Lieber Sebastian Schuppan,
die 1:5-Schlappe am Mittwoch bei Viktoria Köln war ein Dämpfer. Aber nur ein kleiner. Der Fan in mir sagt: Das eine zum Aufstieg in die zweite Bundesliga noch fehlende Pünktchen, das werden die Würzburger Kickers an diesem Samstag gegen Halle schon holen. Ihr schafft das.
Klar, so ein Duell in der Relegation gegen den Club aus Nürnberg, den Drittletzten aus der zweiten Liga, das hätte schon was. Aber für die Nerven vieler Tausend Fans in der Region wäre es besser, wenn ihr uns das erspart.
Ich bin auch deshalb zuversichtlich, weil die Mannschaft von Ihnen, von einem so aufstiegserfahrenen Kapitän angeführt wird. Mit Paderborn, Dresden und Bielefeld sind Sie schon in die zweite Liga aufgerückt, als junger Kerl mit Cottbus sogar in die Bundesliga. Warum also sollte ein Aufstieg nicht ein fünftes Mal klappen – mit den Kickers.
Ich freue mich auf Zweitliga-Fußball in Würzburg. So wie bis vor drei Jahren, so wie in den 70er Jahren. Sie sehen, ich bin schon etwas älter. Und ich muss hier ein Geständnis machen: Schon seit der Schulzeit in Würzburg bin ich Fan. Damals allerdings der Blauen. Beim FV04, dem Lokalrivalen der Rothosen, stand ich als Teenager auf den Rängen, im Zweifel auch bei minus 15 Grad. Ich war dabei, als Lothar "Emma" Emmerich und Hans-Otto Hiestermann hier stürmten, als Heribert Müller das "Tor des Monats" schoss. Die Kickers, die fand ich eher bäh. Im Stadion am Dallenberg war ich nur einmal, am 5. November 1977, beim ersten Würzburger Profifußball-Lokalderby. Endstand 2:2. Im Rückspiel gewannen die Unseren mit 4:0. Für die Rothosen war nach einem Jahr zweite Liga wieder Schluss, für die Blauen ging es etwas später bergab, dafür dann umso steiler.
Fußball als weicher Standortfaktor
Fußball in Würzburg, das war danach, über 30 Jahre lang, eine mehr oder weniger große Leidensgeschichte. Zwischenzeitlich im Saaletal und in der Rhön zuhause, war es mir aber auch wurscht. Lieber habe ich in Bad Neustadt Dritte-Liga-Handball geguckt.
In den 00er Jahren zurück in Würzburg, hat er mich dann doch wieder interessiert, der Fußball in der Stadt. Aber Blau gegen Rot, die alte Rivalität, die habe ich nicht mehr verstanden. Warum machen Kickers und der 04-Nachfolger WFV nicht gemeinsame Sache? Eine Profi-Mannschaft, die stünde der Region gut an, war ich sicher. So als weicher Standortfaktor. Es waren die Blauen, die nicht so recht zogen.
Dritte Liga, das ist schon auch was
Bei den Kickers hingegen waren es einige mutige Macher (und Geldgeber) um den langjährigen Vorsitzenden Michael Schlagbauer, die erst das Stadion halbwegs ertüchtigten, dann die Mannschaft. Der Rest ist bekannt: Der sensationelle Aufstieg von der sechsten in die zweite Liga innerhalb von vier Jahren. Und wäre dieses blöde Eigentor gegen Bielefeld nicht gewesen, dann hätte man 2017 die Klasse gehalten. Aber sind wir nicht undankbar: Dritte Liga, das ist schon auch was. Ich bin jedenfalls gerne dabei – natürlich auf dem Stehplatz.
Und dann diese Saison: Unter Trainer Michael Schiele habt ihr spielerisch zugelegt, so viele Tore wie nie zuvor geschossen und einen sehr ansehnlichen Fußball gespielt. Mein Highlight war das Pokalspiel gegen den Erstligisten Hoffenheim, das erst im Elfmeterschießen verloren ging. Aber auch die letzten Heimspiele vor Corona, gegen Ingolstadt und Mannheim, die haben mir als Zuschauer und – ich oute mich da mittlerweile gern – als Kickers-Fan Spaß gemacht.
Abschreckende Bilder aus dem Biergarten
Schließlich habt ihr in den Geisterspielen noch eine Schippe draufgelegt. Leichtfüßig sah das häufig aus. Selbst das eigenartige Herumeiern der Vereinsspitze um die Vertragsverlängerung des Trainers hat euch nicht beeindruckt (oder wisst ihr mehr?), genauso wenig die noch immer nicht geklärte Frage eines Stadionausbaus. Ich finde, die zweite Liga, die hat sich die Mannschaft verdient. Und die Funktionäre können ja nachlegen.
Bleibt mir die Frage, wie und wo ich Ihnen und den Kickers heute Nachmittag die Daumen drücken soll. Schade, dass der BR lieber die Begegnung Ingolstadt gegen 1860 live überträgt. Pay-TV habe ich nicht. Und Public Viewing? Ganz ehrlich, die Bilder vom Mittwoch, wo die Fans eng an eng im Biergarten sitzen, als sei Corona schon vorbei, die haben mich abgeschreckt. Ich bin da lieber vorsichtig. Und so wird's wohl ein ruhiger Nachmittag auf der Terrasse, vorm Liveticker der Kollegen. Jubelschreie und Freudentränen inklusive.
Mit sportlichen Grüßen
Michael Czygan