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WÜRZBURG
Satire-Jubiläum: Was Urban Priol dem Bockshorn-Chef verdankt
Urban Priol steht im Foyer des Bockshorns und blickt auf ein Plakat, das den Auftritt von Django Asyl ankündigt, der in dem Würzburger Kabarettkeller bald einen Jahresrückblick zum Besten geben wird. Priol grinst und sagt: „Wie viel' jetzt schon Rückblicke machen!“
Ein Fall für zwei: Bockshorn-Chef Mathias Repiscus (links) und Kabarettist Urban Priol arbeiten seit 25 Jahren zusammen.
Foto: Chris Weiss (2) | Ein Fall für zwei: Bockshorn-Chef Mathias Repiscus (links) und Kabarettist Urban Priol arbeiten seit 25 Jahren zusammen.
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:16 Uhr

Priol, 50, könnte Provisionen verlangen. Der Aschaffenburger hat den satirischen Jahresrückblick als Kunstform vor über zehn Jahren erfunden. Seit einem Vierteljahrhundert arbeitet er mit Bockshorn-Chef Mathias Repiscus, der bei allen seinen Bühnenprogrammen Regie führte, zusammen – Grund genug, die beiden zu einem gemeinsamen Gespräch über ihre 25-jährige Beziehung zu bitten.

Frage: Ein Vierteljahrhundert – wie hält man es so lange miteinander aus?

Urban Priol: Mit viel Schmerz, viel Bereitschaft und viel Toleranz.

Mathias Repiscus: Also ich hatte in den ersten Jahren mit Priol schon etliche Probleme. Auch so im menschlichen Bereich. Aber ich hätte ihn bei all dem, was negativ war und Stress bereitet hat, nie fallen gelassen. Dafür war er mir zu talentiert. Ich spreche natürlich von früher. Heute sind wir ja ein gut situiertes und nicht mehr trennbares Paar.

Priol: Ja. Ich hab' 25 Jahre lang eigentlich immer meine Probleme gehabt mit ihm.

Die beiden grinsen sich an.

Der leidenschaftliche Oldtimer-Sammler: Porträt von Urban Priol
Hier lesen Sie ein Porträt von Mathias Repiscus
 

Fotoserie
Priol: Durch Reibung entsteht ja Wärme, wie man so schön sagt. Und da ist viel Wärme entstanden. Ich möchte aber keinen Streit missen, den wir hatten. Gerade in den ersten Jahren. Das war sehr prägend und auch wichtig.

Repiscus: Seine Mutter, sie war eine gute Mutter, sie ist oft zu mir gekommen, wenn sie im Bockshorn seine Vorstellungen besucht hat, und dann hat sie zu mir gesagt: „Mathias, Du machst das richtig. Du nimmst ihn ran, das braucht der. Der braucht das.“

Warum sind Sie, Herr Priol, ausgerechnet bei Mathias Repiscus gelandet?

Repiscus: Erzähl jetzt nicht wieder was von der Bratwurst!

Priol: Nein. Aber so war es.

Repiscus: Nein, war es nicht. Ich habe noch nie eine Bratwurst serviert.

Priol: Selbstverständlich.

Repiscus: Mein Leben lang net.

Priol: Etwas, was er nicht hat, habe ich zum Glück: ein unglaublich gutes Gedächtnis. Ich hab' studiert damals, hab' an der English-Drama-Group gearbeitet in Würzburg und in Grombühl gewohnt . . .

Repiscus: Ich weiß auch noch, wo.

Priol: . . . erst in der Steinheil-, dann in der Matterstockstraße, also immer schön nah an der Straba. Es waren so die Anfänge, mit Klaus Staab, wir hatten Auftritte in Aschaffenburg, und über Gewerkschaftskontakte haben wir auch in Coburg und Kronach gespielt.

War das schon Kabarett damals?

Priol: Das war damals das, was wir uns unter Kabarett vorgestellt haben. Klassisches Nummernkabarett. Rollenkabarett mit Musik. Klaus war der Musiker. 'Ne Nummer, ein Lied, 'ne Nummer. Wir haben uns dann überall beworben. Und da stießen wir halt auch auf dieses legendäre Bockshorn. Und alle haben gesagt: Geh da bloß net hin. Das ist ein alter Theatermann.

Repiscus: So alt war ich damals auch noch net.

Priol: Es hieß, der ist ganz streng. So war halt die Kunde unter den wenigen, die wir damals waren in dem Gewerbe.

Repiscus: Vielleicht ein Dutzend, mehr waren das nicht.

Priol: Ich hab' mir gedacht: Na gut, ich habe ja nichts zu verlieren. Außer dass ich was zusammenstelle und hingehe, und er schmeißt mich raus – mehr kann eigentlich nicht passieren. Also bin ich eines Tages zum Bockshorn nach Sommerhausen gefahren, unten war ja die Bühne, oben die Kneipe, und auch wenn er mir jetzt wieder vehement widerspricht . . .

Repiscus: Mit Recht.

Priol: Mit Recht gar nicht. Ich ging hinein, es war eine recht laute Kulisse. Ich habe gefragt, ob ich mal den Herrn Repiscus sprechen könnte. Und dann stob da einer aus der Küche raus, und ich wette und lege meine Hand ins Feuer: Es waren Bratwürste . . .

Repiscus: Die waren wahrscheinlich schon lange auf dem Tisch.

Priol: . . . die er rausgetragen hat.

Repiscus: Daran kann ich mich nicht erinnern.

Priol: Jedenfalls kam er mit Bratwürsten raus. Und dann hat er zu mir gesagt: Ich bin Repiscus. Hab' ich gesagt: Wir wollten uns bewerben. (Priol parodiert Repiscus' Stimme): „Ja, ja, lass mal da.“ Na ja, er war vermutlich im Stress, ich habe das ja auch eingesehen (er grinst).

Repiscus: Ich habe wahrscheinlich viel zu tun gehabt. Das ist doch auch ganz normal, dass jemand, der sich bewerben will, ein paar Unterlagen oder Kostproben dalässt.

Priol: So höflich, wie Du es jetzt sagst, hast Du das nicht gesagt.

 

Repiscus lacht.

 

Priol: Ich bin dann recht verdattert wieder raus. Es war meine damalige Freundin dabei, zu der hab' ich gesagt: Das wird sowieso nichts, und sie hat gesagt: Also ein bisschen höflicher hätte er schon sein können . . .

 

Die beiden grinsen sich an.

Und dann?

Priol: Irgendwann später, es fiel jemand aus, das muss man fairerweise dazu sagen, so beginnen Karrieren ja oft . . ., da hat Mathias uns gefragt, ob wir spielen könnten an dem Termin. Haben wir uns gesagt: Gut, springen wir halt ein.

Repiscus: Ich kann mir sogar vorstellen, wer ausfiel. Ich hatte mal einen Künstler, der war für zwei Abende bei mir geplant. Der hat am Freitag gespielt und hätte am Samstag auch spielen sollen. Als ich den am Freitag gesehen habe, habe ich ihm gesagt: Ich geb' Dir das Geld für morgen auch, aber Du musst nicht mehr kommen. Möglicherweise war das dieser Abend, den ich kurzfristig neu besetzen musste . . .

Haben Sie, Herr Repiscus, damals erwartet, dass Urban Priol einer der erfolgreichsten, wenn nicht der erfolgreichste Kabarettist Deutschlands wird?

Repiscus: Ich wusste hundertprozentig, dass er ein erfolgreicher Kabarettist wird. Sein Talent in Richtung Parodie und Schauspieler und Komödiant war riesig. Was er damals noch nicht konnte, und das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, er konnte das Publikum nicht moderieren, wie man sagt. Das war ein Handicap bei ihm.

Priol: Ich konnte nicht ich sein.

Repiscus: Es war immer die vierte Wand da.

Priol: Ich habe mich sehr wohl gefühlt in Rollen, aber als ich selbst konnte ich nicht auftreten. In einem Ensemble-Programm gab es einmal eine Figur, das werde ich nie vergessen, einen Conférencier, ich musste nur für eine Minute eine Überleitung machen, damit die anderen sich umziehen konnten. Da habe ich mir soooo schwer getan . . .

Repiscus: Das haben wir damals richtig üben müssen.

Sie brauchten unbedingt Verkleidung?

Priol: Ja, klar. Das war ein reines Kostümfest früher.

Repiscus: Seinen Alwis, sein rechter Typ, den konnte er nur mit einem bestimmten Hemd. Das hat er unbedingt gebraucht, sonst hätte er den Alwis nicht spielen können.

Priol: Ich denke, das haben viele am Anfang ihrer Kabarettkarriere: Sie brauchen etwas, an dem sie sich festhalten können.

Hinter dem sie sich verstecken können.

Priol: Verstecken würde ich es nicht nennen. Aber man kann Sachen sagen, die man sich sonst so vielleicht nicht traut. Das kann eine Figur einfacher, weil Du immer sagen kannst: War ich nicht. War meine Figur. Du kannst zwar zu der Haltung der Figur stehen und auch zu Aussagen der Figur, aber Du bist nicht eins zu eins angreifbar. Du hast einen Rückzugsmoment.

Wann und warum hat sich das geändert?

Priol: Ich habe Anfang der Neunziger mit Andres Giebel Duo-Programme gemacht und wollte die Tradition des Frühschoppens wiederbeleben, und da musste ich dann ja ich selbst sein. Ich kam dann das erste Mal, weiß ich noch, mit meinem Frühschoppen zu Dir, und da warst Du sehr überrascht . . .

Repiscus: Ja . . .

. . . weil das Hemd unwichtig geworden war?

Repiscus: Das Hemd hat er nicht mehr gebraucht. Ich muss allerdings noch sagen, als Schauspieler weiß ich: Du kannst einen Militär oder einen Polizisten nicht spielen, wenn Du nicht irgendwas anhast, wo Du weißt: So sieht der Typ aus. Georg Schramm kann seinen Oberstleutnant nicht spielen, ohne die Uniform. Das würde nicht gehen. Nicht nur vom Aussehen, auch von der Haltung her. Die Uniform gibt einem eine Haltung. Insofern war das ja nicht verkehrt, dass Urban in den Anfangszeiten das Hemd genommen hat, um Alwis zu präsentieren.

Priol: Ich weiß noch, '95 war's, bei meinem ersten Solo-Programm, da sind wir von Sommerhausen aus lange gelaufen, hoch durch den Wald, zum Mittagessen . . . wie hieß das Kaff?

Repiscus: Erlach.

Priol: Und da hast Du gesagt: So was wie der Richard Rogler müsstest Du doch auch können. Hab' ich gesagt: Ach neee, da müsste ich ja ich sein. Trotz der Frühschoppen, die hatte ich da ja schon, aber so ganz ohne Rollen ging es damals dann auch noch nicht.

Repiscus: Es war die Zeit des Übergangs vom Nummernkabarett ins Stand-up. Wann war denn das eigentlich, als wir in den Baumarkt gegangen sind wegen einer Nummer?

Priol: Das war '96.

Was haben Sie im Baumarkt gesucht?

Repiscus: Im Baumarkt gibt es ganz irre Begriffe.

Priol: Wickelfalzrohr. Zum Beispiel. Oder Spreizdübel. Ich habe damals gerade zu Hause umgebaut. Es ist in meinen Programmen ja so, dass immer viel Privates mit reinspielt, vieles, was mir gerade so passiert. Das war zu dem Zeitpunkt der Hausumbau, das war die Rahmenhandlung. Beim nächsten Programm war's dann die Eröffnung von der Hofgarten-Bühne in Aschaffenburg . . .

. . . es war auch mal die Steuererklärung.

Priol: Steuer war eigentlich immer.

Repiscus: Beziehung war auch mal ganz groß dabei.

Priol: Beziehung ist auch immer dabei. Und jetzt ist es halt die Tochter, die in den Rahmen miteingebunden ist. Ich hab' mir immer gesagt: Wenn Du schon Du selber bist auf der Bühne, dann musst Du auch Themen behandeln, vielleicht etwas satirisch zugespitzt, aber Du musst schon auch die Themen behandeln, die Dich selbst betreffen.

Was haben Sie Mathias Repiscus zu verdanken?

Priol: Er hat mir das Rüstzeug beigebracht, das ich brauche, um als Kabarettist auf der Bühne arbeiten zu können. Er hat mir das Selbstvertrauen gegeben, dass ich Solist werden konnte. Mehr kann man ja auch nicht tun. Den Rest muss man selber machen.

Repiscus: Spätestens bei den Premieren habe ich ihn dann ja auch immer gelobt. Bei den Proben bin ich ja ein ziemlich harter Hund, sagen jedenfalls viele.

Ist er?

Priol: Jaaaaaa. Es ist jetzt zwar nicht so, dass meine halben Programme von Mathias sind, aber er hat oft viele kleine Highlights geliefert.

Repiscus: Das ist so ein bisschen ein Pingpong-Spiel beim Proben. Meine Spezialität bei Priol waren eigentlich meistens die Schlüsse. Er kam häufiger mit einem fast fertigen Programm an und hat gesagt: Du, ich hab' noch keinen Schluss.

Herr Priol, Sie sollen ja immer mit vier Stunden Programm ankommen, und dann muss es eingedampft werden.

Priol: Vier Stunden? Ach, da wär er froh, wenn ich nur mit vier Stunden käme. Das gemeinsame Eindampfen macht sehr viel Spaß, ich glaube aber auch, dass es Mathias Spaß macht, dass überhaupt was zum Eindampfen da ist. Es ist nichts schlimmer, als wenn man ankommt und sagt: Da ist mein Text. Und der Regisseur fragt: Wo?

Repiscus: Ich habe bei anderen Kabarettisten auch schon erlebt, dass zum Probenbeginn gerade eine Hälfte des Programms fertig war und die andere erst noch konzipiert und geschrieben werden musste. Bei Urban ist es aber auch nicht leicht, ihn immer wieder zu überzeugen, welcher Text jetzt noch raus muss.

Priol: Das ist richtig (grinst).

Woher kommt eigentlich Ihr Faible, Herr Priol, derart aktuell sein zu wollen?

Priol: Ganz einfach: Wenn ich mich jeden Tag über etwas aufrege, dann möchte ich das auch so schnell wie möglich loswerden.

Repiscus: Natürlich weiß er inzwischen auch, dass er ein Unikat ist in der Beziehung. Die Aktualität, was am Abend zuvor passiert ist oder noch am selben Tag, und am Abend liefert er dann ein Dutzend Pointen dazu ab – das kann außer Priol nun wirklich keiner. Es gibt Kabarettisten, die brauchen zwei, drei Tage Zeit, um auch nur einen neuen Satz zu verinnerlichen.

Priol: Mir macht das ja auch Spaß. Die Welt verändert sich jeden Tag, da muss sich auch ein Programm jeden Tag verändern.

Und wie geht es jetzt weiter mit Ihnen?

Repiscus: Na ja, Priol ist ja leicht abergläubisch. Wenn er mich noch fragt, ob ich ihm behilflich sein möchte, dann ist es auch deswegen, weil er denkt: Der Repiscus war jetzt immer dabei, und wenn er mal nicht dabei ist, dann könnte es sein, dass es in die Hose geht.

Priol: Das hat nichts mit Aberglaube zu tun. Ich fühle mich sehr wohl und gut aufgehoben bei ihm.

Repiscus: Und unsere Proben sind ja auch immer lockerer und legerer, angenehmer geworden. Natürlich bin ich auch nicht mehr ganz so streng. Die Zeit, dass ich sage: Das muss jetzt unbedingt so und so sein, das geht nicht anders, die ist schon vorbei.

Sie sind altersmilde geworden?

Repiscus: Das Wort höre ich nun aber auch wirklich ungern.

Priol: Der eine altersmilde, der andere altersweise – jetzt können wir uns aussuchen, wer was ist.

Erfolgreiches Gespann: Mathias Repiscus und seine Frau Monika Wagner-Repiscus, die mit ihrem Mann das Bockshorn seit 25 Jahren betreibt – dahinter ein Priol-Plakat.
| Erfolgreiches Gespann: Mathias Repiscus und seine Frau Monika Wagner-Repiscus, die mit ihrem Mann das Bockshorn seit 25 Jahren betreibt – dahinter ein Priol-Plakat.
 
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