Fest gibt's keins. Gefeiert wird der 25. Geburtstag des Bockshorns allenfalls im kleinen Kreis. Vielleicht, weil Mathias Repiscus und seine Finanzministerin und Gattin, Monika Wagner-Repiscus, sicher sind, die Eröffnungsveranstaltung nach dem Umzug nach Würzburg nicht toppen zu können. Damals, im Oktober 2001, erwiesen vierzehn Kabarett-Stars dem Bockshorn und seinen Machern die Ehre, von Urban Priol über Heinrich Pachl und Arnulf Rating bis zu Dieter Nuhr und Georg Schramm. Vielleicht wollen die Bockshörner aber auch vermeiden, dass Grußonkel, die sonst nie in den Kabarettkeller hinabstiegen, sich jubiläumsgerecht auf die Füße steigen.
Im Oktober wird es ein Vierteljahrhundert, dass Mathias Repiscus in Sommerhausen, in einem rustikal-gemütlichen Gewölbekeller, eine Kleinkunstbühne eröffnete. Ulrich Roski, der mittlerweile gestorbene Berliner Liedermacher, war sein allererster Gast.
An diesem Freitag, 11. September, geht's in die 26. Saison – der Schweizer Repiscus hat in der fränkischen Provinz eine Bühne auf Weltniveau geschaffen. An den Wänden links und rechts hängt eine Ahnengalerie des deutschen Kabaretts. Alle waren sie schon da: Matthias Beltz, Dieter Hildebrandt, Ottfried Fischer, Georg Schramm, Dieter Nuhr, Jürgen Becker, Volker Pispers, Ingo Appelt, Urban Priol, Michael Mittermeier . . .
Jazz als Leidenschaft
„Ich bin sensibilisiert für Menschen, die Talent haben“, sagt Repiscus. Talente zu fördern sei eine Herzensangelegenheiten, auch, wenn es immer schwieriger werde, weil dem mit allem möglichen Klamauk zugedröhnten Publikum mittlerweile zu oft die Neugier abgehe für neue Namen. Das findet Repiscus sehr, sehr schade: „Heute Talente zu fördern, ist etwas Luxuriöses.“
Neulich arbeitete Repiscus mit der Band Viva Voce. Die fünf Ansbacher Jungs gaben sich die ganze Zeit als A-cappella-Boygroup, „aber da wachsen sie jetzt raus“, sagt Repiscus. Gesanglich wunderbar seien sie, „besser als die Wise Guys“, die erfolgreichste deutschsprachige A-cappella-Gruppe, die auch weit weg von ihrer Heimat Köln ganz ohne Werbung regelmäßig große Säle ausverkauft. Repiscus hat ein Faible für Musik, lässt neben alten Kabarett-Hasen und jungen Comedy-Hüpfern auch immer wieder Musik ertönen in seinem Keller. In der Jugend, bevor er zum Theater ging, war er Schlagzeuger einer Jazzband. „Jazz ist meine Leidenschaft.“ Seine zehnjährige Tochter nimmt Klavierunterricht, der stolze Papa, der aus erster Ehe zwei erwachsene Söhne hat, meint: „Sie hat viel Talent.“
Früher, in Sommerhausen, „da hatten wir noch sehr viel mehr Musik“. Repiscus lud Ghanesen zum Musizieren ein, „da hatte noch niemand was vom Africa Festival gehört“. Er würde Musik auch heute noch häufiger anbieten, aber der Laden muss sich ja rechnen. „Dort, wo die Leute keine Schublade aufmachen können, sperren sie sich ein bisschen. Kann man nichts machen, ist so“, sagt Repiscus. Mit Priol arbeitet er seit Mitte der Achtziger zusammen. Und noch heute, meint Repiscus, sei es stets ein Kraftakt, das Programm des Aschaffenburgers einzudampfen, weil: „Der Priol kommt daher und würde am liebsten vier Stunden spielen, und ich sag' ihm dann immer: Das geht nicht, die Leute wollen nach zwei Stunden wieder heim.“ Ein „echter Kampf“ sei das jedes Mal aufs Neue. Wenn man weiß, wie kreativ und produktiv Priol sein kann, wie schnell und wie viel er kommentieren will, und wenn man dann noch weiß, wie akribisch und konsequent und manchmal ein bisschen stur Repiscus sein kann, dann kann man sich vorstellen, wie die beiden kämpfen um jeden einzelnen Satz, jedes Wort, jedes Komma.
Er bietet der Kabarettzunft nicht nur die Bühne – er schreibt mit bei Programmen, bereitet auf Wunsch Fernsehauftritte vor, führt immer wieder Regie. Bei Priol, bei Mathias Tretter, bei anderen. Philipp Weber bekam voriges Jahr den Förderpreis des Deutschen Kabarettpreises, das Programm hatte Repiscus mit ihm gemacht, und wenn er davon erzählt, merkt man schon, dass auch Repiscus ein wenig stolz ist auf die Auszeichnung.
Regie führen im Kabarett – was heißt das? „Im Theater hat man ein Stück vor Augen, hat die Rollen und die Szenen studiert und ein Konzept, wie man das umsetzen will“, sagt Repiscus, der auch schon im Theater Regie geführt hat. Im Kabarett gehe das nicht. Einer schreibt klasse, ist aber nicht so der Komödiant. Der andere ist ein toller Komödiant, kriegt aber die Texte nicht hin. Damit der eine nicht zum langweiligen Textvorleser wird und der andere nicht zum nichtssagenden Clown, „muss ich versuchen, jeden entsprechend seiner Persönlichkeit ins Rampenlicht zu bringen“.
Repiscus selbst bestieg die Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, zu einer Zeit, als sich das Theater der Avantgarde verschrieben hatte. In Frankfurt war er auf der Schauspielschule, er spielte an der Städtischen Bühne und in Kellertheatern, später in München am Modernen Theater. Den Kaspar Hauser und das Rumpelstilzchen gab er, interpretierte auch Beckett und Ionesco. Weil er von München die Nase voll hatte, folgte er 1970 dem Ruf Luigi Malipieros ans Torturmtheater in Sommerhausen, wo er 1984 das Bockshorn eröffnete.
Den jungen Leuten, mit denen er arbeitet, „die noch gar nicht fertig sein können“, will Repiscus Rüstzeug mitgeben, „zeigen, worauf's ankommt. Nur was loswerden wollen und ein paar Sprüche ablassen, das ist noch keine Klasse“, sagt Repiscus, der um sein Alter ein Geheimnis macht. Er will es partout nicht verraten, sagt, er habe so viel mit jungen Leuten zu tun, die sollten nicht gleich erfahren, wie alt er tatsächlich ist, weil sie ihn sonst vielleicht nicht mehr ernst nähmen. Auch private Geburtstage feiert Mathias Repiscus lieber im kleinsten Kreis . . .