„Die Zauberflöte“ ist Mozarts meistgespielte Oper. Vielleicht die meistgespielte Oper überhaupt, so genau weiß man das nicht, Bizets „Carmen“ ist auch sehr beliebt. Jedenfalls: Während alle anderen Bühnenwerke Mozarts im Auftrag irgendeines Hofes entstanden, eines kaiserlichen, kurfürstlichen ober erzbischöflichen, ist die Zauberflöte, in Mozarts Todesjahr 1791 uraufgeführt, ein Volksstück im wahrsten Sinne.
Der Schauspieler, Sänger, Regisseur und Dichter Emanuel Schikaneder (1751-1812), Rampensau, Quasselstrippe und erfolgreicher Produzent mit Sinn für den Zeitgeist, hatte sie für die Wiener Vorstadt konzipiert: Opern mit Zauberinstrumenten waren der letzte Schrei, außerdem sollte bei all den hehren Botschaften von Liebe und Güte Raum für eine ordentliche Potion handfesten Amüsements sein, das Schikaneder höchstselbst in der Rolle des Papageno beisteuerte.
Zauberflöte im Zirkus und in der U-Bahn
Der Regisseur, Dirigent und Produzent Christoph Hagel hatte 1998 die Zauberflöte – in der Regie von George Tabori – schon in den Circus Roncalli verlegt und 2008 in die Berliner U-Bahn. Nun, nochmal zehn Jahre später, legt er eine weitere Fassung vor: Im Auftrag des Mozartfests hat am 19. und 20. Juni im Mainfranken Theater „Zauberflöte reloaded“ Premiere.
Hagel ist spezialisiert auf Projekte, die gerne mit dem Label „Crossover“ belegt werden. Er folgt dabei einem ebenso einfachen wie schlüssigen Prinzip: Wo sind inhaltliche, stilistische oder philosophische Berührungspunkte oder -flächen zwischen einem historischen Stoff und einer zeitgenössischen Ausdrucksform?
Bach und Mozart mit harten Beats
2012 etwa zeigte sein Stück „Flying Bach“ beim Schweinfurter Nachsommer, dass Klarheit und Groove in Bachs Musik sich hervorragend dazu eignen, mit dem Bewegungsrepertoire des Breakdance sichtbar gemacht zu werden. 2013 folgte „Breakin' Mozart“, die erste Auftragsarbeit für das Mozartfest, diesmal mit der Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC.
Während diese beiden Stücke ihre eigene Dramaturgie bekamen, gibt nun die Zauberflöte eine Handlung vor, an der schon viele Regisseure verzweifelt sind. „Dramaturgisch ist das alles absurd, als Regisseur können Sie sich da nur die Kugel geben“, sagt Hagel.
Die hohe und die niedere Welt
Und legte doch am Mittwoch bei der offiziellen Vorstellung des Projekts in der Würzburger Sektkellerei Höfer auf dem Bürgerbräu-Areal ein Konzept vor, das den vielen Gästen sichtlich einleuchtete. Hagel führt den globalen und dauerhaften Erfolg der Zauberflöte auf das Nebeneinander oder Gegenüber von zwei Welten zurück: hier das hohe Paar mit Tamino und Pamina, dort das niedere Paar mit Papageno und Papagena.
Hier Sarastro, souveräner Bass, passend zum diesjährigen Mozartfest-Motto Vertreter von Aufklärung, Vernunft und Menschenliebe, dort die Königin der Nacht, zickiger Koloratursopran an der Grenze zur Hysterie, Karikatur der katholischen Herrscherin Maria Theresia (1717-1780). Für jeden im Publikum also was dabei, wie man so sagt.
Mozarts Skepsis den hohen Idealen gegenüber
Christoph Hagel bildet diese Zweiteilung ab, indem er die Abschnitte mit der „hohen Liebe“ klassisch belässt, ein Kammerensemble wird die Opernsänger begleiten, als deren Vertreter der Bass Marko Špehar zur E-Piano-Begleitung Hagels mit „In diesen heil'gen Hallen (kennt man die Rache nicht)“ eine erste Kostprobe gab. Die Arie war nicht zufällig ausgewählt. Christoph Hagel („Ein bisschen Musikunterricht muss ich Ihnen schon noch zumuten“) wollte zeigen, wie Mozart hier Elemente der Tanzmusik unter die Singstimme schmuggelt – nach Hagels Ansicht Zeichen für Mozarts Skepsis, was eine Zukunft der Menschheit ganz ohne das Böse anbelangt.
Die Elemente der „niederen Liebe“ wiederum werden mit Breakdance, Rap und Hip-Hop dargestellt. Den Papageno spielt Paul Lux, bekannt aus der exzellenten deutschen Netflix-Serie „Dark“. Lux („Ich habe das nicht gelernt, ich mach einfach.“) gab seinerseits eine Kostprobe als liebeskranker Rapper („Ich hätt so gern ein Mädchen wie Hänsel und Gretel, nur dass ich nicht ihr Bruder wär, ich hoffe, du verstehst mich“), im Video dazu ist er umgeben von drei Hip-Hop-Tänzerinnen (die drei Damen).
Die drei Knaben sind Breakdancer
Die drei Knaben wiederum, in der Oper eigentlich Vertreter der hohen Ebene, sind in der „Zauberflöte reloaded“ die beiden Würzburger Breakdancer Markus Heldt und Dominik Blenk, auch bekannt als Hot Potatoes. Auch für sie greift die musikalische Bearbeitung von Max Bernatzki Motive der Originalversion auf und transformiert sie mit Beats und Elektronik in tanzbare Ohrwürmer.
Für Christoph Hagel ist die Zauberflöte die erste Operette, das erste Musical gar. Es sind die bereits zur Entstehungszeit bewusst eingebauten Unterhaltungselemente, mit denen er das „reloaded“ motiviert. Hagel: „Mit Don Giovanni ginge das natürlich nicht.“ Die Resonanz dieser ersten Kostprobe war jedenfalls eindeutig positiv. Klaus Toyka etwa, emeritierter Professor für Neurologie und Kuratoriumsmitglied, zeigte sich angetan: „Wie sind hier für jede Revolution offen. Musikalisch gesehen, natürlich.“
Zauberflöte reloaded: Uraufführung am 19. und 20. Juni, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Würzburg im Auftrag und Rahmen des Mozartfests. Karten unter (09 31) 37 23 36 oder info@mozartfest.de