Liebe Frau Stamm, 23 Grad, ein paar kleine Wölkchen, Sonnenschein – das Wetter in Ottobrunn soll schön werden an diesem Wochenende, haben Sie schon was vor? Für den Landkreis Bamberg ist auch viel Sonne angekündigt, am Sonntag soll es sogar noch einen Tick wärmer werden als bei Ihnen im Süden, bei München.
Wenn alles „normal“ gelaufen wäre, wenn Sie nicht mutig gewesen wären im vergangenen Jahr, dann wären Sie an diesem Wochenende sicher in Hirschaid. Aber Sie würden dann nicht an der Regnitz spazieren gehen und den Frühling genießen, sondern viele Stunden drinnen im Energiepark in einem Konferenzzentrum sitzen, 440 Änderungsanträge durchkauen, streiten, Debatten ertragen.
Was machen Sie an diesem Wochenende? Ihre Homepage gibt keine aktuellen Termine an. Ob Sie es bedauern, dass Sie nicht mit Ihren ehemaligen Parteikollegen auf der außerordentlichen Landesdelegiertenkonferenz das Landtagswahlprogramm verabschieden? Ob Sie Ihren Austritt bei den Grünen bedauern? Vielleicht schon oft bedauert haben?
Nach außen klingen Sie unverdrossen. Unermüdlich. Angriffslustig wie vorwurfsvoll. Auf Facebook haben Sie am Freitag einen Beitrag geteilt zu Äußerungen von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Die hatte im Interview mit dem NDR den Kreuzaufhänger Markus Söder kritisiert und von oben herab eine Koalition mit der CSU in Bayern „Stand jetzt“ ausgeschlossen. Ludwig Hartmann, der Grünen-Fraktionschef im Landtag, grüßte Richtung Berlin: „Nichts für ungut, aber das entscheiden wir schon selbst, liebe Katrin.“ So was können Sie nicht unkommentiert lassen. Also posteten Sie. „Weder das eine noch das andere ist glaubwürdig.“
Grüne Politik in Bayern, das ist „mehr oder weniger lauter Protest gegen die Politik der CSU“, schreiben Sie, mit einem „zurecht“ in Klammern. Und dann rufen Sie Ihren ehemaligen Parteikollegen nach. „Aber wie kann man dann mit so einer Partei koalieren wollen? Es geht auch darum, Politik wieder glaubwürdig zu machen.“
Glaubwürdigkeit. Das war Ihr Hauptargument, Ihr großer Beweggrund, als Sie im März vor einem Jahr für die Öffentlichkeit überraschend und ein bisschen spektakulär bei den Grünen ausgetreten sind. Sie hielten „Ihrer“ Partei damals bereits vor, „schon sehr lange auf eine potenzielle, schwarz-grüne Koalition in Bayern“ hinzuarbeiten. Wo doch gleichzeitig auf grünen Parteitagen „immer nur auf die CSU eingedroschen wurde, mir oft auch zu platt“. Dabei hatten Sie in einem großen Interview mit unserer Redaktion ein paar Monate zuvor – in Ihrer Geburtsstadt Würzburg, an der Alten Mainbrücke, zusammen mit Ihrer Mutter – noch gesagt: „Ich bin bei den Grünen daheim.“
Von politischer Heimat wollten Sie nicht sprechen, weil Ihnen der Begriff grundsätzlich suspekt ist, „zu starr, zu exklusiv“. Aber ein Daheim war die Partei doch über viele, viele Jahre. Und man hätte sich von außen betrachtet ja auch gut vorstellen können, dass Sie für die Grünen bei einer Landtagswahl mal weiter oben antreten als auf Listenplatz neun oder sieben. Dass Sie wieder bei einer Wahl als grüne (Spitzen)Kandidatin antreten – so wie 2012 bei der Landratswahl in Ansbach.
Aber Sie werden an diesem Samstag und Sonntag nicht in Hirschaid sein, werden nicht das Wahlprogramm der Partei verabschieden, die bei der letzten Sonntagsfrage gerade zur zweitstärksten Kraft im Freistaat geworden ist mit stabilen 14 Prozent. Eine sichere Bank. Ihre alten Parteifreunde – erlauben Sie den Begriff – scheinen Einiges richtig zu machen. Bei der Frage nach der Zufriedenheit erreichen die Grünen im BayernTrend von Infratest 44 Prozent.
Sie aber sitzen jetzt alleine – auch einsam? – im Landtag. Fraktionslos. Sind die Einzelkämpferin, die Sie vielleicht immer schon waren. Sie reden weiter im Plenum, verschicken Pressemitteilungen, veranstalten Pressekonferenzen, zu denen – so berichten unsere Münchner Korrespondenten – (fast) keiner mehr kommt.
Ihren Ausstieg vor einem Jahr aus gesinnungsethischen Motiven kann man konsequent, mutig, überzeugend nennen. Oder naiv. Einfach so eine neue Bewegung beginnen zu wollen, die tatsächlich verändern kann – man kann sich so was schön lügen. Ihre neue Partei heißt „mut“, auch deshalb verlässt der Sie wohl nicht.
Also machen Sie weiter. Sammeln Unterschriften gegen das Psychiatrie-Gesetz. Planen in Karlsruhe eine Klage gegen das Polizeiaufgabengesetz. Am Donnerstag werden Sie in München bei der Großdemonstration dagegen sicher in der erste Reihe stehen.
Was die Landtagswahl betrifft: Der große Termin für „mut“ ist der 2. August, 18 Uhr. Bis dann müssen bei den Wahlleitern die Wahlkreisvorschläge mit den bayernweit benötigten 8000 Unterstützungsunterschriften fehlerfrei auf dem Tisch liegen. Schon der Demokratie und Vielfalt wegen: Alles Gute dafür!
Aber erst einmal herzlich ein schönes Wochenende. Wo immer Sie sind.
Beste Grüße, Alice Natter
Oder was war noch mal die Aussage Ihres Artikels, Frau Natter?
Bei der LTW wünsche ich dieser Liste dann 4,99%. Die Stimmen zersplittern dann zwischen den Parteien im linken Spektrum, insbesondere den Grünen. Ein Freier bzw. Schwarzer interessiert sich sowieso nicht fuer diese Liste.
Ach ja. Kann man auch zwei Parteien unterstützen ? Dann wuerde ich auch fuer die Veganer von Frau Ruetting unterschreiben
Was bleibt: Wieder einmal verschenkter Platz im print; da könnte auch was wichtiges und die zahlenden Leser interessierenden stehen...
sollten sie besser hinterfragen warum wir die alte stamm nicht nicht von der
Politik kos werden
die junge hat meine sympathie
Damit gehören Sie in Bayern zu einer unbedeutenden Minderheit.
Fräulein Stamm würde noch nicht mal die 0,5% Hürde schaffen
100%....und genauso 100% wiord Sie das niemals zugeben.
Es gibt Politiker oder solche die sich dafür halten, die niemals eigene Fehlentscheidungen zugeben würden. Nicht mal allein daheim vor dem Spiegel.
"...gesinnungsethische Motive" - wohl mehr Gesinnung als ethisch.
Frau Stamm jun - Ich vermiss sie nicht, hätte ruhig noch ein paar Mehr
(explizit mit Doppel- oder Dreifachnamen) mitnehmen können
Auf das sie der Macht (MUT) vertrauen......
Die wenigsten können sich doch noch an Fräulein Stamm erinnern.
So ist zumindest klargestellt, das sie noch unter uns weilt.....
auch wenn sie tief in der unbedeutenden Versenkung verschwunden ist.