Anschnallen!“ Dann geht's los. Urban Priol tritt aufs Gas, und sein Bergfloh holpert übers Kopfsteinpflaster in der Obernburger Altstadt. Wenn er schaltet, knarzt es manchmal, und auf die Frage, ob das denn jetzt das Bodenblech war, das die Straße geknutscht hat, als es so laut wurde, oder doch der Ölwanne, lacht er. „Nee, nee, alles in Ordnung, die waren halt noch nicht so gut gefedert damals.“
Er biegt ab auf die Bundesstraße in Richtung Aschaffenburg. Wenn man Urban Priol so sieht hinterm Steuer seines blauen Rileys, den er nur Bergfloh nennt, und ihn erzählen hört über alte Autos, und wenn man trotz der schlechten Federung und der harten Sitze noch spürt, was er dabei ausstrahlt, dann kann man auf die Idee kommen, dass der Tacho neben dem Spaß auch die Entspannung und die Ausgeglichenheit anzeigt, die er in diesem Moment empfindet: 100.
Sein Bergfloh, ein Engländer Baujahr 1968, 998 Kubik, 39 PS, mit dem Priol gerade zu einem Auftritt fährt, gehört zu dem guten Dutzend Oldtimern, die er gesammelt hat in den letzten Jahren. „Zwar nicht alle zugelassen, aber alle fahrbereit.“ Autos aus den 60er und 70er Jahren haben es ihm angetan, vor allem „die Brot- und Butterautos“, und besonders „ans Herz gewachsen sind ihm skurrile Engländer“, wie der 76er Triumph Stag oder der Morris Minor 1000 mit Holzrahmen.
Mit vielen seiner Oldtimer verbindet Priol eine persönliche Geschichte. Erinnerungen aus der Kindheit, Flausen aus der Jugend, aus der Zeit halt, als der Aschaffenburger noch nicht einer der scharfzüngigsten und bekanntesten Kabarettisten Deutschlands und Fernsehpreisträger war. Aus der Zeit, als er noch in der Kneipe bediente und sehnsüchtig darauf wartete, seinen Führerschein zu kriegen, und davon träumte, ein Auto wie James Bond zu fahren. Er musste sich dann erstmal mit einem Kadett C Coupé begnügen. Die Sammelei begann er vor 14 Jahren mit einem Alfa, kurz nachdem seine Tochter auf die Welt gekommen war. Giulia heißt sie, und als die Familie damals in Rimini Urlaub machte, sah Priol eine Alfa Giulia, carabinieriblau, 1,6 Liter, 98 PS. „Ich wollte einfach ein Auto, das so heißt wie meine Tochter.“
Hört man genauer zu, wenn Priol von seiner Leidenschaft erzählt, wenn er sagt „Philosophie ist vielleicht etwas übertrieben, aber ich find's schon wichtig, Altes zu erhalten“, wenn er erklärt, dass er von März bis Oktober am liebsten mit einem Oldtimer zu seinen Auftritten fährt, „weil das immer wie ein Kurzurlaub ist und ich viel entspannter auf die Bühne geh'“, dass er auch deshalb so gerne bei Oldtimer-Rallyes mitfährt, bei drei bis fünf im Jahr, „weil's das Hirn frei pustet“. Wenn man da also genauer hinhört, dann kann man auch eine Ahnung davon bekommen, was der stets hochtourig arbeitende Hochgeschwindigkeitskabarettist meint, wenn er sagt: „Wenn ich in 'nen Oldtimer steige, ist das für mich Entschleunigung.“
Der Handel mit Oldtimern ist zu einem Riesenmarkt geworden, Priol findet seine durch Anzeigen, Kontakte, Mundpropaganda. Eines seiner neuesten Babys: ein VW-Bus, Modell t 2 b, kaledoniengrün, Baujahr '78, aus erster Hand. „Westfalia-Ausstattung, mit Bett und Kühlschrank, mehr braucht's net“, sagt der Mann, der einen Großteil des Jahres in Hotelzimmern nächtigt. Er öffnet die Seitentür, und die Polster mit dem hell-und-dunkelgrün-schwarzen Streifenmuster und die giftgrünen Vorhänge entfalten ihre ganze Scheußlichkeit. „Da fühle ich mich in die Jugend zurückversetzt.“ Nach dem Abi hat er mit Kumpels einen alten VW-Bus auf Vordermann gebracht, die Clique ist damit in Urlaub gefahren. Mit seinem t 2 b war er nun im Elsass, am Gardasee, im Burgund. Und weil er einfach dazugehört zu einem VW-Bus aus den 70ern, hat sich Priol auch den Aufkleber für die Heckscheibe im Internet besorgt: „Atomkraft? Nein Danke“. Der Schlüssel für den Bus hängt an einem kleinen Zauberwürfel. „Die Details müssen stimmen“, sagt Priol.
Es geht um die Ecke, und plötzlich geht Urban Priol nicht mehr. Er schreitet – auf seine Göttin zu: Citroën DS 21, Baujahr '66, 96 PS, 2160 Kubik, silbergrau mit schwarzem Dach. „Eines der ästhetischsten Autos überhaupt.“ Der letzte DS mit den einzeln stehenden Scheinwerfern. „Und für einen Banküberfall völlig untauglich.“ Der DS – im Französischen wie Déesse ausgesprochen, was Göttin bedeutet – hat eine hydropneumatische Federung. Das Auto muss sich erst hochpumpen, bevor man losfahren kann.
„Die große Stadt lockt mir ihrem Glanz, mit schönen Frau'n, mit Musik und Tanz“, singt Michael Holm in „Tränen lügen nicht“. Urban Priol, im Mai 48 geworden, ist in Obernburg aufgewachsen, zu einer Zeit, als es vielleicht zwei Kneipen gab, die Dorfjugend sich am Marktplatz traf und der Bus noch nicht stündlich fuhr. „Seit ich 14 war, hab' ich die Jahre und Monate gezählt, bis ich endlich den Führerschein bekommen hab'.“ Für ihn bedeutete das Freiheit. „Es gibt auch das Gerücht, dass ich noch vor Mama und Papa als erstes Wort Auto gesagt haben soll.“ Man darf annehmen, dass es eines der Gerüchte ist, die nie Wahrheit sind, aber es passt halt gerade so schön ins Gespräch.
In der Nähe von Obernburg hat Priol einen ehemaligen Schweinestall gemietet, in dem ein Teil seiner Sammlung steht: ein Kadett C Coupé, „mit genau dem Kennzeichen, das mein erster hatte“, ein Mercedes 280er SL, die Pagode, ein 240 TD, „der letzte richtige Benz“, ein Cortina deluxe, „der englische Ford Taunus“, und ein Lotus Esprit, jenes Auto, mit dem Roger Moore als 007 in „Der Spion, der mich liebte“ tauchen fuhr. „Ein reiner Jux.“ Bond-Fan Priol sagt, bei einem Kilometerstand von 14 007 habe er einfach nicht widerstehen können. „Esprit . . . das passt ja auch wieder.“
Auto-Sammler und Bond-Fan? Da ist eine Marke ein Muss! „Is' doch nur ein DB6“, sagt er, und es klingt fast ein wenig entschuldigend, als er ein Garagentor öffnet und der Traum eines Aston Martin, Baujahr '67, in Trafalgar Blue zum Vorschein kommt. Der DB6 ist der Nachfolger des legendären DB5 aus „Goldfinger“. „Andere hatten mal Aktien“, sagt Priol, „ich mach' das Tor auf und kann sagen: Ihr seid ja noch alle da!“ Das ist ihm tausendmal lieber als jedes Depot. Zwei Stunden später, auf seiner Bühne im Hofgarten, wird Priol die Abwrackprämie aufs Korn nehmen und die Opel-Rettung. Und er wird sagen: „Als Heranwachsende waren die Bond-Filme die Leitplanken unseres Lebens.“
Die Oldtimer und Priols persönliche Geschichten. Sein Bergfloh erinnert ihn an das halbe Jahr, als er mit 16 in England zur Schule ging. Er wohnte bei einer Witwe, und „die hat mich ab und zu mit einem Riley zur Schule gefahren“. Als er vor ein paar Jahren in Berlin einen entdeckte, wusste er: „Das ist der richtige, dieser zu heiß gewaschene Rolls-Royce.“