Seit Jahrzehnten bereist Hubert von Goisern die Welt – als Forschender in Sachen Musik, Zivilisation und Menschlichkeit. Nach sechs Jahren Pause geht er nun wieder auf Tour. Im Programm "Zeiten & Zeichen" bündeln sich die Erfahrungen, Ideen, Beobachtungen, Schlussfolgerungen eines ganzen Lebens. "Das neue Album ist ein modernes Destillat dieser musikalischen Reise", heißt es im Pressetext. Am 19. Juni gastiert der Weltmusiker, der heuer 70 wird, mit Band bei den Kulturtagen auf Gut Wöllried.
Hubert von Goisern: Das ist natürlich noch viel zugespitzter geworden. Ich weiß nicht mehr, worauf ich mich damals bezogen habe, eine Wirtschaftskrisenempfindung, oder ob es mit dem Klima zu tun hatte. Wahrscheinlich letzteres. Und diese Sachen sind ja nicht weggegangen, nur weil etwas Akuteres aufgetaucht ist mit Pandemie und Krieg. Aber es ist schon interessant, dass die Leute sich damals dauernd über alles aufgeregt haben. Irgendwas war immer zu viel oder zu wenig, zu heiß oder zu kalt. Und jetzt sagt man: Ah, damals, das war die gute alte Zeit. Jetzt hätten sie es gerne wieder so, wie es früher war, wo sie auch die ganze Zeit geschimpft haben.
Hubert von Goisern: Jetzt ist es viel krasser, aber es betrifft trotzdem nur ganz wenige Leute. Zumindest hier bei uns. Natürlich schaut's ein paar hundert Kilometer weiter im Osten ganz anders aus, und ich empfinde das als riesengroße Katastrophe, was da jetzt abgeht, nicht nur für die Ukrainer, sondern auch für die Russen. Ich habe ja auch viele russische Freunde in meinem Umfeld, und für die ist es jetzt genauso schlimm wie damals für die Deutschen, wenn sie nach dem Krieg irgendwo hingekommen sind.
Hubert von Goisern: Ich empfinde nicht, dass das so ist. Ich glaube, dass es immer wieder Krisen gegeben hat und geben wird. Nichts dauert ewig - das Glück nicht und gottseidank auch nicht das Unglück. Ich glaube schon, dass wir ein Stück weitergekommen sind. Wenn man ein romantischer Mensch ist, wünscht man sich vielleicht 100 oder 200 Jahre zurück, aber wenn man schaut, was es da an Krankheiten und Krisen gegeben hat, je nachdem, wo man war, konnte man immer einen Fuß in der Hölle haben.
Hubert von Goisern: (lacht) Hm... Alles, was richtig in die Sinfonik geht. Wir haben zwar ein Streichquartett dabei und ein kleines Orchester. Aber richtig klassisch sinfonisch wird es nicht. Und es ist auch kein Punk drinnen. Zumindest nicht in seiner reinen Form. Ich habe mich da ziemlich freikomponiert und denke nicht mehr in diesen Kategorien. Ich mache einfach was aus den Ideen, die mir zufliegen.
Hubert von Goisern: Ich hoffe! Ich habe mir gerade eine Querflöte gekauft. Ich hatte bislang eher Holz- und Ethnoflöten gespielt. Schon mit 16 oder 17 wollte ich unbedingt Querflöte spielen, aber das haben mir alle ausgeredet. Und jetzt übe ich Flöte und muss mir einen Lehrer suchen, der mir die Halbtöne zeigt, die ich nicht finde.
Hubert von Goisern: Ja. Ich hatte das Glück, viel Zeit mit Jane Goodall zu verbringen, sowohl in Afrika am Tanganjikasee, als auch auf Lesereisen in Taiwan, Amerika, Deutschland und Österreich. Ich habe ihre Sicht übernommen: Sie sagt, es gibt keine klare Trennlinie zwischen Tier und Mensch. Wir haben sehr viel Tier in uns, und die Tiere haben sehr viel von dem, was wir glauben, was nur menschlich ist, nämlich ein Lebensbewusstsein. Das Geheimnis des Lebens teilen wir mit den Tieren. Epidemien hat es immer gegeben, aber Pandemien sind immer dann ausgebrochen, wenn man vergessen hat, dass es einen sehr engen Zusammenhang zwischen Mensch und Umwelt gibt.
Hubert von Goisern: Ja. Wenn das nicht wäre, würde das bedeuten, dass man zufrieden mit sich und allem ist. Das gibt es punktuell, gottseidank, immer wieder. Ich glaube, es war Friedrich Schlegel, der gesagt hat, Philosoph kann man nur werden – in dem Moment, wo man glaubt, einer zu sein, hört man auf, einer zu sein. Und das ist ein sehr wahres Wort.
Kulturtage auf Gut Wöllried: Hubert von Goisern und Band mit "Zeiten und Zeichen". So., 19. Juni, 20 Uhr. Karten unter www.cop-concerts.de