Mozart wäre vermutlich begeistert gewesen. Anders gesagt: Kaum vorstellbar, dass Breakdance zu Mozarts Zeit noch nicht existierte. Denn seine Musik scheint wie gemacht dafür. Jedenfalls in der Version, die die Schweinfurter Breakdance-Truppe DDC unter dem Titel „Breakin' Mozart“ in der ausverkauften Würzburger s.Oliver Arena im Rahmen des Mozartfests präsentierte.
Dirigent und Regisseur Christoph Hagel, Spezialist für derlei Crossover-Projekte, hatte mit „Flying Bach“ bewiesen, dass Breakdance eine vollwertige Ausdrucksform für Bach sein kann. Nun haben er und die Dancefloor Destruction Crew den Beweis auf Mozart ausgedehnt. Wo bei Bach die Klarheit des Gedankens die Bewegung motiviert, so sind es bei Mozart Vitalität und Emotion.
Fünf Tänzer, zwei Tänzerinnen, eine Sopranistin und ein Pianist (Hagel selbst) erzählen eine wahrhaft zeitlose, tragikomische Geschichte: Junge trifft Mädchen, Mädchen möchte aber lieber einen anderen, anderer Junge möchte Mädchen auch – kurz, Liebe ist zu allen Zeiten eine hoch komplizierte Angelegenheit. Dazu suggestive Projektionen und immer wieder Musik vom Band – Mozart im Original oder verfremdet, etwa die Kleine Nachtmusik mit harten Breakbeats oder die Alla Turca als psychedelisch angehauchte Sitar-Nummer zum Shisha-Rausch.
Die intime Einleitung gibt den Ton vor: Nicht der Mensch ist Herr der Klänge und Rhythmen, sondern umgekehrt. Mozart (Jannis Rupprecht) schreibt an der A-Dur-Klaviersonate. Da bemächtigt sich die Schöpfung ihres Schöpfers. Erst macht sich eine Hand selbstständig, dann ein Bein, und schon ist der Körper willenloser Spielball. Hagel und die DDC entwickeln aus dieser These eine 90-minütige Hommage an die Kraft der Musik – atemberaubend, anrührend und oft auch sehr komisch.Sie haben dafür Bewegungsmuster gefunden, die verblüffend schlüssig die Muster der Musik umsetzen. So wie Mozart in der Cosi-Ouvertüre Themen und Instrumentengruppen in- und übereinanderschichtet, so bewegt sich das Ensemble. Ballt sich zusammen, stiebt wieder auseinander. Plötzlich ist Mozart dazwischen. Er wird herumgestoßen wie eine Kugel im Flipper, dann packt ihn einer unter den Achseln, wirbelt ihn herum und wirft ihn zu Boden. In der Luft formt Jannis Rupprecht seinen Körper zu einem Bündel, das dann auf dem Boden rotiert wie ein exzentrischer Kreisel.
Eine der Stärken von „Breakin' Mozart“ ist, dass die Akrobatik nie zum Selbstzweck wird. Die Headspins von Daniel Barthelmes, die Handstand-Freezes von Alexander Pollner, die Seitpferd-Figuren von Marcel Geißler oder die Roboter-Moves von Gregory Strischewsky sind immer genau in den dramaturgischen Ablauf eingebettet. Mit Alexander Pollner und Dioni Birmpili und mit Marcel Geißler und Tamika Pelzer formieren sich zwei Paare, die ebenso ungewöhnliche wie anrührende Pas de deux tanzen.
Die junge Sopranistin Darlene Ann Dobisch steuert mit astreinen Koloraturen eine hochkomische (Um-)deutung der Königin der Nacht bei: Als Stalkerin stellt sie zu „Oh zittre nicht, mein lieber Sohn“ dem mit Brille und Fliege als Sonderling kenntlich gemachten Gregory Strischewsky nach. Die Klaviervariationen „Ah, vous dirai-je, Maman“ sind eine hinreißende Miniatur, in der sich Breakdance-Elemente mit Anspielungen auf Broadway-Choreografien wie die von Jerome Robbins vermischen.
Die Liebeswirrungen der Sterblichen kommen zum Schluss mit Pfeilen des Amors zu einem versöhnlichen Ende, das Finale der Jupiter-Sinfonie aber rückt die Proportionen wieder gerade: Es ist die Größe der Musik, die in Erinnerung bleiben wird. Und die Macht des Tanzes, die dieser Größe gerecht wird: Der Aufbau der Fuge zeigt, wie tief die Breakdancer Mozart verstanden haben. Klang und Bewegung verschmelzen so zu einer beglückend natürlichen Einheit. Was das Publikum nicht erst zum Schluss mit frenetischem Jubel honoriert.