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Würzburg
Premiere am Mainfranken Theater: Die "Marquise von O..." erzählt von der Emanzipation einer starken Frau
Das Mainfranken Theater in Würzburg blickt mit weiblicher Perspektive auf Heinrich von Kleists Novelle. Es geht um Zwänge einer ungewollten Schwangerschaft und rigorose Konventionen.
Im Keller Z87 zeigt das Mainfranken Theater in Würzburg das Schauspiel 'Die Marquise von O...' von Heinrich von Kleist.
Foto: Thomas Obermeier | Im Keller Z87 zeigt das Mainfranken Theater in Würzburg das Schauspiel "Die Marquise von O..." von Heinrich von Kleist.
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:58 Uhr

Düsteres Bühnenbild, kristallklare Sprache, großartige Schauspieler und eine packende Handlung, spannend wie ein Kriminalroman - diese vier Merkmale kennzeichnen die jüngste Premiere des Würzburger Mainfranken Theaters. Gespielt wird erneut im Keller Z87 auf dem Bürgerbräugelände, der sich für "Die Marquise von O..." als idealer Schauplatz erweist. Dramaturg Oliver Meyer, seit Beginn dieser Spielzeit in Würzburg, hat Heinrich von Kleists Novelle aus dem Jahr 1808 zu einem intensiven Kammerspiel verdichtet.

Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung ist die Titelfigur Julietta, die Marquise von O. Mitten im Krieg wird sie von feindlichen Soldaten sexuell bedrängt, von einem Offizier befreit, und dann von ihrem Retter im Schlaf vergewaltigt. Kleist erzählt diese Tat nicht explizit, deutet sie lediglich mit einem Gedankenstrich an. Weil auch die Marquise sich nicht an die Vergewaltigung erinnern kann, ist die Wochen später sichtbar werdende Schwangerschaft ein Schock, insbesondere für ihre Eltern und ihren Bruder. Aus dieser von Kleist bewusst gesetzten Leerstelle und dem damit verbundenen Nichtwissen bezieht das Stück seine Spannung: Wer ist der Vater des Kindes? Ist Juliettas Nichtwissen glaubhaft?

Im Lauf des Stücks findet die Marquise (Sina Dresp, Zweite von rechts) zu eigener Stärke und beschreitet mit emotionaler und geistiger Klarheit den von ihr als richtig erkannten Weg.
Foto: Thomas Obermeier | Im Lauf des Stücks findet die Marquise (Sina Dresp, Zweite von rechts) zu eigener Stärke und beschreitet mit emotionaler und geistiger Klarheit den von ihr als richtig erkannten Weg.

Im beindruckenden Bühnenbild von Marcel Keller, das die Patinea des Kellergewölbes aufgreift und die Bühne gekonnt in einen vom (Ukraine-) Krieg verwüsteten Nicht-Ort verwandelt, arbeitet Regisseurin Solvejg Bauer die konflikthaften Spannungsmomente heraus. Schon die Eingangsszene verdeutlicht den Stil der Inszenierung. Vorsichtig, zögernd, beinahe tastend erkundet die Marquise die Bühne und verliest dann, der Chronologie vorgreifend, die Zeitungsannonce, mit der sie den Kindsvater sucht.

Gegen alle Widerstände setzt die Marquise ihre Eigenständigkeit durch

Sparsame und langsame Bewegungen, reduzierte Gestik und exaktes Sprechen ziehen die Zuschauerinnen und Zuschauer sofort in den Bann. Über die gesamten 70 Minuten kann man gespannt die Emanzipation einer starken Frauenfigur verfolgen - aus den Zwängen einer ungewollten Schwangerschaft, aus den rigorosen Konventionen ihrer Familie und der ständischen Etikette ihrer Zeit. Gegen alle Widerstände setzt sie ihre Eigenständigkeit durch, behauptet ihre Unschuld, zeigt sich unbeeindruckt vom Hausverbot, das ihr Vater ausspricht, lässt sich auch von einer List ihrer Mutter nicht in die Irre führen und begibt sich unverdrossen auf die Suche nach dem Kindsvater.

Sina Dresp ist die ideale Besetzung für die Rolle der Marquise. Mit souveräner Ruhe und starker Präsenz ragt sie aus einem starken Team heraus. In jeder Szene ist sie Fixpunkt der Inszenierung, selbst wenn sie beiläufig in einem Buch der Kolumnistin Margarete Stokowski liest, während die anderen über ihr Schicksal bestimmen (wollen).

Immer mehr findet die Marquise zu eigener Stärke und beschreitet mit emotionaler und geistiger Klarheit den von ihr als richtig erkannten Weg. Dabei überwindet sie nicht nur die Einwände des moralisch gestrengen Vaters (Georg Zeies), des aufgebrachten und fürsorglichen Bruders (Anselm Müllerschön) und die Zerrissenheit ihrer Mutter (Isabella Szendzielorz), sondern findet den Kindsvater (Martin Liema) und ganz am Ende dieser Würzburger Fassung auch einen Weg, sich an ihm zu rächen.

Nächste Vorstellungen: 29. März, sowie am 5., 9. 13., 17. und 20. April. Karten: www.mainfrankentheater.de

 
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