„Es war, als würde ich nach Hause kommen.“ Dieses Gefühl begleitet Simone Michel Freifrau von Dungern seit gut vier Jahren. 2006 zog sie nach Marktbreit. Schon länger war die Wissenschaftlerin auf der Suche, wo sie sich niederlassen könnte. Viele Städte in Deutschland oder in den USA lagen auf ihrem Weg, der einst in Mainsondheim bei Dettelbach begann. Dort ist Simone Michel-von Dungern aufgewachsen und im Alter von 20 Jahren weggezogen. Zuerst fürs Studium nach Würzburg. Später nach Hamburg und weiter weg. In Marktbreit haben sich nun „alle Puzzleteile“ ihres Lebens zusammengefügt. Sie lernte in der Stadt ihren Mann kennen, den ehemaligen Ein-Sterne-Koch Alexander von Dungern, beruflich bot sich ihr dort „ein Traumjob“. Seit Januar ist die 45-Jährige Leiterin des Museums Malerwinkelhaus.
Entspannt sitzt die Nachfolgerin von Angelika Breunig auf dem Kaffeehaus-Stuhl, nicht im Kaffeehaus, sondern in der guten Stube des schmalen Gebäudes direkt am Breitbach. Als eine der ersten Aktionen renovierte die neue Museumschefin ihr neues Refugium. Der Eingangsraum hat sich in einen gemütlichen Ort verwandelt. Dort erzählt die Museumschefin leise, aber bestimmt über ihre Beweggründe, die Karriere als Wissenschaftlerin zugunsten einer, wie sie sagt, „spannenden und vielseitigen Herausforderung“ auszuschlagen.
Magische Gemmen der Spätantike
Viele Jahre forschte die Archäologin und Kunsthistorikerin über das Gold der Skythen, als die Reiternomaden aus der eurasischen Steppe hierzulande noch kein Thema waren. Vor zwölf Jahren habilitierte sie sich über magische Gemmen der Spätantike im römischen Ägypten. Währenddessen katalogisierte sie den Bestand dieser fein geschnittenen bunten Edelsteine des Britischen Museums in London, deren eingravierte Inschriften und Bildmotive mit bloßem Auge kaum zu entdecken sind. Zudem fotografierte sie Gemmen-Sammlungen in den USA – und war dort noch in anderer Mission unterwegs.
Simone Michel-von Dungern ist Saxofonistin, spielte Blues und Rock mit so bekannten Musikern wie John Lee Hooker oder Luther Allison. Sie trat auch mit Dr. Feelgood und der Gruppe BAP auf. 2005 erhielt sie den Deutschen Rock- und Pop-Preis in der Kategorie „Rhythm & Blues“ und nahm ihre CD „Homemade“ unter anderem mit Musikern von Taj Mahal auf. Sie hätte durchaus eine andere Laufbahn einschlagen können. Trotz ihrer Qualifikation strebte Simone Michel-von Dungern kein Leben ausschließlich als Profi-Musikerin und keine Professorinnen-Stelle an. Die Privatdozentin pendelte lieber von Universität zu Universität, zuletzt nach Hanau und Gießen, übernahm Lehraufträge, organisierte Exkursionen, hielt Vorträge, schrieb Bücher. Musik war und ist ein Ausgleich für sie.
Im Malerwinkelhaus stehen „Frauen-Zimmer“ im Mittelpunkt und Sonderausstellungen. „Kettengerassel“ heißt ihre erste. So wie jeder Führungswechsel in einer Institution immer Veränderungen mit sich bringt, so weht jetzt auch unter Simone Michel-von Dungern frischer Wind durchs Malerwinkelhaus. Es gibt künftig nur noch eine Sonderausstellung im Jahr und zu Weihnachten verschiedene Aktionen. Die übliche Vernissage entfällt zu Gunsten eines Multimedia-Vortrags in der Rathaus-Diele, „der neugierig machen soll“.
Auf Video und Geräusche setzt sie auch in der Sonderschau, die nicht mehr quer durchs Haus verteilt ist, sondern sich in einem Zimmer im Erdgeschoss befindet. „Ich habe den Raum durch Stellwände in kleine Parzellen unterteilt“, beschreibt Simone Michel-von Dungern ihr neues Konzept. „Auf diese Weise ist ein kleiner Rundgang möglich, und die Besucher empfinden die Ausstellung als viel größer und spannender. Denn sie wissen nicht, was sich hinter der nächsten Wand verbirgt.“
Anfassen, etwas Ausprobieren ist erwünscht. Wer möchte, kann an einem Flaschenzug ziehen und so ohne große Kraftanstrengung einen schweren Steinklotz anheben oder mit einem Kettenzug die Wasserspülung eines Klosetts auslösen – zumindest klingt es so. Dazu gibt es Videos und kurze Texte. Wer das Thema „Ketten“ vertiefen möchte, der liest in der Broschüre, die im Eintrittspreis enthalten ist, das Wichtigste nach – geschrieben, fotografiert und gestaltet von Simone Michel-von Dungern. „Langweilig ist mir nicht“, sagt sie und lacht.
Denn neben der Museumsarbeit wird sie weiter Vorträge halten über ihr Forschungsgebiet: die Gemmen. Im September in London. Oder sie ist in Marktbreit unterwegs, etwa im Seniorenheim, und erzählt Menschen, die nicht ins Malerwinkelhaus kommen können, was dort zu sehen ist. „Museum mobil“ heißt ihre Aktion.
In Gedanken auf Zeitreise
Die ständige Ausstellung in den oberen Räumen des Malerwinkelhauses hat die Museumschefin nicht verändert. „Ich finde sie im Großen und Ganzen in Ordnung, wie sie ist“, mit kleinen Neuerungen. Die „Frauen-Zimmer“ wurden durchnummeriert, so dass die Besucher die Lebensstationen in der richtigen Reihenfolge erleben können. Langfristig wird ein Teil der Vitrinen verschwinden. „Man soll sich mitten in einer Installation fühlen“, sagt Simone Michel-von Dungern, so, als wäre die Zeit zurückgedreht worden.
Wenn die Museumsfrau das Malerwinkelhaus verlässt, dann kann sie sich ebenfalls auf eine kleine Zeitreise begeben – in Gedanken. Gegenüber war einst ihre Stammkneipe, das „Tamtolli“. Als sie dort vor einem Vierteljahrhundert ihre Abende verbrachte, gab es das Museum Malerwinkelhaus noch nicht. Es bedurfte einiger Umwege, bis Simone Michel-von Dungern heute voller Überzeugung sagen kann: „Unterwegs war ich genug. Und ich glaube, es ist gut, dass ich viele Einflüsse von anderswo mit hierher gebracht habe.“
Malerwinkelhaus
Die Sonderausstellung „Kettengerassel. Halten – Bewegen – Schmücken: Eiserne Ketten im 19. Jahrhundert“ ist noch bis 31. Oktober im Malerwinkelhaus Marktbreit zu sehen. Öffnungszeiten: Donnerstag von 14 bis 20 Uhr, Freitag, Samstag, Sonn- und Feiertage von 14 bis 17 Uhr. Kontakt: Bachgasse 2, 97340 Marktbreit , Tel. (0 93 32) 5 91 596; E-Mail: info@malerwinkelhaus.de Weitere Informationen im Internet, beispielsweise Videos vom Einführungsvortrag zur Ausstellung: www.malerwinkelhaus.de Über die wissenschaftlichen und musikalischen Aktivitäten von Simone Michel-von Dungern informiert sie im Netz: www.drsimonemichel.de