Lieber Herr Friedl,
bei Ihnen blüht also auch was. Anfang der Woche haben Sie's auf Facebook gepostet und fröhlich dazugeschrieben: "Unsere erste Sonnenblume ist aufgegangen!" Na dann, Glückwunsch. Diese anderen Büschel da, um Ihre Sonnenblume herum – ist das ein Stück Blühstreifen?
Immerhin, Ihre erste Sonnenblume strahlte rechtzeitig zum Jahrestag. Am 17. Juli 2019 hat der Bayerische Landtag das Volksbegehren Artenvielfalt angenommen und mitsamt Maßnahmenkatalog ein Begleitgesetz dazu verabschiedet. Nach den über 1,7 Millionen Unterschriften von 18 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern hatten Sie die schwarz-orange Staatsregierung ja mächtig unter Zugzwang gesetzt. Und man sah's auch, dass das mit dem Arten- und Naturschutz plötzlich schick war überall im Land.
An den Kreisverkehren und im Straßengraben durften Wilde Möhre und Natternkopf, Giersch und Distel wachsen. Und wer was auf sich hielt, streute im Garten ein Tütchen Bienenweidesamen aus, züchtete Borretsch und Malve auf dem Balkon – oder übernahm eine Patenschaft auf dem nächsten Acker, damit der Landwirt Blumen statt Mais blühen ließ.
Ein Jahr später? Das Interesse an Blühpatenschaften hat spürbar nachgelassen, berichten Landwirte. Aber abgesehen davon blüht es in Bayern – Ihre kleine Sonnenblume mal außer Acht gelassen – noch immer. Kommunale Flächen zum Beispiel werden sichtbar seltener gemäht. Ja, es hat sich was getan für die Insekten und die Vielfalt der Arten. Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz sagt gar, das Volksbegehren hat Bayern schöner gemacht.
Blühflächen, Naturwald, Berater für den Wildlebensraum: Bewegung, die selbst die Grünen anerkennen
Als Ihr Fraktionschef Ludwig Hartmann mit Agnes Becker von der ÖDP jetzt für den Trägerkreis des Volksbegehrens Bilanz zogen, kamen sie um Lob für die Staatsregierung nicht herum. Mehr Blühflächen, vier neue Naturwald-Gebiete mit 5000 Hektar, höhere Streuobstförderung im Vertragsnaturschutzprogamm, neue Wildlebensraumberater – da gibt es Bewegung, die selbst Sie, die Grünen, anerkennen.
Das fällt gar nicht so leicht, oder? Zu loben? Ihr Fraktionschef nennt den Ministerpräsidenten, der sich gerne grün gibt, jedenfalls einen "Kulissenschieber". Der überall dort eine Traumkulisse schaffe, wo die Menschen und Medien gerade hinschauten. Im vergangenen Jahr eben auf die Bienen und Schmetterlinge, die Wiesen und Felder.
Sie, also die Mitorganisatoren des erfolgreichsten Volksbegehrens in der Geschichte des Freistaats, misstrauen Markus Söder und seiner Mannschaft. So sehr, dass sie die Umsetzung und Auswirkungen der neuen Gesetze wissenschaftlich beobachten und prüfen lassen. Die ersten Ergebnisse des Monitorings nach einem Jahr? Sagen wir so: Gut, wenn Sie weiter kritisch hinschauen!
Vielen, die da im vergangenen Jahr fürs Retten der Bienen unterschrieben haben, reicht das gute Gewissen, wenn sie den Mähroboter ausgeschaltet lassen, am aufgehübschten Straßenbegleitstreifen vorbeiradeln und beim Einkaufen die Bioäpfel nehmen. Dem Mittelspecht, dem Fetthennenbläuling und dem Laubfrosch genügt das nicht. Der Anteil von Grünlandflächen, die später gemäht werden, sollte in diesem Jahr zum Beispiel bei zehn Prozent liegen. Das wird, zeigt das Monitoring, wohl nicht erreicht.
Gewässerschutzstreifen? Erst mal wird kartiert . . .
Den Landwirten, die zuletzt so in der Kritik und im Fokus standen, genügt die schöne Kulisse auch nicht. Für die Gewässerrandstreifen – früher freiwillig – bekommen die Landwirte plötzlich keine Förderung über das Kulturlandschaftsprogramm des Landwirtschaftsministeriums mehr. Sondern es gibt, weil direkt an Bach und Teich Pestizide und Düngemittel endlich verboten sind, Geld jetzt vom Umweltministerium – aber nur noch halb so viel. Offenbar wird jetzt getrickst mit Definitionen und zahlreiche Ausnahmen, sodass nicht alle Gewässer einen Schutzstreifen bekommen und erst mal drei Jahre lang kartiert wird.
Was ist mit Biolebensmitteln in den staatlichen Kantinen? Wieso hat die Staatsregierung die Mindeststammhöhe, damit alte Streuobstbäume geschützt und erhalten werden müssen, absurd von 1,60 Metern auf 1,80 heraufgesetzt?
Noch ein bisschen Opposition nötig zum Schutz der Natur
Lieber Herr Friedl, Sie haben schon noch ein bisschen Oppositionsarbeit vor sich, damit nicht nur im Umweltministerium, sondern auch im Landwirtschafts-, im Bau- und im Finanzministerium naturverträgliche und insektenfreundliche Politik gemacht wird, die nicht nur schnell schön aussieht, sondern langfristig wirkt.
Klar, nach einem Jahr lassen sich nicht mehr als die Bemühungen messen. Was Sie mit dem Volksbegehren wirklich erreicht haben, sehen wir in ein paar Jahren erst. Bis dahin – beobachten und kritisieren Sie weiter! Und vielleicht blüht bei Ihnen daheim dann eine ganze Sonnenblumenwiese.
Mit herzlichen Grüßen,
Alice Natter, Redakteurin
Herr Friedl ist MdL, Stadtrat, Fraktionsvorsitzender, Mitglied in 7 Ausschüssen, Vertreter in 18 Ausschüssen, GRÜNEN-Vorstand usw. Hauptberuflich ist er MdL, nebenberuflich Stadtrat und Fraktionsvorsitzender. Für alle diese Posten bekommt er Geld, denn er muss ja von was leben. Ist in Ordnung. Aber wäre es nicht mal an der Zeit, eine Positivliste zu machen, was er bisher als MdL für Würzburg getan und vor allem erreicht hat?
Es war Frau Becker von der ÖDP, die diese löbliche Initiative ins Leben rief, die Grünen haben sie nur noch sozusagen okkupiert und ihr einen parteipolitischen ausgeschlachtet, während die eigentlichen Initiatoren ins Abseits gedrängt wurden....
Ansonsten ist von unserem Abgeordneten aus München aber kaum (noch?) was zu hören; soll er dehalb hier gar etwas "gepampert" werden?
https://m.mainpost.de/ueberregional/meinung/dersamstagsbrief/Volksbegehren-Frau-Becker-bleiben-Sie-hart;art507163,10179193
Grüße, A. Natter