Während sein vital ergrautes Stammpublikum längst zu einem gewissen Komfortbedürfnis steht – in diesem Fall äußert sich das mit Marken-Outdoor-Kleidung, Kissen, Decken und dem einen oder anderen mitgebrachten Klappstuhl –, ist er weiter auf der Suche. Natürlich ohne erklärtes Ziel. Hubert von Goisern verkörpert wie kaum ein anderer den Grundsatz „der Weg ist das Ziel“. In den letzten beiden Jahren war der Weg das Wasser. 2007 ist er mit einem zum Wohnschiff mit ausfahrbarer Bühne umgebauten Schubverband auf der Donau bis ans Schwarze Meer gefahren, 2008 geht es auf der „Linz Europa Tour 2007 – 2009“ in der Gegenrichtung bis Rotterdam.
In Unterfranken sind die Stationen am Freitag eben Schweinfurt und am Sonntag Lohr. Auf dem Wasser, aus der Erfahrung des ungeheuer langsamen Vorankommens und als Ergebnis der Begegnungen mit einer ganzen Reihe osteuropäischer Musiker, ist das neue Album „S'Nix“ entstanden, dessen Stücke sich nahtlos ins Gesamtwerk einfügen. Die beiden Pole sind nach wie vor Goisern, das Dorf, und – die Welt. Ob Afrika, Arabien oder Balkan: Hubert von Goisern ist der musikalische Meisterkoch mit unersättlicher Neugier auf immer neue Rezepte und Aromen. Mit denen verfeinert, veredelt, verfremdet, verschneidet er dann seine alpine Heimatkost so authentisch, dass man mit Begriffen wie „Weltmusik“ nicht allzu weit kommt.
Nur eines kommt ihm nicht auf den Tisch, respektive die Bühne: der Zwiefache. Gerade und ungerade Takte hintereinander, das ist was für die Leute von der anderen Seite des Inn. Gerade und ungerade Takte gleichzeitig sind da schon viel interessanter. Dass ihm da die Zigeuner-Einflüsse vom Balkan bestens zupass kommen, ist klar: Da wird mit Vorliebe gegen den Strich gebürstet, da ist der Takt unerschöpfliche Spielwiese für allerhand metrische Kunststücke.
Und die zelebrieren sie dann mit nie nachlassender Vitalität auf der Schiffsbühne. Wie immer hat sich Hubert von Goisern umgeben mit einer exzellenten Band, die alle Facetten beherrscht von Walzer bis Drum'n'Bass, von Rhythm'n'Blues bis Balkan-Drive. Goisern mischt ganz selbstverständlich Altes und Neues, bedient sowohl die nostalgische wie die neugierigen Bedürfnisse der Fans: „Solide Alm“ (alt) und „Showtime“ (neu) eröffnen einen ersten energiegeladenen Block, bevor die pathetischeren Nummern kommen. „Juchitzer“ (wunderbar: Maria Moling) hat nichts von seiner mystischen Schönheit verloren, „Weit weit weg“ nichts von seinem Wunderkerzen-Potenzial. „I bi aan“ und „Poika“ sind so rasant und mitreißend wie eh und je, vor allem aber ideale Arena für jede Menge atemberaubender Soli von Gitarre über Geige bis zu den Gadulka-Klängen der fabelhaften bulgarischen Gastmusikerin Darinka Tsekova, an denen auch Jimi Hendrix seine Freude gehabt hätte. Und bei „Koa Hiatamadl“ beweist das Publikum erstaunliche Textsicherheit.
Hinzukommen neue Stücke wie das nachdenkliche „Regen“, das ironische „Herschaun“ oder „Haut & Haar“, ein trotziges Beharren auf einer unmöglichen Liebe: „Da muasst d'as nehma so wie's is / Und di' bedanken bei dein' Glück“ – Hubert von Goisern glaubt an die Kraft der Gedanken und der Phantasie. Und seine Musik gibt ihm recht. Er kann sich unendlich viel vorstellen. Doch, wie gesagt, ein Zwiefacher ist auf keinen Fall drin.