Was die meisten Laien nicht wissen (und auch viele Musiker nicht): Die sogenannte Klassische Gitarre, wie sie heute auf Konzertbühnen zu hören ist, oder als "Wandergitarre" an Lagerfeuern, das vermeintlich schlichte Instrument mit dem geschwungenen Korpus und den sechs Saiten, ist eine vergleichsweise neuartige Erfindung.
Eine Vereinfachung, wenn man so will. Eine Normierung. Denn die Gitarre, enge Verwandte der Laute, war über Jahrhunderte hinweg, von der Barockzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, ein alles andere als einheitliches Instrument. Es gab sie in unterschiedlichen Größen, Formen, Stimmungen, mit einem oder mehreren Hälsen, mit nahezu beliebig vielen Saiten.
Ähnlich wie bei den Streichinstrumenten, deren buntes Bestiarium auch erst im Laufe des 19. Jahrhunderts auf die Exemplare Geige, Bratsche, Cello, Kontrabass reduziert und in den Proportionen vereinheitlicht wurde, gab es Gitarren für nahezu jeden klanglichen Zweck: vom stämmigen Bass über das akkordmächtige Harmonieinstrument bis zum durchsetzungsfähigen Sopran.
Im 19. Jahrhundert wurde es dann einfach zu unübersichtlich
Das Publikum von Konzerten mit Originalklang-Ensembles kennt Anblick und Sound der sperrigen, nicht selten wunderlich anmutenden historischen oder nachgebauten Exemplare namens Theorbe oder Chitarrone. Waren diese Barockinstrumente im 17. und 18. Jahrhundert noch vielseitig einsetzbar, so schrieben im 19. Jahrhundert mehr und mehr Komponisten Werke für jeweils eine ganz bestimmte Konstruktion mit ganz bestimmten Eigenschaften und Möglichkeiten. Es wurde immer unübersichtlicher.
"Da gab es Stücke, die man nur auf diesem einen Instrument spielen konnte", sagt der Schweinfurter Gitarrist und Komponist Lorenz Schmidt. "Das war für die Verleger natürlich nicht sonderlich interessant." Also setzte sich schließlich im Sinne einer gewissen Massentauglichkeit das sechssaitige Instrument durch, das heute als Klassische Gitarre bekannt ist, gefördert vor allem durch den großen Solisten und Lehrer Andrés Segovia (1893-1987).
In Vergessenheit aber gerieten die vielen anderen Spielarten der Gitarre nie, auch wenn sie nicht mehr Hauptvertreterinnen ihrer Gattung waren. Narciso Yepes (1927-1997) etwa, ein weiterer großer Name der Gitarrenwelt, spielte auf einem zehnsaitigen Instrument.
Wie bunt und vielfältig die Welt der gezupften Saiten immer noch (oder wieder) ist, soll ein kleines Festival in der Schweinfurter Kulturwerkstatt Disharmonie zeigen, das Lorenz Schmidt zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen organisiert hat.
Die Harfengitarre ist genau das, wonach sie sich anhört – eine Art Kreuzung
Drei Tage lang – vom 9. bis 11. Dezember – gibt es neben einer Instrumentenausstellung und einem Vortrag vor allem Musik nahezu aller Stilrichtungen, von Klassik und Romantik über Jazz bis hin zu aktuellen Kompositionen etwa von Lorenz Schmidt. Der besitzt zwei sogenannte Harfengitarren, Vertreterinnen einer beinahe ausgestorbenen Gattung, eine aus dem Jahr 1898 und eine neuere, gebaut von Hermann Gräfe, der in Lendershausen (Lkr. Haßberge) sein Atelier hat. Für diese Instrumente hat Schmidt zwei Stücke geschrieben, die beim Festival uraufgeführt werden.
Die Harfengitarre ist das, wonach sie sich anhört: Eine Art Kreuzung zweier Instrumente, mit deutlichem Gewicht auf der Gitarre. Sie hat zusätzliche sechs Saiten, die entweder mitschwingen und so den Sound voller machen, die aber auch gezupft werden können und quasi einen Bass ersetzen. Diese Technik erfordert allerdings einige Übung, denn es kommt zum herkömmlichen Spiel eine weitere Koordinationsebene hinzu. "Das ist ein komplett neues Instrument", sagt Schmidt.
Dass die Gitarre nahezu unerschöpfliche Klangmöglichkeiten besitzt, zeigen die Kompositionen von Günter Horn, der auch das elektrische und verfremdete Spektrum mit einbezieht. Zum "Klang der Hölzer" kommen dann noch einige weitere hinzu.
"Der Klang der Hölzer" – das Programm
- Instrumentenausstellung: die Geigenbauerin Annette Stephany (Schweinfurt) und der Geigenbauer Hermann Gräfe (Lendershausen) zeigen ihre Schöpfungen (Fr. 18-19.30 Uhr, Sa. und So. 10.30-17 Uhr).
- Konzerte: "In allen Dingen schwebt ein Klang" – virtuose Solostücke mit Judit Köcsky-Vogel und Werke für "manipulierte Gitarre" (Günter Horn) und mehrere Gitarren, Fr., 9. Dezember, 19.30 Uhr; "Jazz und Sound" – Günter Horn (Gitarre) und Michael Weisel (Kontrabass), So., 11. Dezember, 11 Uhr; "Am Puls der Zeit" – das Trio Züngelnder Saitenwind mit Werken von Bartók, Piazzolla und Lorenz Schmidt, So., 11. Dezember, 17 Uhr.
- Musik und Literatur: "Saitenpoesie" – Kompositionen und Texte von Alexander Stöhr, Sa., 10. Dezember, 17 Uhr; "Vielseitig & Vielsaitig" – Werke für Harfengitarren und Gedichte von Andrea Rauch, Sa, 10. Dezember, 19.30 Uhr.