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Würzburg
Warum Bridget Rileys Bilder mehr sind als optische Täuschungen
Die Ausstellung „Entdecken, was Sehen sein kann“ der englischen Op-Art-Künstlerin im Würzburger Kulturspeicher lädt zur Entdeckungsreise durchs eigene Sehen ein.
Bewegung im Stillstand. Im Bild: 'Untitled Based on Blaze', 1964
Foto: © Bridget Riley 2019 | Bewegung im Stillstand. Im Bild: "Untitled Based on Blaze", 1964
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:57 Uhr

Aus der Ferne sind es nur graue Striche. Geht man näher an das Bild mit immerhin knapp anderthalb Metern Kantenlänge heran, erweckt es kurz den Anschein von Wellblech. Als nächstes erkennt man, dass neben dem Grau auch viel Grün und Blau im Spiel sind. Und etwa bei dieser Entfernung bricht die Räumlichkeit der vermeintlichen Wellen auf und ein fast schmerzlich intensives, kaum dingfest zu machendes Flirren zieht sich über die gesamte Fläche von "K’ai ho" (1974, Acryl auf Leinwand).

Sehr viele verschiedene optische Effekte begegnen dem Betrachter in den Bildern der Engländerin Bridget Riley, Jahrgang 1931. Unsere kleine Eingangsszene lässt sich seit langem im Würzburger Kulturspeicher miterleben, wo zwei ihrer Gemälde hängen. Grade sind sie von ihrem Stammplatz in die Sonderausstellungssäle gewandert. Denn hier hängen bis zum 13. Oktober rund 80 Riley-Siebdrucke aus der Zeit seit 1962. Das ist fast ihr gesamtes druckgrafisches Werk.

Gegen die Vereinnahmung als "Queen of Op-Art" hat sie sich stets gewehrt

Bei kaum einem Bild ist eindeutig, auf welche Einzelwirkung es die heute 88-jährige Künstlerin abgesehen hat. Außer auf eine, da ist alles klar – der Besucher soll "entdecken, was Sehen sein kann". Genau so heißt ihre Ausstellung. Eröffnet wird sie an diesem Freitag, 16. August, 18.30 Uhr zwar nicht im Beisein der Künstlerin, aber ihrer Studio-Managerin. Das ist auch eine wichtige Frau, denn Bridget Riley führt ein großes Team.

Farbe ist bei Bridget Riley nie Selbstzweck, hier 'Carnival' aus dem Jahr 2000
Foto: © Bridget Riley 2019 | Farbe ist bei Bridget Riley nie Selbstzweck, hier "Carnival" aus dem Jahr 2000

Riley zählt zur Konkreten Kunst. Entdeckt und ausgerufen wurde sie Mitte der 1960er Jahre als "Queen of Op-Art", eine Vereinnahmung, gegen die sie sich stets gewehrt hat. Warum, sieht man laut der Basler Kuratorin Susanne A. Kudielka recht leicht: "Bridget Riley gibt nicht einen Raum vor, der nicht existiert." Anders als beispielsweise die großen Halbkugeln des Victor Vasarely haben viele ihrer Werke zwar eine räumliche Wirkung, doch man käme nicht auf die Idee, die Hand nach ihnen auszustrecken. Ebenso lassen sie sich nicht einfach als optische Täuschungen abhaken. Vielmehr geht es hier um visuelle Forschungen, an denen der Betrachter teilhaben soll.

Bridget Riley bekennt sich zur "Freude des Sehens"

Aber keine Angst vor schwerer Wissenschaft! Das Ganze ist eher ein Spiel. Bridget Riley bekennt sich zur "Freude des Sehens". Laut Kudielka, die Riley schon als Au-Pair-Girl in London kennen lernte, sieht sich die "nicht als Malerin, sondern als Künstlerin, die mit Farbe Freude bereitet". Und das gelingt ihr gut. Deshalb auch keine Angst beim Betreten der Ausstellungssäle. Die erscheinen nur auf den ersten Blick recht dunkel. Man gewöhnt sich dran, und die starke Strahlkraft der Riley’schen Farben setzt sich durch das Leuchtstoffdämmern prima durch.

Wenn ein Blatt Papier einen mächtigen Sog ausübt: die Arbeit 'Untitled Based on Movement Squares', 1962
Foto: © Bridget Riley 2019 | Wenn ein Blatt Papier einen mächtigen Sog ausübt: die Arbeit "Untitled Based on Movement Squares", 1962

Wir sehen Farben, wo keine sind. Auf anderen strengen Kompositionen wiederum übersehen wir die Farben, weil sie dem benachbarten Grau so sehr ähneln. Überhaupt ist in dieser Praxis manches grau, etwa gleich neben der Eingangstür die Zwischenräume zwischen den schwarzen Balken auf drei Grafiken. Tatsächlich könnten das Schatten sein, sind diese Bilder doch auf Plexiglas gedruckt, so dass das Schwarz den weißen Hintergrund abdunkeln könnte. Tut es aber nur kaum. Das meiste Grau entsteht im Auge des Betrachters. Aber, wie gesagt: Man hakt den visuellen Eindruck nicht mit der Bemerkung ab: Aha, optische Täuschung, sondern bleibt fasziniert stehen vor dieser "Entdeckung, was Sehen sein kann".

Wenn eine Bildidee sich nichts fürs große Format eignet, wird eine Grafik draus

Kudielka erzählt bei einer ersten Ausstellungsbegehung, nachdem sie mit Kulturspeicher-Leiterin Marlene Lauter die Exponate gehängt hat: In einem ersten Arbeitsschritt setze Riley mögliche Farben so in Beziehung, dass sie beispielsweise eine Wellenstruktur auf der Leinwand in Bewegung versetzen können. Dann probiere sie das als Aquarell aus. Die weitere Ausführung überlasse sie ihrer Werkstatt.

Selbst im Ausschnitt sind Bridget Rileys Bilder eine Herausforderung für das Auge. Hier: 'Blue Dominance', 1977
Foto: © Bridget Riley 2019 | Selbst im Ausschnitt sind Bridget Rileys Bilder eine Herausforderung für das Auge. Hier: "Blue Dominance", 1977

Manchmal zeige sich bei diesem Prozess aber auch, dass die Bildidee nicht für vier Quadratmeter geeignet ist. Aus genau diesen Ansätzen entstehen dann die kleineren Siebdrucke, wenn denn alles für dieses Format taugt. Jedenfalls, Ergebnis: Bridget Rileys Druckgrafiken kopieren nie größere Unikate, sondern haben einen eigenen Stellenwert.

Und zwar einen sehr schönen. Schließlich ist der Siebdruck ja die farbintensivste grafische Technik. Was Riley auch und gerade durch die Verwendung von Pastelltönen ausnutzt. Beim Betrachten sollte man immer ganze Gruppen ins Auge fassen. Die sind meist drei- oder vierteilig, man erkennt sie leicht am identischen Format. Und manchmal auch an identischen Bildelementen – nur dass die in anderer Reihenfolge auf die Bilder verteilt sind. Da wirkt dann, obwohl sie denselben Inhalt haben, der Druck "Ra 2" um einiges leuchtender als der parallele "Silvered 2". Schlecht nachvollziehbar? Selber angucken!

Bridget Riley: „Entdecken, was Sehen sein kann“, Würzburger Kulturspeicher, bis 13. Oktober. Di 13-18 Uhr, Mi, Fr-So 11-18 Uhr, Do 11-19 Uhr.

 
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