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RÜGHEIM
Die perfekte Gitarre ist selbst gebacken
Ihren Traum von der perfekten Gitarre haben viele Amateurgitarrenbauer in Baukursen verwirklicht. Bei den Saitenblicken im Schüttbau in Rügheim waren die Instrumente zu bestaunen und auch gleich der Klang zu überprüfen.
Foto: Gudrun Klopf | Ihren Traum von der perfekten Gitarre haben viele Amateurgitarrenbauer in Baukursen verwirklicht. Bei den Saitenblicken im Schüttbau in Rügheim waren die Instrumente zu bestaunen und auch gleich der Klang zu überprüfen.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:44 Uhr

Gitarrenbau und Backrezepte, wie passt das zusammen? Tatsächlich ging es bei den „Saitenblicken“ unter anderem um die Frage „Wie backe ich Holz“. Schon mal vorneweg: Ein schmackhafter Kuchen kommt nicht dabei heraus.

Zum dritten Mal hatte Gitarrenbauer Hermann Gräfe zusammen mit Kultur e.V. zu den „Saitenblicken“, einem offenen Forum für den Amateurgitarrenbau, nach Rügheim eingeladen. Meist aus dem süddeutschen Raum, aber auch aus der Uckermark und der Grazer Ecke in Österreich reisten die Hobbybauer an. Der Großteil von ihnen gehört zu den inzwischen weit über 100 Kursteilnehmern, die in der Gitarrenbauwerkstatt in Lendershausen unter Gräfes Anleitung ihr „Trauminstrument“ gebaut haben. Daneben waren auch in anderen Werkstätten und Hobbyräumen gefertigte Eigengewächse im Schüttbau zu bewundern. Von der klassischen Gitarre über Steelstring- und E-Gitarren bis hin zur Cigarbox gaben sich die besaiteten Vertreter der Gattung Gitarre ein Stelldichein.

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Wie unterschiedlich die Vorstellungen von der perfekten Gitarre aussehen können, zeigte sich nicht nur an Form, Farbe, Holzauswahl und Zierelementen. Auch im Innenleben der Klangkörper offenbarte sich das weite Feld der Bauvarianten. Reichlich Anstöße zum Begutachten, Fachsimpeln und Ausprobieren. Gerald Egger aus der Steiermark gerät ins Schwärmen: „Das ist eine wunderbare Veranstaltung – spannende Leute, interessante Instrumente, horizonterweiternd und super organisiert.“ Er bekam den Gitarrenbaukurs zum 50. Geburtstag geschenkt und baute erst vor wenigen Monaten in Lendershausen seine Wunschgitarre. „Ich hatte mir den Bau nicht zugetraut“, gesteht er. Um so mehr freut es ihn, dass das Instrument klanglich genau seinen Vorstellungen entspricht. Stefan Pfeffer aus Rheinfeld ist von den vielfältigen Ansätzen fasziniert. „Aus jeder Unterhaltung nimmt man hier etwas mit.“

Er ist bereits zum dritten Mal bei den Saitenblicken und hat inzwischen enge Verbindungen zu anderen Hobbybauern geknüpft. Bei regelmäßigen Telefonkonferenzen wird getüftelt, 3-D-Zeichnungen und ausgefräste Bauteile werden zwischen Nord und Süd verschickt.

Vor allem der Schwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung, die Verarbeitung heimischer Hölzer im Gitarrenbau, beschäftigte die Gemüter. Tropenholz verfügt über genau die Eigenschaften, die der Bauer der Gitarre gleichermaßen wie deren Spieler schätzt: es ist sehr hart und steif, arbeitet nur mäßig, es klingt gut und macht auch noch optisch etwas her. Doch der fortwährende Raubbau gefährdet die tropischen Regenwälder. Deshalb sind seit Anfang 2017 manche Hölzer mit strengsten Handelsbeschränkungen geschützt.

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Was liegt da näher, als nach Alternativen zu suchen. „Wir haben durchaus heimische Hölzer, die sich hervorragend für Gitarren eignen“, ist Gräfe überzeugt. Er selbst greift seit langem auf Obstholz wie Kirsche, Zwetschge oder Apfel zurück und verwendet Bergahorn, Fichte, Nussbaum oder Esche zum Bau seiner Instrumente. „Die Auswahl der Hölzer verlangt allerdings mehr Wissen als beim Tropenholz.“ Die Grundlagen dafür vermittelte Robin Kirchner, Student an der TU Dresden. Bis in die Nanostruktur des Holzes führte sein Vortrag über Anatomie, Quell- und Schwindverhalten und Strukturveränderungen des Werkstoffes. Wissenschaftler an der TU Dresden versuchen seit einigen Jahren, einheimische Holzarten durch spezielle Verfahren tonholztauglich zu machen.

Und hier kommt das Backen ins Spiel. Erhitzt man Holz, wird es leichter, härter und klangvoller. Auch die Farbe verändert sich, wussten experimentierfreudige Hobbybauer, die im heimischen Backofen durchaus befriedigende Ergebnisse erzielten. Hitzebehandlung und Verdichten des Holzes durch chemisch-mechanische Verfahren seien allerdings nur für die Gitarrenindustrie von Interesse, so Gräfe. „Der kleine Handwerker und der Amateurbauer kommen durch akribische Holzauswahl mit heimischen Hölzern klar.“

Neben der Theorie wurde auch die Praxis nicht vernachlässigt. Ganz nach dem Motto „Selbst ist der Mann oder die Frau“ – immerhin war eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts dabei – wurde von Christian Brückner zum Bau kleiner Hobel angeleitet. Gut und sicher lässt sich die Gitarre auf einer optimierten Werkbank bearbeiten. Das von Hermann Gräfe vorgestellte Exemplar stieß bei den Teilnehmern auf reges Interesse.

Ein Treffen von Gitarrenliebhabern ohne Musik – undenkbar. Stimmte die Münchner Band „Bavaschoro“ zum Auftakt mit brasilianisch-bayrischen Rhythmen ein, gehörte die Bühne am zweiten Abend den selbstgebauten Prachtstücken. Moderiert von Stefan Sell, selbst professioneller Gitarrist, Komponist und Autor, stellten die Amateurbauer ihre Werke vor. Mal einzeln, mal in spontan gefundenen Formationen ließen sie hören, was in ihren „Trauminstrumenten“ steckt. Wie bei den Modellen selbst, war auch hier ein breites Spektrum geboten: Ob Jazz, ob Rock, ob Klassik – mit vier bis acht Saiten ist alles möglich.

Fachsimpeln, diskutieren, staunen und ausprobieren: Aus ganz Deutschland kamen die Amateurgitarrenbauer zu den „Saitenblicken” im Schüttbau in Rügheim angereist.
Foto: Gudrun Klopf | Fachsimpeln, diskutieren, staunen und ausprobieren: Aus ganz Deutschland kamen die Amateurgitarrenbauer zu den „Saitenblicken” im Schüttbau in Rügheim angereist.
 
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