Eine Ausstellung, die sich nicht selbst erklärt? Die sich dem Besucher erst richtig erschließt, wenn er die begleitenden Veranstaltungen besucht? Das ist ziemlich mutig in Zeiten, in denen sich die Kunstvermittler den Kopf zerbrechen über immer einfachere, leichter zugängliche, niederschwelligere Angebote. "Wahrscheinlich werde ich auch erstmal auf die Nase fallen", sagt Simone Michel-von Dungern, Leiterin des Museums Malerwinkelhaus in Marktbreit (Lkr. Kitzingen).
Aber einen Versuch ist es wert, schließlich hat die Museumsleiterin die Erfahrung gemacht, dass das Publikum sich auch ganz gerne mal fordern lässt: "Niemand erwartet von uns ein liebliches Weihnachtsprogramm." Die Weihnachtsausstellung ist heuer deshalb eher eine Veranstaltungsreihe als eine klassische Ausstellung.
Über 20 Jahre lang kam alljährlich Post vom Weihnachtsmann
Sie widmet sich den "Briefen vom Weihnachtsmann" von J.R.R. Tolkien, dem Schöpfer der Hobbit-Welten ("Der Herr der Ringe"). Tolkien (1892-1973) schickte als Weihnachtsmann über zwei Jahrzehnte lang Briefe an seine vier Kinder, den ersten 1920 an seinen damals dreijährigen Sohn John, den letzten 1943 an die jüngste und einzige Tochter Priscilla, damals 14. Er berichtet darin von allerhand Missgeschicken, die ihm, dem Weihnachtsmann, und seinem tapsigen Helfer, dem Nordpolarbär Karhu, widerfahren seien, und die erklären, warum die Bescherung nicht so üppig ausfiel wie vielleicht erhofft.
Tolkien hat seine Briefe höchst kunstvoll und witzig illustriert - von den täuschend echten Nordpol-Briefmarken und -Poststempeln bis hin zu ganzen Bildergeschichten, die den Autor als versierten, detailverliebten Künstler ausweisen. So schreibt er mit demonstrativ zittriger Schrift - weil es einerseits am Nordpol so kalt ist und er andererseits von spannenden Vorfällen berichten muss: "Keine Tinte diesmal und kein Wasser, also auch keine bunten Bilder; außerdem sehr kalte Hände, daher sehr wacklige Schrift."
Ein Wasserschaden verhindert die Auslieferung der Geschenke
Einmal weht der Polarwind die Mütze des Weihnachtsmanns auf die Spitze des Nordpols - das englische "Pole" heißt auch "Pfosten" -, und der Bär klettert verbotenerweise hinauf, um sie zu holen. Da bricht die Spitze ab, Bär und Pfosten stürzen aufs Haus des Weihnachtsmanns. Die Folgen: Es muss ein neues Haus gebaut werden, und die Geschenke, die im alten lagerten, sind kaputt. Oder: Der Bär nimmt ein Bad und schläft ein, das Wasser fließt ungehindert weiter. Der Wasserschaden trifft die Abfertigungshalle für England – keine Geschenke also für die Kinder dort.
Die Ausstellung ist an den vier Adventssamstagen von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Oder eben zu erleben. An den Wänden hängen zwar Tafeln mit Infotexten und vergrößerten Abbildungen, doch das Eigentliche findet im Begleitprogramm ab 15 Uhr statt. Am ersten Samstag stellt Museumsleiterin Simone Michel-von Dungern das Werk vor und liest aus den Briefen. Schülerinnen und Schüler der Markbreiter Realschulen zeigen Bilder, die sie dazu gemalt haben – eigene grafische Umsetzungen der teils dramatischen Geschehnisse.
Die Besucher können selbst zu Höhlenmalern werden
Am zweiten und dritten Samstag gibt es weitere Lesungen, am dritten außerdem (Vor-)Führungen und Aktionen, wie es im Programm heißt. So können Kinder (oder Erwachsene) eigene Höhlenmalereien mit authentischen Pigmenten auf Stein schaffen – wieder angelehnt an Tolkien, der in einigen Briefen von den Kobold-Höhlen berichtet und Beispiele für deren Malereien dort mitliefert. Für die "Ring"-Saga entwickelte Tolkien eine Elben-Sprache mit eigener Schrift, für die Briefe erfand er ein Kobold-Alphabet, das Simone Michel-von Dungern nun eingedeutscht hat, damit Kobold-Nachwuchs-Philologen eigene Nachrichten auf Koboldisch verfassen können.
Die Kobolde übrigens sind hartnäckige Störenfriede, die schon mal Märklin-Eisenbahnteile klauen. Und gegen die tatkräftig vorgegangen werden muss – die entsprechenden Passagen sind Anspielungen auf den Krieg in der realen Welt – Tolkien lässt als Weihnachtsmann immer wieder Parallelen zu den schwierigen Zeiten in der Welt südlich der relativ heilen Nordpolwelt anklingen. Etwa, indem er darauf hinweist, dass viele Kinder draußen in der Welt hungern und keine Kleidung haben und deshalb versorgt werden müssen, bevor andere ihre Geschenke bekommen.
Die Briefe waren nicht zur Veröffentlichung gedacht
Der Raum für die Sonderausstellungen ist jetzt also bestuhlt. In einer Vitrine liegen mehrere Ausgaben des Buchs aus, dessen erste Auflage erst 1976 erschien, drei Jahre nach Tolkiens Tod. Die Briefe waren nicht zur Veröffentlichung bestimmt – wie viele andere Geschichten und Bilder, die sich der Vater ununterbrochen für seine vier Kinder ausdachte. Es war Tolkiens Schwiegertochter Baillie, Frau von Sohn Christopher, die das Buch drei Jahre nach seinem Tod herausbrachte, in deutscher Sprache ist es bei Hobbitpresse/Klett-Cotta erschienen.
Der künstlerische Weihnachtsmarkt des Malerwinkelhauses ist heuer nur noch sonntags zu sehen. "Es wurde immer schwieriger, Anbieter zu finden, die besondere Waren führen, jenseits dessen, was man inzwischen überall bekommt", sagt Simone Michel-von Dungern. Außerdem sei im Advent mittlerweile an jeder Ecke irgendwas Weihnachtliches los. "Als wir vor neun Jahren mit dem künstlerischen Weihnachtsmarkt angefangen haben, war das total neu. Und jetzt ist wieder Zeit für etwas Neues."
Museum Malerwinkelhaus, Marktbreit: An den vier Adventssamstagen Ausstellung zu J.R.R. Tolkien, "Briefe vom Weihnachtsmann", 14 bis 18 Uhr. Ab 15 Uhr Lesungen und Aktionen. Eintritt frei. Sonntags Künstlerischer Weihnachtsmarkt, ebenfalls 14 bis 18 Uhr.