Der Hamburger Pianist Sebastian Knauer ist seit seiner Jugend besonders von zwei Komponisten fasziniert: Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791) und Michael Nyman, geboren 1944. In diesem Jahr wird Knauer 50 und hat beschlossen, sich einen besonderen Wunsch zu erfüllen: ein Programm, das Werke beider Künstler vereint. Dieses Programm liegt nun vor. Als CD und als Konzert am 1. Juni beim Mozartfest mit der Uraufführung von sechs eigens komponierten Nyman-Werken.
Nun ist Michael Nyman, der etwa die Musik zu Peter-Greenaway-Filmen wie "Der Kontrakt des Zeichners" oder "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" geschrieben hat, bekennender Mozart-Fan. Seine eigene Musik allerdings gehorcht ganz anderen Gesetzen: Während Mozart nicht nur in seinen Opern ein begnadeter Geschichtenerzähler ist, wird Nyman eher dem Lager der Minimal Music zugerechnet, auch wenn er selbst dieses Label ablehnt. Also Musik, die bewusst auf der Stelle tritt, beziehungsweise sich im Kreise dreht.
Wie geht das zusammen? Und vor allem: Wie bekommt man einen weltberühmten und bekanntermaßen eigenwilligen Komponisten dazu, einem ein paar neue Stücke zu schreiben?
Sebastian Knauer: Ich glaube, beides wird in der Zukunft eine Rolle spielen. Das alte Format wird auf jeden Fall erhalten bleiben, denn eine Sonate von Mozart oder Beethoven ist ein Gesamtkunstwerk, das man unbedingt auch in der ganzen Form spielen muss und soll. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man auch neue Wege wagen sollte, ohne die Musik dadurch zu verändern. Aber indem man sie in ein neues Licht rückt. Wenn man Einzelsätze von Mozart hört, die dann von einem völlig anderen Werk unterbrochen, ergänzt oder überbrückt werden, entsteht ein neuer Höreindruck, und es wird einem wieder stärker bewusst, wie unglaublich schön diese Musik ist.
Knauer: Selbst mein Label-Chef fand, dass die Stücke teilweise fast schon ein bisschen überspielt seien. Aber dann hat er gesagt: Wow, jetzt nehme ich sie komplett neu wahr. Und darum geht es mir: Die bereits bekannte Klassik neu zu präsentieren und damit dann auch jüngere Menschen und solche, die nicht so mit Klassik aufgewachsen sind, auf diese Art vielleicht ein bisschen schneller zu erreichen.
Knauer: Ganz so einfach ist es nicht. Zufälligerweise kenne ich seine Agentin, die in Berlin sitzt. Über sie konnte ich meine Idee vortragen. Und dann hatte ich noch viel Glück: Michael Nyman saß letzten Oktober wegen der Pandemie in Mailand fest und konnte weder reisen noch Konzerte geben. So hatte er Zeit. Wir haben dann ein Zoom-Meeting gehabt und uns kennengelernt. Und irgendwann hat er gesagt, die Manager sollen sich um die Zahlen kümmern, er kümmert sich jetzt mal um die Musik. Dann hat er mir die Stücke praktisch unter den Weihnachtsbaum gelegt, im Januar habe ich sie gleich aufgenommen.
Knauer: Ja, gut möglich, dass ich dann die Zeit gar nicht gefunden hätte. Mein Herbst war eigentlich randvoll mit Konzerten. Als die alle komplett wegbrachen, entstand ein Freiraum. Das hatte einen sehr, sehr positiven Nebeneffekt, obwohl es alles andere als erfreulich war, was da ablief. Natürlich standen wir alle unter einer Art Schockstarre, aber man kann dasitzen und trauern, oder man geht dagegen an und sucht Wege, weiter zu existieren.
Knauer: Er war sofort sehr interessiert. Ich wollte sechs Klavierstücke von ihm haben – sechs für jedes meiner Lebensjahrzehnte, fünf habe ich schon hinter mir, das sechste geht bald los. Das fand er toll, hat sich aber völlige Freiheit gewünscht. Aber das habe ich schon bei anderen Auftragswerken erlebt: Je mehr Freiheit der Komponist hat, desto besser wird es am Ende.
Knauer: Er sucht sich nur ein Fragment oder einen Rhythmus aus, den er dann verarbeitet. Wie das in der Minimal Music oft gemacht wird. Im ersten Stück kommen tatsächlich harmonische Wendungen, die im ersten Satz der "Sonata facile" stattfinden. Das hört man nicht im ersten Moment, aber es ist tatsächlich da. Aber es sollte ohnehin keine plakative Geschichte werden, nach dem Motto: Da schreibt einer Mozart neu. Sondern es sind neu komponierte Stücke, die einen Bezug zu Mozart darstellen, und das aus der komplett subjektiven Sicht des Komponisten.
Knauer: Er ist unglaublich humorvoll. Es ging damit los, dass er beim ersten Video-Telefongespräch das Telefon ans Ohr gehalten hat. Wir haben also immer einen Teil seines Ohrs gesehen. Daraus hat er sich einen Spaß gemacht. Und wenn man die Stücke hört, merkt man, dass es ihm auch Spaß bringt, den Spieler vor Herausforderungen zu stellen. Das zweite Stück hat in der linken Hand genau einen Akkord, aber der Rhythmus funktioniert nach keinem erkennbaren Schema. Da muss man sich jeden Takt einzeln anschauen. Er sagt dazu nur: "Ich kann's nicht spielen, aber das ist nicht mein Problem. Das wirst Du schon schaffen."
Knauer: Das ist ein tolles Gefühl! Ich fühle mich ohnehin sehr geehrt, denn Nyman hatte noch nie Auftragsstücke für einen Pianisten in dieser Form geschrieben. Das war schonmal sensationell. Und dann auch noch die Bezeichnung der Stücke. Es ist super, wenn man etwas hat, das für einen persönlich entstanden ist. Dass ein so bedeutender Mann sich hinsetzt und mir sechs Stücke schreibt, ist keine Selbstverständlichkeit, und das macht mich sehr happy!
Das Konzert: Sebastian Knauer spielt Mozart (Auszüge aus Klaviersonaten, Fantasie c-Moll und Variationen "Ah, vous dirai-je, Maman") und sechs neue Werke von Michael Nyman (Uraufführung). Kaisersaal der Würzburger Residenz, Di., 1. Juni, 20 Uhr. Restkarten unter www.mozartfest.de
Das Album: Sebastian Knauer, "The Mozart/Nyman Concert", Modern Recordings (ab 4. Juni)