diese Debatten schnell zu Ende wären. Behaupte ich einfach mal. Sie sollten dem Fiskus paket- oder eimerweise die erhaltenen Kassenzettel vor die Tür kippen. Herr Ludewig, Sie merken: Ich könnte mich aufregen. Nein, ich rege mich auf. Sie sollten es auch tun.
Bon für Brötchen und Kaugummi - echt jetzt?
Sie sind Modehändler und es von jeher gewöhnt, Ihren Kunden Kassenzettel auszuhändigen. Das ist in Ihrem Metier so üblich. Ähnlich, wie wenn ich einen neuen Fernseher oder ein neues Sofa kaufe. Der Bon ist dann ja schon deshalb wichtig, weil ich ihn für den Umtausch brauche.
Aber was beim Kaugummi, Eis oder Leberkäsbrötchen? Sie könnten ja einen mainfränkischen Flashmob anzetteln: Tausende Menschen kaufen in den Bäckereien einen Kipf, beißen rein, finden ihn nicht gut, gehen zurück in die Bäckerei und fordern mit Hilfe des Kassenbons den Umtausch. So führt man Unsinn ad absurdum. Was halten Sie von der Idee, Herr Ludewig?
Vielleicht wäre ein Flashmob sinnvoll
Wenn Sie das mit dem Flashmob machen, könnten Sie freilich auf jene clevere Bäckereifachverkäuferin stoßen, der ich kürzlich in ihrem Laden bei Würzburg gegenüberstand. "Wollen Sie, dass ich den Kassenbon ausdrucke?", kam sie meiner mit Zynismus gesalzenen Reaktion zuvor. Meine Antwort war klar, ich verließ zufrieden die Bäckerei.
Wie erwähnt: Die Bonpflicht ist ein Würgegriff für so manchen Händler. Das sieht auch der Bundesverband der Regionalbewegung in Feuchtwangen so, der vor wenigen Tagen die neue Regelung als einen weiteren "Sargnagel für das regionale Lebensmittelhandwerk" bezeichnete. Recht hat der Verband auch, wenn er behauptet, dass die Bonpflicht ein künstlich erzeugtes Problem vor allem für kleine Unternehmen ist.
Unternehmer klagen jetzt schon über zu viel Bürokratie
Ich komme häufig in Kontakt mit Unternehmern der Region. Dabei höre ich sehr oft, wie erdrückend für sie die Bürokratie in diesem Land sei. Als gäbe es nicht schon genügend Herausforderungen: Fachkräftemangel, Unternehmensnachfolge, Digitalisierung, Konjukturflaute.
Wenn ich heute Abend vielleicht in die Kneipe gehe, dann will ich keinen Bon haben. Wie doof wäre das denn? Ich will vielmehr den Bierdeckel haben, auf dem der Wirt mit Kugelschreiber die Zahl meiner bestellten Biere mit Strichen festhält. Ich verspreche Ihnen, Herr Ludewig, dem Wirt und allen, die es hören wollen: Ich werde diesen Bierdeckel nicht heimlich gegen einen für mich günstigeren tauschen. Nein, ich werde nicht schummeln. Und ich versichere Ihnen: Würde mein Wirt den Fiskus umgehen wollen, er wüsste wie. Bonpflicht hin oder her.
Von Biergärten und Sondermüll
Wenn ich genauer über das Bier nachdenke, graut es mir schon vor dem Sommer. Man stelle sich vor: Ein erfrischendes Lüftchen weht unter der Kastanie des Biergartens - und überall fliegen plötzlich diese Kassenzettel herum. Wenn sie nicht in den Bierpfützen auf den Tischen vor sich hin siffen oder sich im Baum verheddert haben.
Was dort bis zum Herbst hängenbleibt, vermischt sich später mit dem Laub am Boden. Nächstes Problem somit: Das Laub ist wegen der Zettel kein Bio-Abfall mehr. Wohl eher Sondermüll.
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Verzeihung, ich werde albern. Bei der Bonpflicht passt das aber irgendwie, denn sie ist genau das. Ich habe hier bewusst nichts über die Kassenbons aus giftigem Thermopapier geschrieben. Die Bonpflicht allein reicht schon, um mit dem Kopf zu schütteln. Tun Sie es auch, Herr Ludewig. Regen Sie sich auf. Laut.
Mit freundlichen Grüßen - ohne Bon,
Jürgen Haug-Peichl
Chefreporter Wirtschaft
Hätte er dieses drastische, aber zutreffende Wort benutzt, hätte es diesen Unsinn nicht verz.... dürfen - und die Seite 2 wäre leer geblieben, oder was?
Regen Sie sich nicht über den Bon auf sondern über die Milliarden - nur in Deutschland - weggeworfenen To Go Becher auf.
Regen Sie sich nicht über den Bon auf sondern freuen sich, die Hälfte der EU-Länder hat den Bon schon eingeführt und Mehreinnahmen verzeichnet.
Regen Sie sich nicht über den Bon auf sondern ängern Sie sich das nicht alle so ehrlich sind wie Sie, ihre Bäckereifachverkäuferin und ihr Wirt.
Ist ihnen etwa entgangen, dass das Gesetz bereits vor 3 Jahren verabschiedet wurde; da wäre wahrlich genug Zeit gewesen, "sich aufzuregen". Aber dazu habe ich in Ihrem Blatt bisher nix gelesen.
Fazit: Dass Sie das heute tun betrachte ich deshhalb an unehrlich und in bedenklichem Masse populistisch und nur den vermeintlichen mainstream bedienend.
Im übrigen habe ich festgestellt, dass wesentlich mehr Bürger, als Sie sich möglicherweise vorzustellend in der Lage sind (oder das wollen) dieses Gesetz durchaus für angebracht finden, wenn Sie es mal nicht nur aus der Sicht des Handels betrachten.
Es gäbe wahrliches wichtigeres in diesem Lande, worüber man zum Aufregen aufrufen könnte, ja sogar müsste; aber das passt halt scheinbar nicht auf Seite 2 einer sich unabhängig gebenden Provinzzeitung.