"Ich wünschte, Mozart wäre jetzt hier und zeigte uns, wie man Mozart spielt", so Alfred Brendels Resümee nach seinem eindrucksvollen Vortrag "Mozart spielen" im ausverkauften Würzburger Theater in der Bibrastraße. Die Rolle des Erklärers hatte er selbst übernommen; zusätzliche Impulse und geistige Nahrung, wie von Professor Andreas Lehmann von der Musikhochschule bei der Begrüßung erhofft, flossen dabei reichlich.
Brendel, 88-jährige Pianistenlegende, gab eine Fülle an Erkenntnissen aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang nicht nur mit Mozarts Musik preis. Unter anderem ging er der Frage nach, wie man am besten "kantabel" spiele. Die einfache Antwort: Gesang muss artikuliert werden, doch eine zu kleinteilige Gestaltung widerspreche der Gesanglichkeit. Im Sinne von Kontinuität seien möglichst viele Töne in einen Atem, einen Bogen zu nehmen - so wie es die Stimme vorgebe.
Die Musik spricht für sich
Mozarts Musik spreche für sich. Man müsse daher dessen Kühnheiten und Neuerungen, die bei Zeitgenossen nicht unbedingt auf Wohlwollen gestoßen waren, interpretatorisch nicht besonders herausheben. Für Brendel soll das Werk im Vordergrund stehen, nicht die Selbstdarstellung des Künstlers.
So geht er selbst zum Beispiel sparsam mit Verzierungen um, versucht Grundcharaktere musikalischer Ideen zu erkennen, zu wahren, sich nicht in Kleingruppen von Tönen zu verlieren, sondern Schwerpunkte aufzuspüren. Humorvoll setzt er hinzu, es würde Heiterkeit hervorrufen, wenn ein Schauspieler so prononciert spräche, wie manche heute Musik interpretieren.
Die Musikbeispiele an diesem Abend kamen vom Band, was dem Eindruck keinen Abbruch tat. So durfte man Brendel bei seinem Abschiedskonzert 2008 lauschen, beim Andantino aus den Jenamy-Konzert KV 271 direkt erleben, wie intensiv und keineswegs passiv der Pianist in die innere Interpretation versinkt, mitsingt, winzige Orchesterimpulse gibt, Phrasierungen körperlich auslebt.
"Atemlose Lust am Dasein"
Vieles noch kam an diesem interessanten Abend zur Sprache, so Veränderungen in Spielgewohnheiten über die Jahre, der Umgang mit fragwürdigen Dogmen, mit Schlusstönen und Schlussformeln, Tonwiederholungen, Akzentuierungen, die Ausführung langer Noten, dynamische Moden. Für Brendel ist übrigens die Terrassendynamik nach wie vor die Grundlage des Umgangs mit Mozarts Musik.
Und: "Mozart war kein Blumenkind", sagt er, es gebe keinen rein poetischen Mozart oder eine Reduktion auf eine andere Facette. Mozart, ein Komponist voller Gegensätze, aus dessen Musik "atemlose Lust am Dasein" spricht. Einen weiteren, ausverkauften, Abend mit Brendel gibt es an diesem Mittwoch zum Thema Schubert.