Sehr geehrter Herr Könicke,
an diesem Sonntagnachmittag endet die Mainfranken-Messe. Bis dahin ist noch Zeit, die 100 000 zu erreichen. Als Chef der veranstaltenden Messegesellschaft AFAG werden Sie mit Argusaugen auf diese Zahl schauen, das unterstelle ich Ihnen. Denn: 100 000 Besucher nach gut einer Woche, das ist für die Mainfranken-Messe in den vergangenen Jahren zur Messlatte geworden.
Ich schiebe das mit den 100 000 mal beiseite. Selbst wenn es heuer weniger Besucher werden sollten: Für die Region ist die Mainfranken-Messe ein Muss. Sie gehört zu ihr wie Federweißer oder Plootz.
Ich bekenne: Ich hab die Schau liebgewonnen. Mit all ihren Gemüsehobel-Verkäufern, die jedes Klischee erfüllen. Mit ihrem immer wieder faszinierenden Riesenaquarium des Bezirks Unterfranken. Mit der Behaglichkeit von Landfrauen, Bauernverband oder Trachtenmode. Und mit ihrem unerschütterlichen Zweijahresrhythmus.
Ja, auf die Mainfranken-Messe ist Verlass. Aber mal ehrlich, Herr Könicke: Steckt da nicht auch eine Gefahr drin? Die Gefahr, dass sich die Schau doch irgendwann selbst erledigt? Dass sie daherkommt wie jenes jahrelang mit Liebe gehütete Hochzeitskleid im Schrank, bei dem man plötzlich spürt, dass es doch nicht mehr zum Geschmack der Zeit passt?
Was bringt die Mainfranken-Messe der regionalen Wirtschaft?
100 000 Besucher oder nicht: Was bringt die Messe noch der mainfränkischen Wirtschaft? In Branchenkreisen ist klar, dass das sogenannte Nach-Messe-Geschäft grundsätzlich ein bedeutender Indikator ist. Also: Welche Umsätze werden ab Sonntag noch in Folge der Messe gemacht, etwa aufgrund von Bestellungen? Seit Jahren gibt es von Ihrer AFAG, Herr Könicke, keine Zahlen dazu. Warum eigentlich?
Diese Zahlen wären doch ein wichtiger Ansatz bei der Frage, wie es mit der Schau weitergehen kann. Vielleicht kommt dabei ja heraus, dass Sie zum Beispiel den Western-Saloon streichen sollten zugunsten einer Halle mit reduzierter Standgebühr, in der sich mainfränkische Start-ups präsentieren?
Zum Beispiel der Western-Saloon: Überflüssig?
Apropos Western-Saloon. Er ist ein Sinnbild dafür, wie schal die Messe an manchen Stellen geworden ist. Ich kenne die Ur-Version des Saloons: Vor Jahren lieferten sich "Cowboys" wilde Schau-Schießereien und -Prügeleien. Pfiffige Unterhaltung, immerhin. Das ist vorbei. Jetzt ist der Saloon nur noch ein müder Fremdkörper mit langer Theke, richtig viel los ist dort nicht mehr.
Noch ein Beispiel: das Freigelände, wo vor allem Baumaschinen, Wohnmobile und ähnliche großvolumige Geräte stehen. Die Anbieter sind in der Mehrzahl nicht aus Mainfranken. Das wiederum wirft ein Licht auf die Ausstellerstruktur. Der Messedachverband Auma hat mit Blick auf die Mainfranken-Messe ermittelt, dass sich die Zahl der Aussteller zum Beispiel aus dem Ausland zwischen 2013 und 2017 um zwei Drittel auf 51 erhöht hat.
Diese 51 machten zuletzt zwar nur einen kleinen Teil der insgesamt 600 Aussteller aus. Aber rechnet man die vielen, freilich nicht näher bezifferten Anbieter aus nicht-mainfränkischen Teilen Deutschlands hinzu, wage ich die These: Die Messe ist nur noch bedingt ein Schaufenster der regionalen Wirtschaft.
Sie sollte es aber sein. Als ich in den vergangenen Tagen über die Messe ging, verfestigte sich meine Befürchtung: Sie will alles auf einmal, will allen gerecht werden. Dem Schnäppchenjäger ebenso wie dem Rat suchenden Häuslesanierer, der rezeptfreudigen Hausfrau, den zum Rundgang verdonnerten Schulklassen und den entspannten Schlenderern, die oft nur gucken, aber nichts kaufen. Vielleicht deswegen nicht, weil sie es längst schon dort getan haben, wo heute das große Geschäft gemacht wird: im Internet.
Dachverband: Mit was Regionalmessen rechnen müssen
Jener Dachverband Auma hat herausgefunden, dass Regionalmessen wie jene in Würzburg in der Tendenz einen Besucherrückgang verkraften müssen. Das Messewesen in Deutschland boomt zwar, allerdings erheblich getragen von reinen Fachmessen. Immerhin hat Auma-Sprecher Harald Kötter jüngst der Mainfranken-Messe bescheinigt, "zu den starken Regionalmessen" im Land zu gehören.
Sehr geehrter Herr Könicke, das werden Sie gerne gehört haben. Dennoch, passen Sie bitte gut auf die Mainfranken-Messe auf. Ziehen Sie bitte jenen Wir-wollen-es-allen-recht-machen-Spagat nicht bis zur Schmerzgrenze durch. Nehmen Sie der Mainfranken-Messe allmählich das Biedere und verpassen Sie ihr ein prägnanteres Outfit. Denn eines ist sicher: Gäbe es die Messe eines Tages nicht mehr, mir würde etwas fehlen. Und gewiss nicht nur mir.
Herzlichst, Ihr Jürgen Haug-Peichl (Chefreporter Wirtschaft)
Bei der Rentnerrallye mache ich nicht mit.
das sind sehr interessante Aspekte, die Sie da einwerfen. In der Tat, die Unternehmen in der Region sollten sich sicherlich mehr bewusst machen, welches Potenzial eine Mainfranken-Messe für sie haben kann. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf das Thema, dass die AFAG nach Ihren Schilderungen die Betriebe offenbar mit Engelszungen zu einem Messeauftritt bewegen muss. Bin gespannt, was Herr Könicke auf diesen Samstagsbrief antwortet.
Ihnen ein schönes Wochenende - und vielleicht einen anregenden Besuch auf der Messe.
Jürgen Haug-Peichl
Chefreporter Wirtschaft
Main-Post
97084 Würzburg