
Um Mozart mit Künstlicher Intelligenz (KI) in Verbindung zu bringen, muss man vermutlich Digitalministerin sein. So wie Judith Gerlach, die ihre Eröffnungsrede beim Würzburger Mozartfest im Kaisersaal der Residenz am Freitag nutzte, um für einen offenen Umgang mit KI zu werben. Die Verbindung zwischen dem Namensgeber des Festivals und der neuen Technologie sieht sie darin, dass beide zu ihrer Zeit ähnlich wahrgenommen worden seien – nämlich als "etwas Unerklärliches".
Gerade dieses Unerklärliche beschäftigt in dieser Saison das Mozartfest. Dessen Motto "speculire - studiere - überlege", eine Selbstbeschreibung des Komponisten aus einem Brief, stellt den romantischen Mythos des Wunderwesens Mozart in Frage, dem seine genialen Schöpfungen nur so zugeflogen seien. Es will den Denker, den Arbeiter, den Tüftler Mozart erkunden. Der eben nicht dasaß und auf Eingebungen wartete, sondern hart an seiner Musik arbeitete. Dass dabei unerklärlich Schönes entstand, macht die "Faszination Mozart" aus, so der Untertitel des Festivalmottos. Dass KI jemals in der Lage sein wird, derartiges zu leisten, ist schwer vorstellbar.
So kann man das Konzert durchaus als Blick in die Werkstatt des Komponisten deuten. In die Werkstatt des Vollendeten wohlgemerkt. Das B-Dur-Klavierkonzert KV 595 und die g-Moll-Sinfonie KV 550 gehören zu den absoluten Meisterwerken. Ragna Schirmer, Artiste étoile dieser Saison, spielt das Klavierkonzert mit funkelnder Souveränität. Sie hat ein bannendes Gespür für die innere Bewegtheit dieser Musik. Und für den Klang des Flügels in diesem Saal, der bekanntermaßen seine akustischen Tücken hat.
Ragna Schirmer ist die ideale Botschafterin des Festivalmottos
Der Pianistin gelingen selbst immer wieder Momente am Rande der Unerklärlichkeit, insofern ist sie ideale Botschafterin des Festivalmottos. Ihr entwaffnend natürlicher Umgang mit den Tempi und deren quasi einkomponierten Schwankungen. Oder ihr magisch tragendes Pianissimo, das sich scheinbar mühelos gegen den Nachhall des anfangs recht hemdsärmelig zu Werke gehenden Orchesters durchsetzt.
Das finnische Ostrobothnian Chamber Orchestra fällt zuerst vor allem durch unbändige Energie auf. Die einleitende Streichersinfonie von Carl Philipp Emanuel Bach kommt mit teilweise schneidendem Biss, kleinen Intonationstrübungen in den Geigen, dafür jeder Menge Schwung. Der setzt sich im Klavierkonzert fort, lässt aber den Wunsch nach gelegentlich auch feineren Linien offen.

Die kommen dann in der zweiten Hälfte. Mit einem hypnotisch intensiv vorgetragenen Stück des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara (1928-2016): "Into the Heart of Light", komponiert 2011 zum 40-jährigen Bestehen des Orchesters. Ein Werk wie ein atmender Organismus. Als begegne man einem Wesen mit einem uralten Bewusstsein. Oder, wie es ein Gast formuliert: "Wie eine Kindheitserinnerung."
Motor dieses Phänomens ist die fabelhafte schwedische Konzertmeisterin Malin Broman
Und dann die g-Moll-Sinfonie. Rasant, sensibel, zärtlich, wuchtig, filigran und, wenn es sein muss, kompromisslos schroff. Da stimmt einfach alles. Wunderbar. Motor dieses Phänomens ist die fabelhafte schwedische Konzertmeisterin Malin Broman. Sie leitet vom ersten Pult aus mit ausladender Körpersprache fast schon pantomimisch das Orchester, das ihr mit großer Präzision in die kleinsten Verästelungen der Partitur folgt.
Als Dank für den begeisterten Applaus zwei finnische Volkslieder. Nach dem Klavierkonzert haben Malin Broman und Ragna Schirmer als Zugabe den dritten Satz aus Mozarts Violinsonate KV 380 gespielt. Und damit einen Wunsch geweckt, der an diesem Abend freilich unerfüllt bleiben muss: ein gemeinsamer Sonatenabend dieser beiden Ausnahmemusikerinnen.