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Würzburg
Starpianist im Gespräch: Komponieren Frauen anders, Kit Armstrong?
Der amerikanisch-britische Pianist mit taiwanesischen Wurzeln spielt in Würzburg Werke von Männern und Frauen. Gibt es Unterschiede? Und wenn ja, worin bestehen sie?
Kit Armstrong am Flügel im Kaisersaal der Residenz beim Mozartfest 2021.
Foto: Dita Vollmond | Kit Armstrong am Flügel im Kaisersaal der Residenz beim Mozartfest 2021.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:56 Uhr

Das Interview findet per Zoom statt, Kit Armstrong ist gerade in seiner Wahlheimat Hierson, einer Kleinstadt in Nordostfrankreich. Hier hat er die 1929 gebaute Art-Déco-Kirche Sainte-Thérèse-de-l’Enfant-Jésus zum Konzertsaal umgewandelt. Armstrong, kürzlich 30 Jahre alt geworden, ist Pianist, Organist und Komponist. Er spricht vier Sprachen fließend und hat neben Musik Mathematik, Biologie und Physik studiert. Sein Mentor Alfred Brendel sagt, er sei die "größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin". Andere nennen ihn schlicht ein Genie.

Seit 2013 tritt Kit Armstrong in allen großen Konzerthäusern der Welt auf, 2016 war er Artiste Étoile beim Würzburger Mozartfest. Am Samstag, 14. Mai, gibt er auf Einladung des Würzburger Zonta-Clubs ein Benefizkonzert in der Hochschule für Musik. Auf dem Programm stehen Werke von Männern (Mozart, Bach, Brahms, Armstrong) und Frauen: Clara Schumann und Elisabeth Jacquet de la Guerre.

In der Bildenden Kunst spricht man durchaus vom "weiblichen Blick". Wie ist es in der Musik – komponieren Frauen anders?

Kit Armstrong: Es ist nicht möglich, anhand der Werke, die uns vorliegen, einen Unterschied zwischen komponierenden Männern und Frauen wasserdicht festzustellen. Und wenn man diesen Unterschied nicht erklären kann, sollte man es gar nicht versuchen.

Um bei der Parallele zur Kunst zu bleiben: Frauen haben in früheren Jahrhunderten anders gemalt als Männer, weil sie nicht die Akademien besuchen durften. Und weil sie bestimmte Formalismen, die den Männern dort eingebläut wurden, nicht übernommen haben, konnten sie freier arbeiten. Dadurch haben sie zum Beispiel biblische Szenen persönlicher, intimer dargestellt. Könnte man nicht versuchen, solche Kriterien auch in der Musik anzuwenden?

Armstrong: Es ist natürlich ein aufschlussreicher Punkt, dass eine Clara Peeters Stillleben gemalt hat. Oder dass eine Artemisia Genteleschi klassische Themen mehr aus Frauensicht bearbeitet hat. Das ist in den figurativen Künsten nachvollziehbarer als in einer abstrakten Kunst wie der Musik. Vielleicht könnte man solche Tendenzen auch in der Programmmusik von Komponistinnen feststellen. Aber ansonsten haben Töne an sich nichts mit der Realität zu tun. Vor allem nicht mit einer gesellschaftlich erlebten Realität.

Sie spielen ein Werk der Bach-Zeitgenossin Elisabeth Jacquet de la Guerre, die von 1665 bis 1729 lebte. Wer war sie?

Armstrong: Es wird Sie überraschen, aber bei der Zusammenstellung des Programms habe ich erst in zweiter Linie an das Geschlecht der Komponisten gedacht. Jacquet de la Guerre gehört zu den wichtigsten Komponisten der französischen Cembaloschule. Es ist nicht ganz richtig, sie als Bach-Zeitgenossin zu bezeichnen: Das Stück, das ich spiele, entstand, als Bach zwei oder drei Jahre alt war. Jacquet de la Guerre stellt eine Art Bindeglied dar zwischen den frühen Komponisten wie Jacques Champion de Chambonnières und der späteren französischen Tradition wie Rameau und Couperin.

Welche Rolle spielte sie im Musikbetrieb damals?

Armstrong: Sie war keine Randfigur. Sie war sogar der Lieblingskomponist von Ludwig XIV. und hatte alle Möglichkeiten, sich musikalisch auszubilden. Sie bekleidete die angesehensten Positionen, die ein Musiker zur damaligen Zeit haben konnte.

Gibt es noch viele Komponistinnen, die wir entdecken sollten?

Armstrong: War das mit Sternchen oder ohne Sternchen?

Ohne Sternchen. Immer wieder graben berühmte Interpreten die Werke von angeblich zu Unrecht vergessenen Komponisten aus. Ich erlebe aber selten, dass diese es dann ins Repertoire schaffen. Aber vielleicht könnte es mit Komponistinnen anders sein? Schließlich haben die männlichen Konkurrenten nicht selten dafür gesorgt, dass sie in Vergessenheit gerieten.

Armstrong: Ich werde jetzt zwei Antworten geben. Erstens: Aus dem Umfeld von Elisabeth Jacquet de la Guerre kenne ich keine zweite Komponistin, die es verdient hätte, im großen Museum des heutigen Konzertsaals ausgestellt zu werden. Das ist meine persönliche musikalische Meinung. Zweitens: Wenn ich Jacquet de la Guerre spiele, denke ich nicht an eine Frau. Denke ich nicht an Weiblichkeit. Das ist sicher nicht bei allen Komponistinnen so. Es gibt auch Werke, die so persönlich erscheinen, dass man dazu gezwungen wird, nicht nur an die geistige Persönlichkeit zu denken, sondern auch an die körperliche.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Armstrong: Ja, vielleicht ist tatsächlich Clara Schumann ein solches Beispiel. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass unser Wissen über die Hausmusik des 19. Jahrhunderts, die ja oft von Frauen betrieben wurde, unser Denken beeinflusst.

Gibt es in der Musik selbst Hinweise, dass sie von einer Frau stammt?

Armstrong: Es ist unmöglich, diese Frage zu beantworten, ohne entweder männerfeindlich oder frauenfeindlich zu klingen. Die gesellschaftlichen Umstände für komponierende Frauen waren ungünstig, das spielt sicherlich eine Rolle. Das merkt man bei Jacquet de la Guerre nicht. Bei Clara Schumann sind die Bögen immer tendenziell eher kurz. Es gibt geniale Einfälle – nicht weniger genial als bei Robert Schumann –, aber die Art der Fortsetzung ist eine andere. Für uns muss es nicht heißen "besser oder schlechter", denn wir haben jetzt genügend Abstand zur Entstehungszeit, um diese Musik genießen zu können, ohne sie anhand der damaligen akademischen Konventionen beurteilen zu müssen.

Zonta-Benefizkonzert mit Kit Armstrong:  "Von Frauen und Männern", Samstag, 14. Mai, 20 Uhr. Karten u.a. in der Tourist Information Falkenhaus, Tel. (0931) 37-2398, oder über www.zonta-wuerzburg.de

 
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