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Sommerhausen
Neues Stück im Torturmtheater Sommerhausen: Wie sich transgender Mann und gläubige Christin nahekommen
Das Stück "Das Wort war Gott" ist kein Lehrstück über das Thema Transgender. Das Publikum nimmt bei bester Unterhaltung trotzdem jede Menge Wissenswertes mit.
Idealbesetzung: Maria Gruber (Frieda) und Bruno-Mirco Marcov (Victor) schälen Schicht für Schicht die Komplexität ihrer Figuren heraus.
Foto: Thomas Obermeier | Idealbesetzung: Maria Gruber (Frieda) und Bruno-Mirco Marcov (Victor) schälen Schicht für Schicht die Komplexität ihrer Figuren heraus.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 30.07.2022 02:38 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? "Und das Wort war Gott" ist ein Zwei-Personen-Stück des englischen Autors Kit Redstone. Das Torturmtheater Sommerhausen spielt es als deutschsprachige Erstaufführung in der Übersetzung von Regisseur Oliver Zimmer.
  • Worum geht es? Der transgender Mann Victor möchte seinen Telefon-Account löschen, doch Frieda von der Hotline kann ihm nicht helfen, weil das Konto noch auf den Namen Victoria läuft. Die beiden kommen einander dennoch näher.
  • Lohnt der Besuch? Unbedingt! Autor Kit Redstone, selbst transgender Mann, ist ein Meister authentischer Dialoge. Das Stück, kongenial umgesetzt vom Sommerhäuser Ensemble, ist witzig, anrührend und lehrreich, aber kein bisschen belehrend.

Es gibt ungeheuer viel zu wissen über die Transgender-Thematik, aber am Ende kommt es vor allem auf menschliche Offenheit an. Das ist – vielleicht – eine der Botschaften des Stücks "Und das Wort war Gott" von Kit Redstone, das das Torturmtheater in Sommerhausen (Lkr. Würzburg) in der Übersetzung von Regisseur Oliver Zimmer in deutscher Erstaufführung spielt.

Der Engländer Redstone, Jahrgang 1981, ist selbst transgender Mann und weiß als solcher, wovon er schreibt. Er hat im Übrigen viele andere Stücke verfasst, die nichts mit dem Thema zu tun haben.

Die Frage gilt für alle: Wie finde ich meinen Platz im Leben?

"Und das Wort war Gott" ist denn auch kein Lehrstück über ein Thema, das vielen Menschen immer noch fremd ist, sondern eine durchaus romantische Komödie mit überraschend universeller Fragestellung: Wie finde ich meinen Platz im Leben und in einer Gesellschaft, die weniger daran interessiert ist zu erfahren, wer ich bin, als ihrerseits zu definieren, wer ich zu sein habe?

Sie musste einst unförmige Pullis tragen, er Mädchenkleider: Frieda (Maria Gruber) und Victor (Bruno-Mirco Markov) tauschen sich über ihre Vergangenheit aus.
Foto: Thomas Obermeier | Sie musste einst unförmige Pullis tragen, er Mädchenkleider: Frieda (Maria Gruber) und Victor (Bruno-Mirco Markov) tauschen sich über ihre Vergangenheit aus.

Victor, der transgender Mann, versucht Frieda, der gläubigen Christin von der Hotline, klarzumachen, dass er dieselbe Person ist, die einst als Victoria ein Telefon-Konto eröffnet hat, das er, Victor, jetzt löschen lassen will. Das Problem: Frieda sind die Hände gebunden, weil Victor sich als Victor gemeldet und Victorias hinterlegte Adresse genannt hatte, was das System schon als Betrugsversuch wertet.

Es entbrennt ein Wettbewerb, für wen das Außenseitertum schwerer ist

Frieda muss also mehr von und über Victor erfahren, damit sie ihren "Ermessensspielraum" nutzen und das System überstimmen kann. Eine brillante Konstellation: Frieda, vollkommen unwissend und deshalb unvoreingenommen naiv, stellt mit echter Neugier all die Fragen, die jemand haben könnte, der oder die noch nicht viel zur Transgender-Thematik weiß.

Victor reagiert gereizt und überheblich. Also typisch männlich, wie Frieda konstatiert. 

'Ich habe eine Tante, die auch einen Bart hat': Frieda (Maria Gruber) nähert sich Victor (Bruno-Mirco Markov) mit naiver Neugier.
Foto: Thomas Obermeier | "Ich habe eine Tante, die auch einen Bart hat": Frieda (Maria Gruber) nähert sich Victor (Bruno-Mirco Markov) mit naiver Neugier.

Und schon sind die beiden mittendrin im gegenseitigen Erkundungsrausch, der immer persönlicher, immer intimer wird. Die trennende Stuhlreihe (Szene und Kostüm: Angelika Relin) löst sich auf, die vermeintlich engstirnige Christin entpuppt sich ihrerseits als überraschend frei denkende Außenseiterin von großer innerer Stärke, der vorgeblich souveräne transgender Mann schrammt haarscharf an einem Rückfall in die Opferrolle entlang. "Warum ist deine Identität wichtiger als meine?", fragt sie. "Für mich ist es viel schwerer", ruft er, als sei anders Sein messbar.

Oliver Zimmer setzt die rhetorischen Versteckspiele, das anrührende Herantasten, die jähen Rückschläge mit großem Gespür für Timing und tiefem Verständnis für die Figuren um. Maria Gruber (Frieda) und Bruno-Mirco Marcov (Victor) sind die Idealbesetzung: Präzise schälen sie Schicht für Schicht die Komplexität ihrer Figuren heraus, kommen einander und dem Publikum beglückend nahe. Dass ihnen kein Happyend vergönnt ist, macht das Stück nur noch glaubwürdiger.

Torturmtheater Sommerhausen: "Und das Wort war Gott" läuft bis 10. September. Spieltage: Di. bis Fr., 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr. Karten: kartenbestellung@torturmtheater.de oder telefonisch ab 16 Uhr, (0 93 33) 268.

 
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