Als der Deutsche Orden in den unruhigen Zeiten des Bauernkriegs im Jahr 1525 seinen Hauptsitz und damit die Residenz des Hochmeisters nach Mergentheim verlegte, gab es ihn schon seit 308 Jahren. Gegründet im Jahr 1190 in Jerusalem als Hospitalorden, der kranke Pilger und verletzte Kreuzritter versorgte, 1198 erweitert zum kämpfenden Ritterorden, war er zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine ernstzunehmende Wirtschaftsmacht, die dank enger Verbindungen zum Hochadel, bedeutender Schenkungen und moderner, professioneller Verwaltung auch politisch im Reich einiges mitzureden hatte und im Dauerkonflikt zwischen Kaiser und Papst meist auf der Seite des Kaisers stand.
Die Verbindung zu Mergentheim, zum Südwesten und auch zu Franken reicht aber viel weiter zurück als bis zum Jahr 1525. Sie beginnt vor 800 Jahren, genauer gesagt, am 16. Dezember 1219. Auf diesen Tag ist der Teilungsvertrag datiert, mit dem die Brüder Andreas, Heinrich und Friedrich von Hohenlohe dem Deutschen Orden umfangreichen Besitz und Rechte in und um Mergentheim stifteten – in religiösem Ernst und aus Begeisterung für das Wirken des Ordens im Heiligen Land.
Die Brüder traten außerdem in den Orden ein – wie viele Hochadelige über die Jahrhunderte. Die Schenkung ermöglichte die Gründung der Kommende (Niederlassung) zu Mergentheim, die später neben Marburg, Nürnberg und Frankfurt zu den großen Ordenshäusern im Reich zählte.
Das Deutschordensmuseum Bad Mergentheim nimmt den runden Jahrestag zum Anlass, die Ausstellung über Wirken und Geschichte des Ordens mit der Sonderausstellung "800 Jahre Deutscher Orden im Südwesten" um einige Stationen und bedeutende Leihgaben zu erweitern. Die 800 Jahre alte Urkunde mit den fünf angehängten Siegeln, heute verwahrt im Staatsarchiv Ludwigsburg, ist eines der Glanzstücke der Ausstellung. Fantastisch erhalten und verfasst in ebenmäßiger, gestochen scharfer, bestens lesbarer Schrift – vorausgesetzt, man ist des Lateinischen mächtig.
Die Schenkung ging durchaus nicht reibungslos über die Bühne
Der Teilungsvertrag regelte genau, wie der Besitz unter den drei Stiftern und ihren beiden weltlich verbleibenden Brüdern Gottfried und Konrad auf- beziehungsweise umverteilt werden sollte. Sozusagen als Notar fungierte der Würzburger Bischof Otto von Lobdeburg. Dass heuer etliche Gemeinden im Raum Bad Mergentheim ihre 800-Jahr-Feier begehen, ist übrigens kein Zufall: Sie sind im Teilungsvertrag aufgeführt und damit dort zum ersten Mal urkundlich erwähnt.
Davon, dass die Transaktion durchaus nicht reibungslos über die Bühne ging, zeugt eine weitere Urkunde, datiert auf den 14. April 1220: Konrad und Gottfried hatten offensichtlich ihre heiligen Eide vergessen und mussten vom Bischof dringend ermahnt werden, ihren Zusagen nachzukommen. Insgesamt entstanden in dieser Angelegenheit 20 solcher Urkunden, erzählt Museumsdirektorin Maike Trentin-Meyer.
Das Jahr 1219 war auch sonst ein gutes für den Orden: Bereits am 16. November hatte der Würzburger Bischof Otto ihm sein "curia regia" genanntes Haus beim Schottenkloster geschenkt. 1270 begannen die Deutschordensritter neben diesem "Königshof" mit dem Bau der Kirche, in der nach etlichen Verzögerungen aber erst im Jahr 1320 der erste Gottesdienst stattfinden konnte. Heute zählt die – seit 1922 evangelische – Deutschhauskirche zu den bedeutendsten Bauten vom Beginn der Hochgotik in Mainfranken. Das Deutschhaus-Gymnasium wurde auf den ehemaligen Gartengrundstücken der Kommende errichtet.
Karten und Pläne zeigen die "Freude am Verwalten" des Ordens
In der Ausstellung gibt es Prunkvolles zu sehen wie ein gotisches Vortragekreuz, gefertigt in Würzburg 1482, oder einen Pokal mit goldenem Fuß und einem Gefäß aus einer kunstvoll mit Schnitzereien verzierten Kokosnuss aus dem 16. Jahrhundert. Und Aufschlussreiches wie Stadtpläne, auf denen ganze Viertel als Deutschordens-Besitz auszumachen sind, oder Landkarten, auf denen haarklein eingezeichnet ist, was wo angebaut wurde und welche Erträge und Abgaben zu erwarten waren.
An solchen Dokumenten sieht man "die Freude am Verwalten" des Ordens, sagt Museumsdirektorin Trentin-Meyer. Im weitläufigen Deutschordensschloss zu Mergentheim nahm das Archiv, das während der Säkularisation nach 1809 zerstreut wurde, einen ganzen Bau ein. Hier waren alle Besitzungen und Rechte genauestens hinterlegt. "Das war die Machtbasis des Ordens", sagt Trentin-Meyer.
Die Sonderausstellung beleuchtet auch bislang unbehandelte Aspekte wie etwa die Hexenprozesse. Auch in Mergentheim ein dunkles Kapitel: Zwischen 1590 und 1631 wurden im Ordensgebiet 584 Personen wegen angeblicher Hexerei verhaftet, 387 wurden hingerichtet. Gefoltert wurden sie alle, und zwar mit erschreckend routiniert eingesetztem Gerät. Zu sehen sind eine Beinschraube und ein "Verhörtisch" mit Daumenschraube. Das Richtschwert des Scharfrichters, zu erkennen am stumpfen Ende (da damit nur Köpfe abgeschlagen wurden, brauchte es keine Spitze), stammt allerdings erst aus dem Jahr 1677 und steht für Gerichtsbarkeit und Stadtherrschaft, die der Deutsche Orden in Mergentheim innehatte.
Immer wieder missbrauchen Rechtsextreme den Mythos des Ordens für sich
Eine Abteilung zum Missbrauch des Mythos des Deutschen Ordens zu propagandistischen Zwecken unter anderem durch die Nationalsozialisten ("das deutsche Schwert nach Ostland getragen") gab es bereits. Maike Trentin-Meyer hat sie nun um eine Vitrine ergänzt, in der die Machwerke jüngerer Nachkommen der Nazis ausgestellt sind: T-Shirts mit rechtsextremistischer Botschaft, auf denen das Hoheitszeichen des Hochmeisters mit dem Adler der SS kombiniert ist. Der Schriftzug darunter: "Ordo Teutonicus". Die Museumschefin findet derlei Missbrauch besonders ärgerlich, weil damit alte, nicht zutreffende Vorurteile gegen den Orden gestärkt würden.
Eher eine Randnotiz, aber eine höchst spannende ist das bislang ebenfalls nicht behandelte Thema Ludwig van Beethoven. Ein früher Förderer des Komponisten war der Ordensritter Graf Ferdinand von Waldstein – ihm ist die berühmte Waldstein-Klaviersonate gewidmet. Als im September und Oktober 1791 in Mergentheim ein Generalkapitel des Deutschen Ordens stattfand, war Beethoven, 20-jährig, mit dabei – als Mitglied der Hofkapelle des Kurfürsten und Hochmeisters Maximilian Franz von Österreich, 16. Kind von Maria Theresia, Bruder von Marie Antoinette, Erzbischof von Köln, Fürstbischof von Münster.
In der Kapelle spielte Beethoven Bratsche, privat auch Klavier. An einer Hörstation kann man eines seiner eher unbekannteren Werke hören: das Ritterballett, eine Auftragsarbeit für von Waldstein. Verehrt wurde Beethoven damals übrigens noch nicht. Die Musiker mussten zusätzlich Servierdienste für die illustren Gäste leisten. Beethoven war wie alle anderen jeden dritten Tag dran.
Deutschordensmuseum Bad Mergentheim: Sonderausstellung "800 Jahre Deutscher Orden im Südwesten", bis 26. Januar 2020. Geöffnet April-Oktober: Dienstag-Sonntag/Feiertage 10.30-17 Uhr; November-März: Dienstag-Samstag 14-17 Uhr, Sonntag/Feiertage 10.30-17 Uhr. Beschlossen wird das Jubiläumsjahr mit einem Festakt am 15. Dezember. Erwartet wird unter anderem Frank Bayard, der im August zum 66. Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt wurde.